Schlagwortarchiv für: Erfolg

«Republik» grün vor Neid

Kein Journalist verträgt den Erfolg des anderen. Aber gleich so ranzig werden?

Es ist lange her, dass die «Republik» durch irgend einen «Primeur» auffiel. Es war immer so, dass diese Enthüllungen – wie beispielsweise über angeblich schreckliche Zustände bei «Globe Garden» – wie ein Soufflee in sich zusammenfielen, wenn sie einem Faktencheck ausgesetzt wurden.

Dieses Problem begleitet die «Republik» seit ihren Anfängen, als zwei Jungjournalistinnen durch die USA reisten und dort reihenweise Leute in die Pfanne hauten und sich andere Unsauberkeiten zuschulden kommen liessen.

Inzwischen macht die «Republik» mehr mit einem schlecht begründeten Rausschmiss ihres Starreporters, mit kreativer Buchhaltung und damit Schlagzeilen, dass sie ständig am Rande der Pleite entlangtorkelt.

Da passt ins Bild, dass sie dem Kollegen Cedric Schild seinen Erfolg nicht gönnen mag. Der Ausnahmekönner hat sich mit «Izzy» aus dem Nichts eine Fangemeinde aufgebaut, als Comedian etabliert. Aber den grössten Scoop landete er damit, dass er in einer sorgfältig geplanten Langzeitreportage Enkeltrick-Betrüger reihenweise überführte – und das Ganze auch noch auf Video festhielt.

Ein Burner, das katapultierte den Supercedi in die Oberliga. Kein Wunder, dass Ringier sich kaum einkriegt vor Stolz, dass der «Blick» ihn auf Händen trägt, weil er mit seinem Video versucht, sein flaues Bezahlmodell «Blick+» an die Leute zu bringen.

Natürlich wurde ein wenig an den Methoden der Filmemacher rumgemäkelt, päpstliche Päpste rümpften da und dort die Nase, aber wohlweislich hielt man sich allgemein mit Kritik zurück – zu schnell hätte das übel nach Neid gerochen, nach Meckern von Möchtegerns, die eigentlich auch mal gerne, aber halt nicht dazu in der Lage sind.

Solche Hemmungen kennt aber die «Republik» nicht. Timo Kollbrunner haut hier den Supercedi mit Anlauf in die Pfanne. Selbst ist er weder durch seine Tätigkeit für «Public Eye», noch in seiner Karriere bei der «Republik» durch besondere Leistungen aufgefallen.

Ihm ist aber mit Adleraugenblick aufgefallen, dass es im Erfolgs-Video «Die Enkeltrick-Betrüger» einen fürchterlichen Skandal zu enthüllen gibt. Die Geschichte des Films muss umgeschrieben werden. Nicht nur die entlarvten Betrüger tun hier Schreckliches, auch der Entlarver verbricht Fürchterliches. Das fängt schon bei der Szene an, wie eine Betrügerin entlarvt wird.

Kollbrunner entlarvt nun aber den Supercedi: ««Soll ich etwas trinken?», fragt Schild mit altherren­verstellter Stimme ins Telefon. Dann geht er zum Büro­kühlschrank und holt eine Flasche Hard Selzer heraus: ein alkohol­haltiges, mit Fruchtsaft versetztes Mineral­wasser. Er nimmt einen Schluck aus der Flasche und stellt sie dann vor sich aufs Pult, genau so, dass sie fortan perfekt ausgerichtet im Vorder­grund steht, wenn er aus der Totalen gefilmt wird.»

Product Placement, Schleichwerbung! Dagegen kann jeder James Bond einpacken. Denn Schild treibt es einfach zu bunt: «Bereits in der allerersten Minute des Films sieht man Schild mit einem Schlüssel­band um den Hals, auf dem der Schriftzug der Getränke­marke prangt, die er später verkosten wird. Und dann sieht man dieses Logo wieder und wieder: auf der Tischlampe im Büro, auf dem Laptop, auf der weissen Mütze, die Schild auch auf dem offiziellen Pressebild zum Film trägt, in neon­farbener Leuchtschrift an der Wand hinter Schilds Arbeitsplatz – überall prangt der Schriftzug der Firma.»

Kollbrunner spannte seinen investigativen Muskel an und schaute nach, wem denn die Firma gehört, «die einem da mit nicht eben subtiler Penetranz aufs Auge gedrückt wird». Und siehe da, ein Blick ins Handelsregister zeigt: sie vertreibt alkoholische Getränke. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre: «Die Firma gehört vier Männern. Einer von ihnen ist: Cedric Schild. Ein anderer ist Florian Scholl, «Head of Marketing» bei «Izzy» und ebenfalls Protagonist im Film.»

Da hat Kollmann ganz genau hingeschaut:

«Es gibt im Film Einstellungen, auf denen das Logo gleichzeitig an elf Stellen zu sehen ist: auf dem Laptop, auf dem Schlüssel­band, an der Lampe, auf einem Flyer und in Leucht­schrift an der Wand.»

Wahnsinn, damit ist Schild als Flaschentrickbetrüger entlarvt. Als besonders übler zudem: «Beim Shop der Firma von Ringier-Star Cedric Schild dagegen bekommt man während des ganzen Bestell­vorgangs nie die Möglichkeit, sein Geburts­datum anzugeben.»

Daraus schliesst Kollmann, der auch diesen Bestellvorgang nachrecherchiert hat, messerscharf: hier können auch Minderjährige Alk bestellen! Ist zwar nur 4,5-prozentiger, aber auch so hat schon manche Alkoholikerkarriere angefangen. Warnend zitiert der «Republik»-Schlaumeier noch den Presserat, die Stiftung «Sucht Schweiz» und den «Beobachter», um auf die Schwere dieses Vorgangs hinzuweisen. Dann muss er sich aber seine schöne aufgepumpte Story selbst kaputt machen: «Schilds Getränkefirma schreibt: «Wir prüfen jede Kunden­beziehung manuell vor Versand der Ware. Bei Zweifeln an der Volljährigkeit einer Person wird ein Alters­nachweis angefordert.»»

Blöd gelaufen, eigentlich. Am Schluss setzt Kollmann der Lächerlichkeit noch die Krone auf: «Hinweis: Ursprünglich hatten wir geschrieben, in manchen Einstellungen des Films tauche das Logo insgesamt achtmal auf. Mittlerweile haben wir das Logo an gleich drei weiteren Stellen entdeckt – und auch diese abgedeckt.»

Kann man grün vor Neid noch tiefer sinken? Schwierig, aber einer kann’s natürlich: auch diese Story schreibt Andreas Tobler für Tamedia einfach ab. Denn auch er möchte sicherlich einmal durch etwas anderes auffallen als durch Peinlichkeiten, auch er neidet Schild seinen Erfolg bis zur Hemmungslosigkeit.

Tobler hat sich schon längst, die «Republik» spätestens damit vom ernstzunehmenden Journalismus verabschiedet.

Der Treppenwitz dabei ist natürlich: damit macht sie (und Tobler sekundiert fleissig) Schilds Gesöff noch viel bekannter. «Izzy» hat 700’000 Follower; die «Republik» hat abbröckelnde 26’547 Abonnenten. Eigentlich müsste Schild von den Demokratierettern Geld für die Gratiswerbung verlangen, die sie auf seine Kosten bekommt. Andererseits: wer will schon dafür bezahlen, sich in aller Öffentlichkeit zu blamieren.

 

Wumms: Lukas Hässig

Der Ritterschlag: ein Porträt in der NZZ

Noch besser für den Betreiber des Finanzblogs «Inside Paradeplatz»: vom Titel an ist es ein nicht unkritisches, aber freundliches Porträt geworden. «Recherchen und Krawall – Lukas Hässig ist der Schrecken der Mächtigen, aber sein Übermut bringt ihn oft in Schwierigkeiten».

Das hat was, aber Hässig fährt seit zehn Jahren einen scharfen Reifen mit seiner Enthüllungsplattform. Dass dabei manchmal Gummi liegenbleibt, ist sozusagen Geschäftsrisiko.

Die Liste seiner Erfolge ist zudem lang und beeindruckend. Pierin Vincenz stünde ohne ihn nicht vor Gericht. Tidjane Thiam wäre vielleicht immer noch CEO der Credit Suisse. Daniel Vasella hätte sich an einer Abgangsentschädigung von 72 Millionen für Nichtstun erfreuen können.

Aktuell ist Hässig lediglich von Patrizia Laeri eingeklagt; dafür gleich zweimal, aber ohne grosse Aussichten, dass sie mit ihren Vorwürfen von Sexismus und Rufschädigung durchkommt.

So nebenbei ist Hässig auch gegen das Medienpaket, wie die Reaktion der NZZ. Daher wird ihm am Schluss ein verdientes Kränzchen gewunden:

«Sein Portal will er auch künftig allein über Werbung und Beiträge für einzelne Artikel finanzieren. Dies, obwohl er mehr Skandale aufgedeckt und mehr zur Kontrolle der Mächtigen beigetragen hat, als alle kapitalismuskritischen Zeitungen und Online-Portale zusammen, die derzeit am lautesten nach staatlicher Förderung schreien.»

 

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert ab und an auf «Inside Paradeplatz».

 

Freude herrscht: Die Ostschweiz lebt

Medial gute Nachrichten. Wenn nur dieser Dialekt nicht wäre.

Zunächst die Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt auch für «Die Ostschweiz».

Höchstwahrscheinlich liegt es daran, dass das muntere Online-Magazin gerade vermeldet hat:

«Mehr als eine Million Leser oder «unique user» haben unsere Seite in diesem Monat besucht.»

Und der Monat September ist noch relativ jung.

Diese gute Nachricht wurde am 20. veröffentlicht, das bedeutet, dass es wohl bis Ende Monat locker 1,5 Millionen werden können.

 

Das ist ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte. Im April 2018 gestartet,  bald einmal konnten 20’000 Leser pro Monat vermeldet werden. Pipifax, im Vergleich zu den aktuellen Zahlen. Diese Million ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Hoch die Flaschen!

Wenig Mittel, grosser Erfolg

«Die Ostschweiz» konzentriert sich (fast) ausschliesslich auf die Ostschweiz. Lokales, Lokales, Lokales, bis hinunter zu Polizeimeldungen über Unfälle und Verbrechen. Insgesamt arbeitet nur eine Handvoll Leute mit, der Inhalt wird im Wesentlichen von Chefredaktor Stefan Millius plus ein, zwei, Mitarbeitern abgefüllt.

Mit Vorsicht, aber beharrlich wurden sogenannte Extension Lines ausgefahren, so ein Printprodukt. Von Anfang an verstand sich die «Ostschweiz» als Forum, eine Lieblingsidee am Anfang war, möglichst viele Kolumnisten, meinungsstarke Autoren zu versammeln. Eine geplante Diskussionsreihe fiel (bislang) der Pandemie zum Opfer.

Nachdem einige konservative Stimmen diese Gelegenheit ergriffen hatten, verabschiedeten sich dann leider – aber nicht untypisch – diverse linke Meinungsträger, da wollten sie nicht teilhaben. Dahinter stand sicher auch die Überlegung, dass das St. Galler «Tagblatt» der Platzhirsch in der Ostschweiz sei und bleibe. Die «Ostschweiz» hingegen ein Randphänomen.

Den langjährigen Platzhirsch bereits hinter sich gelassen

So kann man sich täuschen. Online hat die «Ostschweiz» das «Tagblatt» bereits überrundet, und die Eingemeindung ins CH Media-Reich mitsamt in Aarau hergestellter Einheitssosse, hat dem «Tagblatt» auch nicht viel Sympathie eingebracht. Tiefflieger wie die publizistische Leiter nach unten Pascal Hollenstein oder ein einseitig meinungsstarker Chefredaktor (wovon eigentlich?), der Verzicht auf jeglichen Anspruch, gerade in der Frage der Corona-Massnahmen ein Forum für divergierende Meinungen zu sein, hat dem «Tagblatt» weiter geschadet.

Nicht zuletzt ist der Unterschied auch: Die «Ostschweiz» ist gratis, das Tagblatt kostet rund 500 Franken im Jahr. Auch der Chefredaktor der «Ostschweiz» macht aus seiner (dezidiert kritischen) Meinung zur Coronapolitik des Bundesrats kein Hehl. Da er aber nicht nur eine Meinung hat, sondern auch Ahnung und seine Artikel meinungsstark, aber faktenbasiert sind, konnte sich die «Ostschweiz» auch als Plattform für abweichende Ansichten profilieren – über die Ostschweiz hinaus.

Als Sahnehäubchen ist es seit einiger Zeit so, dass das «Tagblatt» kaum eine Gelegenheit auslässt, an der «Ostschweiz» rumzumäkeln. Nicht nur ein schwerer strategischer Fehler, denn der «Tagblatt»-Abonnement fragt sich natürlich, warum er für die Darstellung dieser Fehde einen Haufen Geld abdrücken soll. Das Gezeter bedeutet auch, dass die «Ostschweiz» zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz geworden ist.

Es gibt Leben im Internet – und Ziele

Sicher, bis zu den rund 140 Millionen monatlichen Online-Lesern von «20 Minuten» ist’s noch ein Wegstückchen hin. Aber wer weiss …

Unabhängig von persönlichen Präferenzen von ZACKBUM ist es einfach so, dass diese Plattform beweist, dass es Leben im Internet gibt – jenseits von Google, Facebook und dem Gejammer der grossen Medienclans der Schweiz, die sich eine weitere Milliarde Steuergelder als Subventionen einverleiben möchten.

«Die Ostschweiz» als Gratisangebot würde dabei – wie auch ZACKBUM – leer ausgehen. Auch das macht diese Subvention so fragwürdig. Versagen wird belohnt, Erfolg bestraft.

Aber unabhängig davon zeigt die «Ostschweiz» – und das ist der Aufsteller – dass es möglich ist. Von null auf eine Million, eher 1,5 Millionen in dreieinhalb Jahren, das ist ein starkes Stück. Erfolgsgeheimnis?

Keinerlei Erfolgsgeheimnis

Überhaupt kein Geheimnis. Harte Arbeit, das Einhalten journalistischer Minimalstandards, Meldung und Meinung schön austariert, klare USP – Ostschweiz, immer Ostschweiz, abgesehen von ein paar Pausenclowns wie Zeyer –, Kontinuität, Professionalität und einen guten Sprutz Herzblut.

Dem normalen Medienmanager eines der drei Grossverlage oder der NZZ ist es letztlich egal, welche journalistische Leistung sein Konzern erbringt. Die Kohle fliesst sowieso schon durch andere Aktivitäten als Journalismus rein. Das Gehalt ist üppig und kommt pünktlich, geht was in die Hose, kräht man nach Hilfe von Vater Staat.

Das ist bei der «Ostschweiz» alles anders, und genau deshalb ist sie erfolgreich. Das Modell ist sicherlich exportierbar – auch in Gegenden ohne diesen Akzent. Es belegt die in sich ruhende Lahmarschigkeit der Medienmanager, dass sie seit Jahren keine einzige eigene Idee produzierten. Alles Neuere wie «20 Minuten» oder die meisten Handelsplattformen: eingekauft. Zukaufen, Zusammenlegen, Runtersparen aufs Skelett. Damit wird’s natürlich nichts mit erfolgreichem Journalismus.

«Die Ostschweiz» beweist, dass das kein Naturgesetz ist.