Wumms: Stefan Schmid
Der Reserve-Chefredaktor des St. Galler «Tagblatt» kümmert sich um Kleines und Grosses.
Als Chef eines Blatts, das früher einmal zum Reich der NZZ gehörte und heute im Wesentlichen die Einheitssauce von CH Media aus Aarau in der Ostschweiz verteilen darf, ist man nicht ganz ausgelastet.
Also kann sich Schmid um das Kleine kümmern:
Da muss Schmid ganz streng werden: «Littering ist eine Form von Rücksichtslosigkeit gegenüber der Gesellschaft, die unter dem Schutz der Anonymität meist folgenlos bleibt.» Nun ist es Schmids Adlerauge nicht entgangen, dass der Kanton Thurgau die Busse für das Wegschmeissen eines Zigarettenstummels auf 300 Franken angehoben hat. Daran stört Schmid: «eine SVP-Mitte-Grüne-EDU-Mehrheit» habe das beschlossen, und da SVP an Bord ist, kann das ja nicht gut sein.
Zudem, schliesst Schmid messerscharf, Bussen gibt es nur, wenn der Übeltäter in flagranti ertappt wird. Und das sei sowieso fast nie der Fall. Schliesslich solle man sich mal in Frankreich oder Italien umschauen, dann merke man: «Wir jammern auf hohem Niveau». Weiser Ratschlag: «Das Littering-Problem sollte nicht grösser gemacht werden, als es tatsächlich ist.»
Schon am Samstag widmete sich Schmid aber den grossen Fragen:
Allerdings bräuchte es für grosse Fragen auch einen grossen Rucksack an Kenntnissen, sonst entsteht so etwas wie Buchstaben-Littering. Und da reist Schmid mit leichtem Gepäck:
«Die USA verstanden sich als Schutzmacht der freien Welt und waren bereit, diese Ordnung wenn nötig auch mit Gewalt zu verteidigen.»
Das kann man so sagen. Ob dem Vietnam, Afghanistan, Chile, Panama, der Irak, Syrien, Libyen und andere Staaten zustimmen würden, überhaupt alle Opfer von über 400 illegalen US-Einmischungen in fremde Angelegenheiten seit dem Zweiten Weltkrieg?
Das fällt nun auch Schmid auf: «Die westliche Ordnung hat sich angesichts zahlreicher, tatsächlich sehr fragwürdiger militärischer Abenteuer der USA – etwa gegen Saddam Hussein im Irak – schon zuvor bei Teilen der Weltbevölkerung diskreditiert.»
Aber was interessieren uns Teile der Weltbevölkerung, also zum Beispiel die über 170 Staaten, die keinerlei Sanktionen gegen Russland unterstützen. Hier geht es um das europäische Haus: «Antiamerikanische Gefühle sind freilich auch im westlichen, der Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verpflichteten Lager, verbreitet.»
Gefühle? Ach was: In Ungarn und der Slowakei seien «Regierungen am Ruder, die als Putins fünfte Kolonne agieren, um weiterhin von russischem Gas zu profitieren». Gut, das ist Ausland. Aber wehe, wehe, auch in der Schweiz sollte man wieder den Ruf «Moskau einfach» erschallen lassen.
Denn Schmid sieht Schlimmeres als weggeworfene Zigarettenstummel: «Links- und rechtsaussen werden unter dem Deckmantel einer rigid ausgelegten Neutralität pazifistische Lieder angestimmt, deren Ziel darin besteht, die Schweiz auf Äquidistanz zu den Machtblöcken zu halten. Das ist eine gefährliche, den Interessen eines kleinen, auf die Respektierung des Völkerrechts angewiesenen Landes kaum dienende Grundhaltung.»
Deckmantel, pazifistische Lieder, gefährliche Haltung, der Mann kann Demagogie. Ist aber gerade so schön in Fahrt, dass ein Aspekt nicht fehlen darf. Der intelligente ZACKBUM-Leser ahnt es schon: «Neu ist hingegen die schwammige Haltung der SVP. An deren rechtem Rand kommen im Umfeld von alt Nationalrat Roger Köppel offen prorussische und reaktionäre Anwandlungen an die Oberfläche, die mitunter an der demokratischen Gesinnung zweifeln lassen.»
Schmid zweifelt an der demokratischen Gesinnung des Umfelds von Köppel, oder gar an dessen eigener? Ziemlich unverschämt von diesem Kläffer aus der geistigen Provinz, aber er steigert sich am Schluss noch zum Diskant:
«Im Nationalrat sind die als Pazifisten und Neutralisten verkleideten Anti-Amerikaner in der Mehrheit. Sie torpedieren die Solidarität mit der Ukraine und verhindern eine längst angezeigte Zusammenarbeit der Schweiz mit der Nato. Beides kann nicht im Interesse eines Kleinstaates sein …»
Aha. Unter dem Deckmäntelchen kommt der Gottseibeiuns, Pardon, der «Anti-Amerikaner» zum Vorschein. Wer nicht mit der Unterstützung des Stellvertreterkriegs auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung einverstanden ist, wer geltende Rüstungsexportgesetze einhalten will, wer als Nicht-NATO-Mitglied nicht mit der NATO militärische Übungen abhalten will, wer gar gegen die rechtsstaatswidrige Enteignung von reichen Russen ist, der ist ein «Anti-Amerikaner»? Der vertritt nicht die Interessen des Kleinstaats Schweiz?
Wie man das richtig macht, weiss nur Kleingeist Schmid? Der vertritt nicht einmal die Interessen des Rechtsstaats Schweiz. Man muss diesem Schreiberling empfehlen, statt Buchstabenlittering zu betreiben, sich um Probleme in der Grösse von weggeworfenen Kippen zu kümmern. Denn im Kleinen liegen vielleicht seine grossen Stärken.