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«Die küssen meinen Arsch»

Aber wer möchte schon wirklich Donald Trumps Arsch küssen?

Die Welt muss zur Kenntnis nehmen: der mächtigste Mann der Welt ist ein Soziopath, ein schwer gestörter Narzisst, ein unkontrollierbarer Irrer.

«Ich sage Ihnen, diese Länder rufen uns an und küssen mir den Arsch. Sie brennen darauf, ein Abkommen zu schliessen.» Dann imitiert der US-Präsident Donald Trump angebliche Anrufer: «Bitte, Sir, machen Sie einen Deal.» Oder: «Ich werde alles tun, Sir.»

Erschreckend, ein Vollirrer. Wie würdelos, wie peinlich. Nur noch Roger Köppel bleibt sich und seinem Irrtum treu: «Trump: Befreier des unfreien Freihandels.»

104 Prozent Zoll auf chinesische Importe? China doppelt nach: 84 Prozent Zoll auf Importe aus den USA. Hat es jemals in der Geschichte Sinn gemacht, Zollschranken hochzuziehen? Handelskriege anzuzetteln? Wer profitiert denn davon? Wieso laufen Elon Musk und viele andere Unternehmer Sturm dagegen?

Weil Zölle das Ausüben eines staatlichen Gewaltmonopols sind. Und die Fassade aufrecht erhalten, dass in den USA Entscheide nach rechtsstaatlichen Prinzipen gefällt werden.

Offenbar hört Trump auf den ökonomischem Voodoo-Priester Peter Navarro. Der wiederum nimmt in seinen Büchern, in denen er Zölle als Allerheilmittel preist, Bezug auf einen angeblichen Wirtschaftsexperten namens Ron Vara. «Reiten Sie mit Zöllen zum Sieg», soll dieser Vara gesagt haben, und Trump hört auf die Einflüsterungen von Navarro, der ihn seit Jahren als Berater begleitet.

Nur: Vara gibt es gar nicht, es ist eine fiktive Person, wie Navarro schon selbst zugegeben hat.

Muss man sich mal vorstellen, kann man kaum: Der US-Präsident bedient sich nicht nur einer Fäkaliensprache, er hört zudem auf die Ratschläge eines Irrwisch, der erfundene Personen (Ron Vara ist ein Anagramm von Navarro) sprechen lässt.

Schon Adolf Hitler, der Vergleich liegt leider auf der Hand, hörte auf die Einflüsterungen eines Erik Jan Hanussen, der allerdings ein unschönes Ende nahm.

Dass mehr als 100 Prozent Zoll auf chinesische Importe keinen anderen Sinn als keinen haben sollte, ist für jeden vernünftigen Menschen klar. Dass Zölle Handelsbilanzdefizite heilen könnten, ist reine Voodoo-Ökonomie, die ausserhalb der Fanblase von Trump niemand ernst nehmen kann.

Seine ewigen Beteuerungen, dass so viele Länder (oder sogar Pinguine) die USA ganz schlecht behandelt haben sollen, ist das irre Gerede eines Amoks, der unbeirrt an einem Irrweg festhält, der die Weltwirtschaft ins Chaos stürzt – und der die USA in erster Linie schädigt.

Denn nirgendwo sind die Börsen dermassen runtergekracht, nirgendwo ist die ganze Industrie dermassen abhängig von der Zulieferung aus dem Ausland. Und wie soll eine US-Bude weiterhin ihre Produkte herstellen und zu verträglichen Preisen verkaufen, wenn ihre Zulieferer absurde Zollschranken zu überwinden haben?

Mit seiner kleinen Rede vor ausgewählten Republikanern hat sich Trump entlarvt. Das obszöne Vokabular eines New Yorker Immobilienhais, der nach so vielen sein krankes, narzisstisches Ego beschädigenden Niederlagen endlich als Präsident der USA den grossen Reibach machen kann, das ist sicherlich der Tiefpunkt der Geschichte der Präsidenten der USA.

Man will sich nicht vorstellen, welche Profite seine Kamarilla eingefahren hat, die von seiner Zollankündigung wusste und mit Leerverkäufen sich dumm und dämlich verdiente. Es ist zu hoffen, dass sich einige dabei so bescheuert anstellten, dass man ihnen auf die Schliche kommen wird.

Es gibt immer Traumtänzer und Schönschwätzer, die auch die absurdeste Massnahme Trumps, sein unwürdigstes Verhalten umdeuten und ihn als angeblichen «Retter des Freihandels» preisen, dabei ist er sein Totengräber, der die US-Mittelschicht ihrem Verderben ausliefert.

Andere keifen «Faschist» und Neo- oder Postfaschismus, obwohl Trump keine Ahnung hat, was das eigentlich sein soll. Vor allem unterscheidet ihn vom Faschismus, dass er keine Ethnie als Schuldige für allfällige Probleme der USA stigmatisiert.

Das alles sind nur hilflose Versuche von Flachdenkern, mit einer neuen Qualität der US-Politik zu Rande zu kommen. Die Augen vor einer offenkundigen Tatsache zu verschliessen: Der 47. Präsident der USA ist psychisch krank.

Wer sich öffentlich mit der Bemerkung, «die küssen meinen Arsch» darin suhlt, dass andere Regierungschefs versuchen, ihn davon abzuhalten, seine absurde Zollpolitik zum Nachteil von allen umzusetzen, der ist ein Fall für die Psychiatrie.

Wer sein Regierungsamt nur dazu benützen will, sich und seinen Clan obszön zu bereichern, ist charakterlich für das Amt nicht geeignet.

Wer unablässig Fake News produziert und sie durch andere ersetzt und niemals sich darauf behaften lässt, was er erst gestern verzapfte («Deutschland nimmt ein Kohlekraftwerk nach dem anderen in Betrieb»), ist eine Gefahr für sich und für alle.

So erbärmlich sein Verhalten ist, so erbärmlich ist die Reaktion der Opposition in den USA. Und so erbärmlich ist die Reaktion der Mainstreammedien und der Regierungen in Europa. Inklusive Schweiz.

Was sind das für Amateure im Bundesrat, im Seco und im diplomatischen Chor, die meinten, ein paar freundliche Bemerkungen Trumps über die Schweiz böten Anlass zur Hoffnung, dass er besonders nett zur Alpenrepublik sei. Anstatt zur Kenntnis zu nehmen, dass ihn selbst sein eigenes Geschwätz schon dann nicht mehr interessiert, nachdem er es geäussert hat.

Trump verspricht den USA goldene Zeiten, wie das alle Möchtegern-Autokraten tun. Aber nicht einmal er kann wirtschaftliche Realitäten umlügen. Die Auswirkungen seiner verantwortungslosen Zollpolitik werden in den USA sehr schnell spürbar sein, auch ausserhalb der Börse. Man darf gespannt sein, wem er die Schuld für sein eigenes Versagen in die Schuhe schieben wird.

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Der Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz». 

He, Ihr Tagi-Schnarchnasen

Aus München übernehmt Ihr jeden Furz. Wieso nicht mal was Sinnvolles?

Ausland, Kultur, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Leben: kein Bereich, indem der Qualitätskonzern Tamedia seinen Lesern nicht Aufgewärmtes aus der SZ-Küche aus München serviert.

Meint dort ein Amok, aus der Rede von Elon Musk lediglich einen vermeintlichen Hitlergruss oder «römischen Gruss» denunzieren zu müssen – die braune Sauce schwappt ungefiltert in den Tagi. Selbst wenn der ehemalige Münchner Oberbürgermeister sich Gedanken über Katzen macht, wird das dem zahlenden Leser als ungeniessbarer Brei auf den Teller geklatscht.

Aber wenn in München mal was Nachahmenswertes passiert, dann denken die in einen Newsroom eingepferchten Journalisten der Zentralredaktion in Zürich nicht im Traum daran, das nachzuahmen.

Denn bei der «Süddeutschen Zeitung» wird gestreikt. Wieso, gab es auch eine Massenentlassung wie in Zürich? Aber nein:

«Die Berichterstattung, die sonst acht verschiedene Ausgaben umfasst, schrumpft auf eine Seite zusammen. Hintergrund ist ein Warnstreik in der Redaktion

Denn es laufen Tarifverhandlungen über Lohnerhöhungen. Die Gewerkschaften fordern bis zu 12 Prozent mehr, die Verleger bieten weniger. Anlass genug, mal die Muskeln spielen zu lassen.

Aber dafür müsste man erst mal welche haben in Zürich. Oder sich trauen. Wenn sich 76 erregten Frauen über angeblich unerträglichen Sexismus und demotivierende Diskrimination beschweren, dann gibt es ein grosses Hallo, Selbstbezichtigungen des Kaders, Betroffenheit und Gelöbnisse zur Besserung. Dabei konnten die Weiber keinen einzigen ihrer Vorwürfe auch nur im Ansatz belegen; alle entzogen sich auch jedem Versuch der Überprüfung.

Aber wenn im Rahmen einer völlig verunglückten Neuorganisation der Redaktion zunächst 92 Leute gefeuert werden sollen, dann wird mal richtig losgelegt. In der Romandie kam es zu einer, nun ja, wollen wir es Protestveranstaltung nennen? So etwas in der Art. Und in Zürich? Wurden zwei, drei handgemalte Protestplakate vor die Eingangstüre des Glashauses gestellt. Und ein völlig lächerliches Filmchen gedreht, in dem sich B- und C-Prominenz darüber ausliess, wie schlimm das doch sei.

Aber wirklicher Protest, gar ein Streik? Die nötige Forderung, dass die beiden Verantwortlichen für das Desaster, Jessica Peppel-Schulz und Simon Bärtschi, dem Beispiel von Kerstin Hasse folgen müssen? Dass eine Chefredaktion hermuss, die den Namen verdient?

Und vor allem: dass eine Strategie entwickelt werden muss, mit der der nächste grosse Rausschmiss verhindert werden kann? Und einfach zum zeigen, dass es durchaus noch möglich ist, den Tagi samt Kopfblattsalat noch magerer und dünner werden zu lassen, streikt die Redaktion mal einen Tag oder zwei. Falls alle vergessen haben sollten, wie man das macht: einfach mal in München nachfragen. Erklären die dort gerne.

Wie Journalisten ticken

Eigentlich ist Trump II für viele wie ein Seitensprung.

Denn die psychologischen Mechanismen sind die gleichen. Die erste Phase ist ein dumpfes Misstrauen: da könnte doch etwas sein. Aber gleichzeitig das Verdrängen: da ist doch sicher nichts.

Genauso begann das Verhalten vieler, als Donald Trump ankündigte, er werde noch ein weiteres Mal als Präsidentschaftskandidat antreten. Bevor er das klar ausgesprochen hatte, gab es ganze Wellen von Artikeln, die das als ausgeschlossen, unmöglich, undenkbar verurteilten. Und während des Beginns der internen Ausmarchung unter den Republikanern klammerten sich viele an jeden Strohhalm, an jeden anderen, noch so aussichtslosen Kandidaten. Immer in der verzweifelten Hoffnung: noch hat Trump nicht gewonnen, noch ist alles möglich.

Die zweite Phase ist die Verdrängung. Nein, das ist sicherlich nicht so. Das kann ja nicht wahr sein. Es gibt genügend Indizien und Anzeichen, die doch ausreichend beweisen, dass nichts Schlimmes passiert ist, passieren wird. Hat sie nicht gelächelt beim Händedruck, hat Trump nicht deutliche Schwächezeichen gezeigt? Nein, es ist nicht, wie es ist, es ist, wie es sein soll:

Er war nicht der Einzige …

Die dritte Phase ist die Fassungslosigkeit. Wenn Verdrängen und Wegsehen nichts mehr nützt, dann kommt: wie konnte er nur. Wie ist es nur möglich, dass er/sie mich hinterging. Wie ist es nur möglich, dass Trump tatsächlich das Rennen bei den Republikanern gemacht hat.

Begleitet ist diese Phase der Erkenntnis von Schmerzen, Qualen und Wut. Es wird in der Vergangenheit gestochert, nach Vorfällen gesucht, die das Unfassbare hätten vorausahnen lassen. Bei Trump äusserte sich das so, dass unermüdlich seine versammelten Flops, seine Lügen, all das, wo er versagte, nochmal und nochmal durch die Sprachmühle gejagt wurde.

Besonders putzig ist das in den Medien. Denn während im Privaten in solchen Fällen auch zu schlimmen Ausdrücken gegriffen wird («du Schlampe, du notgeiler Bock») ist das natürlich im öffentlichen Diskurs nicht erlaubt. Sicher, «Faschist» als Ersatz für «Arschloch» tröstet etwas und ist Balsam auf die verwundete Schreiberseele. Aber eigentlich bewirkt das Sublimieren Sodbrennen und Herzrasen. Wahrscheinlich, wie früher bei Bankern, stieg die Nachfrage nach Psychopharmaka in der Nähe von Pressehäusern signifikant.

Die nächste Phase, aber davon sind wir noch weit entfernt, ist die Verarbeitung. Die Bewältigung. Das äussert sich entweder in einer gemeinsamen Beziehungstherapie, in der Trennung oder in der Versöhnung. Diese Möglichkeiten stehen der versammelten Journaille bei Trump allesamt nicht zur Verfügung.

Obwohl therapeutische Massnahmen, wenn man beispielsweise an Christof Münger, Daniel Binswanger oder den ganzen «Spiegel» denkt, durchaus sinnvoll, wenn aber wohl nutzlos wären. Trennung kann es nun nicht geben, Trump zu ignorieren, ist nicht möglich.

Bliebe noch die Versöhnung. Erste zarte Pflänzchen in diese Richtung wachsen bereits. Ist vielleicht doch nicht alles so schlimm, das mit Grönland kann man auch strategisch sehen, der Panamakanal gehörte doch lange Zeit den USA, haben ihn schliesslich gebaut. Und, nun, die USA scheinen tatsächlich ein Problem mit illegalen Immigranten zu haben. Ach, und vielleicht wurde an den Unis mit Wokeness, korrekter Gendersprache und überempfindlichen Schneeflocken, die save rooms brauchen, weil sie sich so schnell so unwohl fühlen, ein wenig übertrieben.

Aber echte Zuneigung wird’s wohl nie werden. War’s ja auch nicht, hier hinkt natürlich der Vergleich. Aber er hat so viele schöne Facetten.

Auch diese hier: begleitet wird der Prozess von ständiger Verdrängung eines Aspekts. Könnte ich Fehler gemacht haben in dieser Beziehung? Könnte ich versucht haben, dem Publikum zu verbohrt, zu rechthaberisch, zu abgehoben zugeredet zu haben? Könnte es sein, dass nicht Trump ein Amok ist und spinnt, sondern dass ich Probleme mit der Wirklichkeit habe, unter Realitätsverlust leide?

Da sagen der (oder die) Betrogene und der einordnende Schreiber im Chor: niemals. War das «Spiegel»-Cover mit Trump als Supernova und der Zeile «Das Ende der Welt» oder das Cover, wo er in der einen Hand ein Messer und in der anderen den blutigen, abgetrennten Kopf der Freiheitsstatue in der Hand hält, nicht vielleicht etwas übertrieben? So von  heute gesehen?

Hat der (oder die) Betrogene vielleicht den Partner durch sein Verhalten in die Arme eines anderen getrieben? Haben Journalisten durch ihre ständigen und gesteigerten Beschimpfungen Trumps, durch düstere Gemälde von drohendem Weltuntergang nicht Unentschlossene eher muff gemacht, abgestossen, zur Entscheidung getrieben: also wenn ihr mir einen senilen Biden und den Notnagel Harris anpreisen und verkaufen wollt, dann kann ich euch doch nicht ernst nehmen.

Natürlich wird es Wendehälse geben. Darin sind Journalisten Weltmeister. Wenn ein Daniel Ryser für Köppel schreiben kann, dann geht doch eigentlich alles. Schliesslich geht Kunst nach Brot, und Elon Musk ist ein sehr reicher Mann.

Und ein Letztes, das sich der Betrogene oder die versammelte Journaille, auch alle Politiker, die gegen Trump sind, niemals eingestehen wollen: ihre peinliche Lächerlichkeit. Ein Beispiel? Bitte, schön aufbereitet von der NZZ, die manchmal kleine Lichter im Tunnel aufblitzen lässt:

Wie reagiert eigentlich die EU auf Trumps wiederholte Ankündigung, sich Grönland einverleiben zu wollen? So:

«Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Rats-Chef António Costa brauchten gar zwei volle Tage, um auf Trumps unverhohlene Drohung zu reagieren. Von Kritik keine Spur: «Wir freuen uns auf eine positive Zusammenarbeit mit der neuen amerikanischen Regierung, die auf unseren gemeinsamen Werten und Interessen beruht. In einer rauen Welt sind Europa und die USA gemeinsam stärker», schrieben sie.Als hätte es noch eines Beweises für Europas derzeitigen Eiertanz bedurft, schalteten sie die gemeinsam verfasste Nachricht ausgerechnet auf X auf, Musks Plattform.»

Immerhin, für Spass und Unterhaltung ist gesorgt, auch mit erbärmlicher Unterwürfigkeit.

Labertasche Daniel Binswanger

Wenn die eine Schmachtlocke über die andere schreibt …

Ganz blöd dran ist ein Kolumnist, wenn er sich am 18. Januar vorgenommen hat, über Ereignisse zu schreiben, die ab 20. Januar ihren Lauf nehmen.

Im wilden Ungefähr muss er so wolkig wie nie zuvor werden:

«Radikale Ungewissheit ist ein Lackmus­test für die eigene Charakter­disposition. Werden Sie hyperaktiv und nervös oder melancholisch und passiv? Sind Sie Optimistin mit Urvertrauen oder luzider Pessimist?»

Nach diesem Fanfarenstoss heisser Luft geht’s dann doch endlich zur Sache: «Was feststeht: Trump wird Schaden anrichten, massiven Schaden.» Ui, wie und wo und womit macht er das?

«Es droht die Unter­minierung der Medien­freiheit, die Politisierung der Justiz, die Korrumpierung der Wirtschafts­eliten.»

Nun, in Wirklichkeit schaffen soziale Plattformen die übergriffig gewordenen Faktenchecker ab, was sicherlich mehr Meinungsfreiheit bewirkt. Eine Justiz, deren oberste Richter in den USA immer vom Präsidenten gewählt werden, war schon immer politisiert. Und wie und womit sollen denn «Wirtschaftseliten» korrumpiert werden? Man fragt sich nicht zum ersten Mal, ob Daniel Binswanger einfach gerne Fremdwörter verwendet, ohne deren Sinn genauer zu kennen.

Das war nun aber fast zu viel Konkretes; schnell zieht sich Binswanger wieder ins Ungefähre zurück: «Aber letztlich wissen wir es nicht. Wenn die Dinge erst einmal ins Rutschen kommen, ist es schwer zu ermessen, wie weit sie aus der Spur geraten.»

Wenn nichts hilft, vor allem keine eigen Meinung vorhanden ist, dann zitiert der Kolumnist gerne andere. Hier zum Beispiel zwei «Politologen». Einer ist positiv gestimmt, der andere negativ. Bei dieser Bandbreite kann eigentlich nichts schiefgehen, was die Zukunft, die ungewisse, betrifft.

Aber, welch Wechselbad, nun kommt wieder eine konkretere Vorhersage: «Der zuverlässigste Verbündete der Vernunft – ein kruder Treppen­witz der Welt­geschichte – dürfte die Kopf- und Konzept­losigkeit des neuen Trump-Hofstaates sein.»

Na, wenn sich Binswanger da mal nur nicht täuscht. Aber auch da gibt es ja zwei Ansichten. Diese und die andere, dass da ein ganz fieses «Projekt 2025» mit Drehbuch bis ins letzte Detail ausgearbeitet vorliege. Dann spricht sich die schreibende Schmachtlocke eindeutig selber Mut zu:

«Der Präsident handelt gemäss dem Imperativ des Tages, orientiert sich ausschliesslich an seinem persönlichen Vorteil, ignoriert Fakten und längerfristige, strategische Interessen. Sein Team wird sich zu guten Teilen aus Karrieristinnen und ideologischen Irrläufern zusammen­setzen, wobei Erstere, also durchaus strategisch handelnde Akteure mit eigener Agenda wie zum Beispiel Elon Musk, die viel grössere Gefahr darstellen dürften. Als die beste Chance für die amerikanische Demokratie erscheint schon beinahe die Unzurechnungs­fähigkeit ihres potenziellen Zerstörers in chief

Das ist mal angewandte Dialektik. Allerdings würde das ja auch bedeuten, dass gar nicht so viel Schlimmes passieren wird. Oder eben doch; nun nimmt sich Binsweanger den Verteidigungsminister in spe zur Brust, «der perfekte Alptraum». Oder doch nicht: «Es könnte sich jedoch auch als Chance erweisen: Eine so radikal unqualifizierte Person wie Pete Hegseth dürfte die gigantische Maschinerie der US-Streitkräfte wohl kaum tatsächlich in den Griff bekommen.»

Nun wäre Binswanger eigentlich soweit durch, aber es hat noch Platz in der Kolumne. Also noch schnell einen Überflieger der Gäste der Inauguration. Da verrutscht ihm mal wieder das Vokabular: «Aus Südamerika darf natürlich der grosse Musk-Komplize Javier Milei nicht fehlen». Komplize? Von Musk? Das wüssten die beiden aber. Dass Milei in Argentinien einen wirtschaftlichen Erfolg nach dem anderen feiert – blöd auch, dass er kein Linker ist, dann könnte man das ja loben.

So, nun ist dann aber Ende Gelände, da muss noch etwas staatstragender Ton her, damit das Gewäffel nicht in Gewinsel endet. Bitte sehr: «Wir wissen nicht, wie stark die US-Demokratie beschädigt werden wird, aber eines scheint gesichert: Die fundamentalen politischen Verschiebungen, die nun drohen, werden sich nicht auf die USA beschränken.»

Diese Erkenntnis ist so fundamental wie: morgen wird die Sonne aufgehen. Das wird sich nicht nur auf ein Land beschränken.

Himmels willen, und mit solchem Gesabber sollen ansonsten zurechnungsfähige Menschen dazu motiviert werden, die «Republik» zu abonnieren?

Faktenfreie Faktenchecker

Wie ein Berufszweig sich selbst demontiert hat.

Hört sich gut an: als Gegenpol zu all dem Müll, den Fake News und den Lügen, die im Internet veröffentlicht werden, arbeiten Faktenchecker rastlos daran, zu überprüfen, zu verifizieren und vor allem zu falsifizieren.

Wenn man sie lässt. Schrecklich daher, dass sowohl Elon Musk auf X wie auch Mark Zuckerberg auf Facebook und Instagram die Zusammenarbeit mit Fakencheckern beendet haben. Das öffnet Tür und Tor für noch mehr Lügen, Propaganda, für Hass, Hetze und Desinformation.

Wirklich?

Wie die NZZ in einem verdienstvollen Artikel nachweist, ist das eigentlich – faktengecheckt – das Gegenteil der Wahrheit. Das ist zunächst mal wieder bitter für all die Journi-Lemminge, die einer ungeprüften, aber in  ihr Gesinnungsraster passenden Meldung mit Gebrüll nachgehechelt sind.

Autor Morton Freidel weist anhand von Beispielen nach, dass beispielsweise in Deutschland Faktenchecker oft überhaupt keine Fakten überprüfen, sondern Meinungen bewerten. So sorgte das auch wegen seiner fehlerhaften Berichterstattung über ein angebliches «Geheimtreffen» ins Feuer der Kritik geratene Medienunternehmen «correctiv» dafür, dass auf Facebook ein Artikel von achgut.com mit einem Warnhinweis versehen wurde. Bis das Oberlandesgericht Karlsruhe diesen Unsinn untersagte.

Das Gericht schrieb den angeblichen Faktencheckern ins Stammbuch, dass sie gar keinen Faktencheck unternommen hätten, also Tatsachenbehauptungen überprüft, sondern sich mit Werturteilen befasst hätten. Schlussfolgerung der NZZ:

«Der Vorwurf von correctiv, der Beitrag sei «irreführend», traf vor allem auf seinen eigenen Faktencheck zu.»

Ein Beispiel unter mehreren. Allerdings haben diese selbsternannten Faktenprüfer mit ihrem Handeln gravierenden Einfluss auf die öffentliche Debatte. Was sie als falsch denunzieren, beschränkt die Reichweite entsprechender Meldungen, der Warnhinweis, dass Faktenchecker hier Fehler gefunden hätten, untergräbt die Glaubwürdigkeit fatal.

Erschwerend kommt hinzu, dass Faktenprüfer aufgrund von empirischen Untersuchungen in ihrer politischen Haltung noch linker sind als Journalisten allgemein.

«Der Medienanwalt Joachim Steinhöfel hat zahlreiche erfolgreiche Klagen gegen Faktenchecks auf Facebook geführt, unter anderem auch in den hier zitierten Fällen. Er geht mit Faktenprüfern hart ins Gericht. Schon die immer wieder behauptete Unabhängigkeit stellt er infrage. Schliesslich werden sowohl Correctiv als auch DPA von der Bundesregierung unterstützt», schreibt die NZZ.

Natürlich ist es richtig und wichtig, Tatsachenbehauptungen oder die Darstellung von Fakten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Und sicherlich decken Faktenchecks nicht allzu selten Falschbehauptungen auf. Aber sobald sich Fälle häufen, wo das Wort vom Faktencheck dafür missbraucht wird, unbeliebte politische Meinungen zu denunzieren, desavouiert sich diese Gilde selbst.

Bei der ersten und bei der Wiederwahl von Donald Trump überschlugen sich nicht nur Faktenchecker dabei, ihm und seinem Gefolge eine unendliche Menge von Lügen nachweisen zu wollen. Die «Washington Post» führte ein eigentliches Register von Zehntausenden von angeblichen Falschbehauptungen. Genauere Untersuchungen erwiesen dann, dass ungefähr 90 Prozent der angeprangerten Lügen gar keine waren.

Also ist es nicht das Ende der Wahrheit im Internet, wenn grosse Plattformen darauf reagieren, indem sie die Faktenchecker arbeitslos machen. Wogegen die natürlich schon aus Eigeninteresse lauthals protestieren.

Aber mindestens so fragwürdig wie deren Tun ist die unreflektierte Übernahme von Hiobsbotschaften aus nicht weiter überprüften Quellen durch Journalisten, nicht zuletzt in der Schweiz wurden diese Behauptungen vom Ende des gesitteten Umgangs auf den Sozialen Plattformen ungeprüft kolportiert.

Der Journalismus ist am Ende, oder sagten wir das schon.

NZZaS traut sich endlich was

Margrit Sprecher porträtiert Alice Weidel. Ein Gipfeltreffen.

27’000 A, die zeigen, dass der Leser eine solche Strecke verträgt. Wenn der Autor Margrit Sprecher heisst und die Porträtierte Alice Weidel.

Normalerweise wird bei Darstellungen der Kanzlerkandidatin der AfD lediglich die Nähe zum braunen Sumpf ausgemessen, sie wird als Scharfmacherin, Demagogin, natürlich als Rechtspopulistin und mit den üblichen Schlagworten aus dem journalistischen Versandhauskatalog niedergemacht.

Das ist von Sprecher nicht zu erwarten. «Unterwegs mit einer Grenzgängerin», beschreibt die Altmeisterin die Herstellung ihres Porträts. Einleitend macht sie sich über diese versammelten Klischees lustig, die anlässlich des Geplauders mit Elon Musk über Weidel neuerlich hereinbrachen:

«Einmischung eines Wirtschaftsbosses in den deutschen Wahlkampf! Werbung für die Rattenfängerpartei AfD! Untergang der Demokratie! «Ist das Tor zur Hölle nun geöffnet?», fragte die «FAZ».»

Dann zeigt Sprecher, was der Unterschied zwischen einem Porträt und Gewäffel ist, indem sie die beiden Ausnahmefrauen der deutschen Politik, Weidel und Sahra Wagenknecht, miteinander vergleicht: «Beide Frauen sind den meisten männlichen Politikern in Sachen IQ, Ausbildung und Rhetorik überlegen. Beide machten ohne das politische Establishment Karriere. Beide krempelten Deutschland aus dem Stand heraus um. Beide stehen so ungeniert zu ihrer Ich-AG, wie sich das schon lange kein Mann mehr getraut.»

Sprecher verschweigt natürlich nicht, dass Weidel bewusst und immer wieder zuspitzt und verbal so draufhaut, dass kein Gras mehr wächst: «Heute hat Alice Weidel ihr Repertoire mit neuen Aufreger-Themen bestückt. … «Mutter aller Sünden» freilich bleibt für sie Angela Merkels Migrationspolitik. Denn importiert worden sei «ein marodierender, grapschender und Messer stechender Mob, an den wir uns gewöhnen sollten»

Dann kommt der obligate Ausflug in die Biografie, elegant dargeboten. Dann ein Ausflug in Weidels Auftritte im Bundestag: «Am Ende ihres Referats schien der Saal von kollektivem Burnout befallen. Frenetischen Applaus bekam sie nur von ihren Parteigenossen.» Und dann das grösste Aufregerthema für Weidel: «Denn ist die Rede von Islamisten, rutscht ihr das Lächeln weg. «Unser Umgang mit islamischen Hasspredigern ist naiv.»» und ihre Wackelpolitik gegenüber einem angebräunten Brandstifter: «Noch 2017 hatte sie Björn Höckes Parteiausschluss unterstützt, seine Nähe zur Neonazi-Szene schade der Partei. Dann freilich musste sie zurückkrebsen

Und dann, immer der Höhepunkt bei Sprechers Porträts, ihre persönliche Annäherung, Umkreisung: «Alice Weidel, die die Absätze knallen lässt und weiss, wie man in die Kamera schaut, auf dem Land? Passt schon. «Hier kann ich Kraft tanken, in Berlin bekomme ich extrem viel ab.»»

Sprecher weiss auch, wie man auf dem schmalen Grat zwischen zu Intimem und zur Vervollständigung Nötigem tanzt: «In Einsiedeln steigt sie frühmorgens auf den Grossen Mythen, um den Sonnenaufgang zu erleben, im nahen Wald umarmt sie Bäume. Sie besitzt einen Apparat, der Wasser ionisiert, und duscht kalt, um die Endorphin-Ausschüttung anzukurbeln. «Die verhinderte Medizinerin», ­lächelt sie. Grösste Kraftquelle ist freilich Partnerin Sarah.»»

Und zum Schluss zurück zu den politischen Absichten von Weidel:

«Bei Kaffee und Mineralwasser, den Blick fest auf die hehren schneegleissenden Gipfel vor dem Panoramafenster gerichtet, erklärte sie ihr Ziel: die AfD zur stärksten Partei Deutschlands zu machen. «Mit neutralen Medien hätte ich die CDU schon längst überholt.» Zu mut- und zahnlos seien deren Konzepte, zu deutlich Friedrich Merz’ alleiniges Interesse am Machterhalt. «Das schaffe ich nicht bis zum 23. Februar», sagte sie. «Aber das schaffe ich bis zur nächsten Bundestagswahl.» So, wie sie dasitzt, gespannt wie ein Bogen, ist ihr alles zuzutrauen.»

Einer dermassen stigmatisierten und vorverurteilten Person wie Weidel, die auch selbst ihren Beitrag zur Polarisierung leistet, freundlich-distanziert und aufmerksam näherzukommen, davon könnte sich die versammelte Journaille in der Schweiz mehrere Scheiben abschneiden. Aber eben, wenn man’s nicht kann …

Röhrenförmiges Blickfeld

Japsen und abschreiben. Das Elend des Journalismus.

Ist Mark Zuckerberg dem designierten US-Präsidenten Donald Trump hinten reingekrochen? Herrschen jetzt im Meta-Universum (Facebook, Instagram & Co.) auch anarchische Zustände wie auf X? Elon Musk plaudert mit der deutschen Kanzlerkandidatin der AfD Alice Weidel. Trump schliesst den Einsatz von Gewalt bei der Aneignung Grönlands und des Panama-Kanals nicht aus.

So nebenbei: tobt in der Ukraine nicht weiter ein Krieg? Legen die Israelis nicht weiter den Gazastreifen in Schutt und Asche, wenn das überhaupt noch möglich ist? Operieren israelische Truppen nicht völkerrechtswidrig im Libanon und in Syrien? Werden im Nahen Osten nicht weiterhin von allen Kriegsparteien Kriegsverbrechen begangen?

Aber es ist ein bekanntes Phänomen, dass sich die Journaille nur schwer auf mehr als ein Überthema konzentrieren kann. Das gilt nicht nur für Kriege, sondern auch für ganze Themengebiete.

Und das Themengebiet Social Media und Plattformen ist mit Mark Zuckerberg und Elon Musk abgedeckt.

Wer hat da noch den Schnauf, über Ma Huateng, Jack Ma, Zhang Yiming oder Jensen Huang zu berichten? Who? Huang ist CEO von Nvidia: der Halbleiterhersteller, der die nötige Technologie für KI-Anwendungen liefert, war letztes Jahr mal der wertvollste Konzern der Welt, mit einer Markkapitalisierung von 3,35 Billionen Dollar. Inzwischen ist er «nur» noch der zweitwertvollste.

Jack Ma und Zhang Yiming, obwohl inzwischen in den Hintergrund getreten (worden), haben Alibaba und Bytedance aufgebaut. Und Ma Huateng schliesslich ist der Chef von Tencent, der wohl umfangreichsten Plattform im ganzen Internet.

Alleine WeChat hat täglich 1,1 Milliarden Nutzer, doppelt so viele wie X. Allerdings haben die Platzhirsche Facebook (3 Milliarden) und YouTube (2,5 Milliarden) noch ein paar mehr, und auch WhatsApp und Instragram (je 2 Milliarden) haben die Nase vorn.

Aber bei den chinesischen Plattformen (inklusive TikTok mit 1,5 Milliarden Nutzern pro Tag) herrscht ein ganz anderes Verständnis von Datenschutz einerseits und Meinungsfreiheit andererseits. Datenschutz ist eigentlich hinexistent, Meinungsfreiheit ebenfalls. Das Sozialkredit-System soll offiziell zu mehr Aufrichtigkeit im Verhalten führen. Allerdings dient es zusammen mit einer ungeheuerlich effizient arbeitenden Gesichtserkenntungssoftware dazu, einen Überwachungsstaat in China zu installieren, gegen den Orwells «1984» Kinderkram ist.

Und schliesslich herrscht in China viel mehr als im kapitalistischen Westen das Primat der herrschenden Partei über die Wirtschaft. Selbst so mächtige Männer wie Jack Ma bekamen das zu spüren, wenn sie sich zu aufmüpfig gebärden. Und schliesslich verfolgen Chinas Machthaber keine Politik von den letzten Wahlen zu den nächsten. Sondern es gibt schlichtweg keine, und die Politik folgt Strategemen, die Zeiträume von 25 Jahren umfassen.

Das sind eigentlich mindestens so interessante Themen wie die Beschäftigung mit Zuckerberg, Musk oder Trump. Aber dafür bräuchte es ja Fachkenntnis und Überblick. Woher soll der auch kommen, wenn in der Hölle des Newsrooms Kindersoldaten und frustrierte Überlebende der letzten Kündigungswelle News am Laufmeter raushauen müssen, weil ihre Leistung an nichts anderem als an der Verweildauer der Leser auf ihren Werken gemessen wird.

Und da die Einschaltquote bei aktuellen Überthemen (Los Angeles, Waldbrand!) riesig, bei anderen wichtigen Themen eher gering ist, ist es klar, welche Themen bevorzugt behandelt werden.

Wumms: Wolfgang Koydl

Schreibt er über Weidel/Musk oder sich selbst?

Zeichen und Wunder: Wolfgang Koydl lässt von seinen Lobeshymnen über ein stabiles Genie ab und kritisiert in der «Weltwoche» den Auftritt von Alice Weidel im trauten Zwiegespräch mit Elon Musk. «Grosse Bühne, wenig Substanz», ist sein vernichtendes Fazit. Er analysiert treffend: «Da redeten zwei Leute, von denen der eine sich lieber selber reden hörte und die andere zuweilen Probleme hatte, klar auszudrücken, was sie sagen wollte

Das ist alles gut und schön und trägt unserem Prügelknaben zur Abwechslung ein dickes Lob ein. Wenn er es nur dabei belassen hätte, seufz. Aber nein, er muss noch «ein Beispiel» hinterherschicken – und landet schon wieder im Sumpf.

«Mit ein bisschen Vorbereitung wären Weidels Hitler-Bemerkungen nicht so katastrophal daneben gegangen. «Hitler was a Communist guy»? Echt jetzt? Erstens war er kein Kommunist sondern ein Sozialist, was durchaus ein Unterschied ist, und zweitens nun wirklich kein «Kerl» oder «Kumpel», was guy auf Deutsch bedeutet.»

«guy» bedeutet auf Deutsch ebenso Typ oder Bursche, nebenbei.

Es gibt zwei revisionistische, geschichtsfälschende Standards in der Beurteilung des Hitler-Faschismus. Der eine ist, dass der grösste Verbrecher des 20. Jahrhunderts nicht die Sowjetunion überfallen habe, sondern nur einen Präventivschlag führte. Kommt immer wieder auf, muss immer wieder als Nonsens widerlegt werden.

Hitler oder seine Partei seien eigentlich Sozialisten gewesen, ist der zweite, Stalin sei auch Nationalsozialist gewesen; der schlagende Beweis: «Allein der Name seiner Partei hätte als stichhaltiges Argument ausgereicht: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.»

What a bullshit, würde selbst Trump sagen. Das letzte Argument ist  so bescheuert wie wenn man sagen würde, alleine der Name grüne Partei ist Beleg genug, dass ihre Exponenten grüne Politik betreiben – und nicht umweltzerstörende Kriegshetzer sein könnten, die alle Prinzipen der Gründer der Partei verraten haben.

Hitler hatte mit ein paar Getreuen die Deutsche Arbeiterpartei (DAP) 1920 in NSDAP umbenannt. Ihr Parteiprogramm hatte nicht das Geringste mit Sozialismus oder gar Kommunismus zu tun, sondern wollte die Aufhebung des Versailler Vertrags, den «Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft von Juden» und die «Stärkung der Volksgemeinschaft». Also klare faschistische Forderungen. Kann jeder, der lesen kann, sogar in der Wikipedia nachschlagen, Stichwort «25-Punkte-Programm». Hitler als geschickter Demagoge hatte einfach alle Schlagwörter im Namen zusammengepappt, von denen er sich Wirkung beim Wähler versprach.

Klarer noch, Georg Strasser, der ansatzweise sozialistisches oder linkes Gedankengut in der NSDAP vertrat, wurde 1934 ermordet, weil das weder Hitler noch Goebbels in den Kram passte. Aber was soll man Banausen die Geschichte erklären.

Genauso wenig war Stalin «Nationalsozialist», sondern proklamierte nach dem offensichtlichen Scheitern der Weltrevolution den Aufbau des Sozialismus in einem Land.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass sich Koydl einerseits darüber mokiert, dass Weidel sich nicht klar ausdrücken könne. Andererseits hat er selbst dieses Problem nicht, sondern drückt sich klar falsch und verquer aus.

Ist Musk auf sich selbst reingefallen?

Viele Medien beschäftigen sich mit Musks Attacken auf England. Kaum einer fragt, wieso er das macht.

Elon Musk hat nicht nur den deutschen Bundeskanzler ScholzNarr») beschimpft, sondern noch viel massiver Kritik an der britischen Regierung geübt, die seiner Meinung nach einen Vergewaltigungsskandal, der bereits einige Jahre zurückliegt, nicht richtig aufgearbeitet und unter den Teppich gekehrt habe. Wobei der jetzige Ministerpräsident und damalige Staatsanwalt Keir Starmer eine besonders üble Rolle gespielt habe.

Musk fordert nichts weniger als die Auflösung des Parlaments und den Rücktritt der Regierung und fragt sich öffentlich, ob man Grossbritannien nicht von ihr «befreien» solle.

Das wird natürlich lauthals kritisiert, was für eine unziemliche, unanständige Einmischung in innere Angelegenheiten, noch schlimmer als das Plauderstündchen mit der deutschen Kanzlerkandidatin Alice Weidel von der AfD.

Aber keiner fragt nach, wieso eigentlich Musk sich dermassen in dieses Thema in Grossbritannien verbissen hat. Keiner? Doch, die «Financial Times» hat nachrecherchiert.

«Wie eine Handvoll X-Accounts Elon Musk in die britische Politik hineingezogen haben», titelt die FT. Der Begriff «rabbit hole» stammt aus «Alice im Wunderland» und steht für ein Thema, von dem man sich gedanklich auf Abwege führen lässt.

Die FT hat zunächst quantitativ untersucht, wie häufig sich Musk auf seiner Plattform zu diesem Thema geäussert hat:

Daraus geht hervor, dass Musk manisch postet oder repostet. Fast 1200 Mal in lediglich sieben Tagen. Dabei stellt Musk die kühne Behauptung auf, «dass Starmer, ein ehemaliger Leiter der Staatsanwaltschaft in England und Wales, „zutiefst mitschuldig an den Massenvergewaltigungen im Austausch für Stimmen“ war», schreibt die FT. Aber woher hat Musk diese grenzwertige These?

Offensichtlich bezieht sich Musk dabei auf Accounts von bekannten rechten Verschwörungstheoretikern in England. Dazu zitiert die FT: «„Musk ist anscheinend der erste Technologieführer, der durch sein eigenes Produkt in den Kaninchenbau der Radikalisierung fällt“, sagte Bruce Daisley, ehemaliger Leiter der Twitter-Aktivitäten in Europa, dem Nahen Osten und Afrika.»

Und wie passiert ihm das? Durch Mechanismen seiner eigenen Plattform:

«X ermöglicht es Benutzern, zwischen einem Feed nur der Konten zu wechseln, denen sie folgen, und einem algorithmischen Feed namens „Für Sie“, der Inhalte anzeigt, die ihren Interessen und früheren Aktivitäten entsprechen könnten. Je mehr Musk sich mit Inhalten über Großbritannien von rechtsextremen oder Nischenquellen beschäftigt, desto mehr ähnliche Inhalte werden ihm laut Experten auf seiner „Für Sie“-Seite präsentiert.»

Wenn die FT mit ihrer These recht hat, die sie ziemlich überzeugend vorträgt, dann ist auch Musk auf ein Phänomen hereingefallen, das sich immer mehr zum Problem in sozialen Plattformen entwickelt. Sie dienen immer weniger zur Informationsgewinnung oder -vermittlung, sondern bieten ihren Nutzern einen Resonanzverstärker der eigenen Ansichten an.

Denn es ist klar: jeder liest lieber Posts, die ihn in seiner Meinung bestätigen als solche, die ihr widersprechen. Daraus ergibt sich eine Selbstverstärkung, eine Rückkoppelung. War der Nutzer am Anfang vielleicht noch leicht schwankend oder skeptisch, so bestätigt ihn jeder neue Feed darin, dass er eben völlig richtig mit seiner Ansicht liegt.

Ob und wie weit die mit der Realität zu tun hat, das ist dann ein weites Feld. Aber im Fall Musk gegen GB scheint es klar zu sein, dass der erratische Multimilliardär auf die Algorithmen seiner eigenen Plattform reingefallen ist.

Das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Dass es allerdings nicht nur Musk so geht, sondern vielen Millionen seiner Nutzer, das ist entschieden weniger komisch.

Musk meets Weidel

Da hyperventilierten die Medien von links bis rechts.

Mehr Gratiswerbung hätte sich die AfD und ihre Kanzlerkandidatin Alice Weidel nicht wünschen können. Da plaudern die Politikerin und der Multimilliardär und Trump-Flüsterer Elon Musk miteinander – und alle hören zu und weg. Was haben sie eigentlich geredet? Interessiert kaum jemanden so wirklich, wer wollte es sich denn anhören?

Denn es geht doch nichts über die Bestätigung von Vorurteilen in den sogenannten Qualitätsmedien. So ist sich «watson» sicher: «Elon Musk ist ausser Rand und Band: Wie ein Berserker arbeitet sich der reichste Mann der Welt momentan am politischen Establishment in Europa ab.»

Okay, «watson» und Qualitätsmedium, das passt zusammen wie ein Palmenstrand mit Grönland. «Zwei hochumstrittene Köpfe, aber ein Herz und eine Seele», weiss der «Blick». Okay, «Blick» und Qualitätsmedium, das passt zusammen wie Schnee an der Copacabana.

«Elon Musks Anarcho-Diplomatie ist ein Problem für Europa – aber wer sich provozieren lässt, hat schon verloren», trompetet die NZZ. NZZ und Qualitätsmedium, aber wieso weitere Vergleiche machen.

CH Media weiss: «Musk hat X zur Macht-Maschine gemacht – jetzt gibt er Alice Weidel den Schlüssel». Hübsches Bild dieses Qualitätsmedienhauses, nur: triumphierte man nicht unlängst, dass sich Musk mit dem Kauf von Twitter halb ruiniert habe und die Plattform in Grund und Boden wirtschafte?

«Blind-Date auf X: Musk trifft AfD-Chefin Weidel», flötet die SDA, erstaunlich lyrisch für die sonst so trockene Nachrichtenagentur. Und was weiss sie von dem Gespräch zu berichten? ««Hitler war ein Kommunist», sagte Weidel». Das ist natürlich Schwachsinn, aber sowohl sie wie Musk haben durchaus auch bedenkenswerte Dinge gesagt. Nur sind die nicht berichtenswert.

Überhaupt nicht komisch finden das die anderen deutschen Parteien und natürlich die SZ: «Milliardär Elon Musk schaltet sich von den USA aus in den deutschen Wahlkampf ein und macht umstrittene Werbung für die AfD.» Und fügt triumphierend hinzu: «Gewerkschaften und Bundesgerichtshof verlassen Musks Plattform X. Konkreter Anlass ihres Abschieds von X ist Musks Wahlkampfgespräch mit AfD-Chefin Weidel.» Daran wird der grüne Kanzlerkandidat und Wendehals (bitte nicht klagen) Habeck zu knabbern haben; er ist gerade zu X zurückgekehrt.

Und die «Weltwoche» vermeldet die Schmonzette: «Bundestagsverwaltung prüft, ob Musks Gespräch mit AfD-Chefin Weidel eine «illegale Parteispende» darstellt».

Es ist mal wieder wie im Irrenhaus. Alle deutschsprachigen Politiker (und Journalisten) mischen sich unablässig in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein und überborden vor Ratschlägen, Anweisungen und Rechthabereien, wie andernorts die dummen Fehler der Regierenden korrigiert werden sollten.

Aber wenn ein irrer Milliardär Sympathien für die deutsche AfD hat und sich mal öffentlich mit der Parteichefin unterhält, dann erhebt sich grosses Geschrei. Dabei haben weder Musk noch Trump bislang die Einverleibung Deutschlands in die USA gefordert. Das müssen sie ja auch nicht, weil sich Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg als übereifriger und immer hilfsbereiter Adlatus der Amis gebärdet.

Und was sagt das Qualitätsmedienhaus Tamedia zum Gespräch? Ihm hat’s, fast bis Redaktionsschluss von ZACKBUM am späten Donnerstagabend, schlichtweg die Sprache verschlagen. Dann erst fand Dominique Eigenmann wieder eigene Worte. Erstes Drittel: Wiederholung von altbekannten Beschimpfungen Musks. Zweites Drittel: launiges Niedermachen des Gesprächs («Duett und Plauderei … sprangen wild von Thema zu Thema … lachten über die angebliche Dummheit aller anderen Parteien … Hitler, wärmte Weidel eine beliebte rechte Verkehrung auf, sei im Grunde nie ein Rechter, sondern immer ein nationaler Sozialist gewesen, ein Kommunist gar», etc.) Letztes Drittel: Beckmesserei und Niedermache: «Interessanter als das, was besprochen wurde, war vielleicht das, was nicht zur Sprache kam.» Interessanter als diese Gesinnungsschmiere wäre vielleicht der Versuch gewesen, den Inhalt der 75 Minuten einigermassen korrekt wiederzugeben.

Dafür gibt’s eine neue Gaga-Rubrik beim Tagi, obwohl Kerstin Hasse doch das Haus verlassen hat: «Dry January und Veganuary». Das wird der Einschaltquotenknüller, schon alleine mit diesem leichtverständlichen Titel  …

Allerdings, so viel Objektivität muss sein, gibt der «Blick» dem Bestsellerautor Claude Cueni eine Plattform, um einen ganz anderen Ton in die Debatte zu bringen. Der fragt besonnen, ob es denn ein Skandal sei, wenn Musk Alice Weidel interviewt: «Für Elmar Thevessen (57), Leiter des ZDF-Studios in Washington, sogar ein ganz grosser. Er sagt im ZDF, dass nur Journalisten und Journalistinnen Interviews führen dürfen.»

Dagegen hält Cueni:

«Slow down. Jeder darf jeden interviewen. Ausser in totalitären Staaten. Die Leute haben die einseitige Berichterstattung satt, sie haben die pürierten Fakten satt, sie haben die Bestrafung von harmlosen Rentnern, die lediglich etwas gelikt haben, satt. Sie wollen informiert und nicht belehrt und umerzogen werden. Sie brauchen keine «Experten», die für sie «einordnen», weil man sie für Deppen hält.»

Das haben allerdings die meisten Medien und auch die meisten Politiker noch nicht geschnallt. Deshalb werden sie mit Leser- und Wählerschwund bestraft. Was ihnen allerdings nicht zu denken gibt, sondern in der Überzeugung bestärkt, dass es eben zu viele Deppen gibt, die streng belehrt werden müssen.