Schlagwortarchiv für: Christoph Zürcher

Liebelei mit der NZZ

Gleich drei Vorurteile sind zerbrochen.

ZACKBUM hat die «Interviewreihe Radikale Liebe» bislang für grenzdebilen Unsinn gehalten. Das können wir auch begründen. ZACKBUM hat Rafaela Roth bislang für eine selten unfähige Interviewerin und Porträtschreiberin gehalten und kann das auch begründen. ZACKBUM hat Anna Rosenwasser bislang für eine eher peinliche Influencerin gehalten, die zum Beispiel über die Grösse ihrer Brüste schreibt.

Ach, und was wir vom «NZZamSonntag Magazin» halten, haben wir schon mehrfach und ausführlich zum Ausdruck gebracht. Nun sind gleich drei dieser Vorurteile zerbrochen; das vierte über das Magazin wäre es auch, wenn der restliche Inhalt nicht wieder grenzdebiler Unsinn wäre.

Aber der Reihe nach. In der Interviewreihe «Radikale Liebe» ist diesmal die Nationalrätin Rosenwasser zu Gast. Erstaunlicherweise gibt sie, soweit das die Fragen zulassen, intelligente und reflektierte Antworten. Gleich am Anfang wird sie leicht staubig, was aber dem Interview guttut. Denn als Einstiegsfrage ist dem Duo Sacha Batthyany und Rafaela Roth nichts Besseres als die Frage eingefallen: «Sind Sie die erste Liebesministerin der Schweiz?» Antwort: «Eine phantastische Frage und ein phantastischer Weg, dafür zu sorgen, dass man mich noch weniger ernst nimmt in Bern

Das sollte man aber, wenn jemand zu solchen Überlegungen fähig ist: «Ich bin die Allgegenwärtigkeit von Strategie und Taktik noch nicht gewohnt. Das ist jetzt noch nicht das, was gemeinhin als schmutzige Politik gilt, aber es fühlt sich weniger sauber an als genuine Herzlichkeit. In aktivistischen Kreisen bist du auch mal an einer Demo mit deinem halben Freundeskreis. Das ist nicht konfliktfrei, aber es ist das, was ich gewohnt bin.»

Auch auf die eher dämliche Frage «Lieben Sie die Schweiz?», hat sie eine passende Antwort: «Sollte man ein Land lieben? Ich habe mir noch nie überlegt, ob ich ein Land lieben kann.» Das erinnert an den ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Heinemann, der auf die gleiche Frage antwortete: «Ich liebe meine Frau

Da noch weitere eher einfältige Fragen folgen, gibt Rosenwasser nochmals den Tarif durch: «Gott sei Dank gebe ich dieses Interview nicht in meiner PMS-Woche vor meiner Mens, ich hätte ja nur geheult bei diesen Fragen.» Aber immerhin, die Antworten sind wirklich gut:

«Ich könnte mich nicht den ganzen Tag mit Gewalt, Ungerechtigkeit und Bedrohungen beschäftigen, wenn ich Menschen nicht so stur gernhaben würde. Es ist die einzige Art, wie ich dem Negativen gerecht werde, indem ich das Positive auch empfinde – und diese Widersprüchlichkeit in der Gleichzeitigkeit zulasse. Ich bin nicht nur Feministin geworden, um ständig hässig zu sein.»

Es ist nun wirklich eine Kunst, selbst auf die bescheuertste Frage noch eine gute Antwort zu finden: «Das Beste an Microdosing LSD ist . . . Keine Ahnung. Ich microdose Koffein.»

Daraus lernen wir zwei Dinge. Wer so vif und reflektiert ist wie Rosenwasser, antwortet selbst auf flache Fragen mit Höhenflügen. Und es gibt doch den ersten Lichtblick in dieser Serie.

Das hätte dann ein sauberes Lob abgesetzt, wenn nicht der Rest des Magazins wäre. Christoph Zürcher muss mal wieder Schmonzetten aus seiner bewegten Vergangenheit als ganz scharfer Reporter zum Besten geben. Herbeigezerrter Anlass ist ein Remake über einen Flugzeugabsturz, bei dem die Überlebenden die Toten essen mussten. «Ich bin jedenfalls schon einmal in den tiefsten Dschungel Papua-Neuguineas getrekkt …» Dann räumt Zürcher ein, dass es «schon etwas komisch gewesen» sei, einen der Überlebenden «zu fragen, wie denn nun Menschenfleisch schmecke». Das ist noch gar nichts gegen die Komik, das dann auch noch zu beschreiben.

Acht Seiten über Amis, die als Cowboys verkleidet ihre sanfte Seite entdecken wollen. Interessiert uns das? Reicht es nicht, dass der Riemen im September im «GQ Magazine» erschienen ist? Ist wieder dermassen Leere im Hirn beim Magazin?

Auch unser Lieblingsgefäss «Bellevue» übertrifft sich mal wieder selbst: «In «Saltburn» trinkt der junge Oliver das Badewasser seines Freunds, in das der zuvor onanierte. Im Glas gibtʼs nun nicht den Rest davon, sondern gottlob nur eine Duftkerze.» Das ist nun fast noch unappetitlicher als Kannibalismus.

Schöntrinken kann man sich das auch nur sehr bedingt. Denn Peter Keller schwärmt in seinem «Weinkeller» diesmal von einem «Sensationellen Grand Cru aus dem komplizierten Burgund». Dabei handle es sich um den  ««Chapelle-Chambertin 2017» von Cécile Tremblay». «Finesse, Eleganz, Komplexität», etwas Stehsatz aus dem Weinkennerblabla. Dann aber: «rar und heute leider sehr teuer ist der Wein». Rar geht so, teuer stimmt: das Flascherl gibt’s im gehobenen Weinhandel so ab 630 Eier. Pro Stück versteht sich, wenn man wie Keller den 2017er nimmt. Es bitzeli mehr müsste man für den 2015er springen lassen: 2’100 Franken. Sollte aber doch für den gehobenen NZZ-Leser kein Problem sein.

Sonst noch was? «Forest Gump wird 30», das ist ja mindestens so bedeutend wie der 100. Todestag von Lenin. Aber zurück zu «man gönnt sich ja sonst nix». Kleiner Ausflug nach Mailand gefällig? Als Absteige empfiehlt das Magazin das Luxushotel «Porträt», das Zimmerchen von 1000 Franken aufwärts pro Nacht. Die angebotene Alternative ist allerdings auch nicht billiger, das «Armani Hotel» will für ein Superior-Zimmer auch gleich 2116 Euro. Immerhin Frühstück inklusive.

In beiden Hotels, das beruhigt, ist es eher unüblich, dass Gäste das Badewasser, aber lassen wir das.

 

 

Darf’s etwas weniger sein?

NZZamSonntag und ihr Magazin dümpeln unter neuer Leitung.

Vielleicht ist der Stossseufzer über dem Titel des «NZZ am Sonntag Magazin» ernst gemeint: «Bringt uns die Chefs zurück!».

Zwar hat die NZZaS inzwischen fast mehr Häuptlinge als Indianer. Das Resultat ist aber nicht wirklich eine Friedenspfeife wert; der Leser fühlt sich eher an den Marterpfahl gebunden.

Fangen wir mit der grossen Folter an, dem Magazin. Kann man so ein Cover wirklich ernst meinen?

ZACKBUM liest auch nicht zum Spass, muss sich das aber schöntrinken. Als überzeugte Kampffeministen fragen wir uns einleitend, ob so eine Werbung noch geht:

Aber gut, heutzutage muss jede Redaktion schauen, wo das Geld herkommt. Aber gleich mit Kleingeld klimpern und eine Idee der Konkurrenz rezyklieren, gehört sich das heutzutage auch, lieber Herr Christoph Zürcher?

Trump, Milet, Wilders, Johnson, wie oft werden deren Frisuren wohl noch durchgehechelt? Und braucht es wirklich zwei Nasen, um Weinnase Peter Keller zum x-ten Mal Antworten über alles, «was man über vergärten Traubensaft wissen muss», zu entlocken? Und gibt es denn keinen Redigator bei der NZZ, der diese Krampfumschreibung für Wein streicht?

Gut, wahrscheinlich traut sich Beat Balzli vor Weihnachten nicht, das Magazin zu spülen. Aber fürs nächste Jahr besteht doch wohl Hoffnung.

Immerhin, die Front kommt viel aufgeräumter daher als vorher, wo irgend ein bis auf die Unterhose schwarz gekleideter AD die hirnrissige Idee hatte, an bester Stelle einen Weissraum einzurichten:

Sechs Anrisse, darunter eine hübsche Illustration zur Bauernmacht, dazu vier Artikelstarts. Nicht schlecht. Bloss das Zitat könnte man sich entweder sparen oder halt etwas Kräftigeres als das Gedöns von Gordana Mijuk  («Dubai steht für …») finden.

Dass Balzli in seinem Editorial sein Lieblingssteckenpferd reitet, das Banking, nun ja, er fängt ja erst an, eine Sonntagszeitung zu machen. Wieso er eigentlich zu diesem Job kam (ursprünglich war er bei der NZZ für Deutschland vorgesehen), muss noch enträtselt werden. Genauer: wer im letzten Moment absagte.

Dass die Bauern in der politischen Schweiz über eine noch schlagkräftigere Lobby als Pharma und Finanzen verfügen, ist nun auch eine Erkenntnis, die dem Wetterbericht von gestern ähnelt.

Leider pflegt dann die NZZaS die Unsitte, jemanden, der ihr nicht passt, mit einem demagogischen Bild eins in die Fresse zu hauen. Erstaunlich, auf welch primitives Niveau die alte Tante immer wieder sinken kann:

Es mag viele Gründe geben, die AfD oder ihre Protagonisten nicht zu mögen. Aber deswegen jeglichen journalistischen Anstand zu verlieren, das geht dann auch nicht.

Ziemlich lustig hingegen ist der Versuch der NZZaS, die Aussage von Bundesrätin Baume-Schneider zu stützen, dass die Schweiz ohne weiteres 12 Millionen Einwohner haben könne. Wie das? Nun, von Japan lernen, empfiehlt Felix Lill aus Tokio. Schliesslich beherberge dieser «grösste Ballungsraum der Welt auf deutlich weniger Raum als die Schweiz gut viermal so viele Menschen», nämlich 37 Millionen.

Die Tipps gehören aber eher in die Sendung «Es darf gelacht werden». Waschsalons sparen den Platz für eine «sperrige Waschmaschine», als ob in der Schweiz viele Mieter darüber verfügen würden. Sauglatt ist auch der Hinweis, dass «billige Schnellrestaurants» die «eigene, enge Küche entlasten» können. Liebes-Hotels gäben «Raum für jeden Fetisch». Dazu Wohnungen ohne Bad, zu Fuss einkaufen, schliesslich die «letzte Ruhe im Urnenturm». Wieso die NZZaS – vorausgesetzt, sie will einen gewissen Qualitätsanspruch behalten – diesem «International Journalist» ihre Spalten öffnet, der aus «mehr als 40 Ländern» berichtet haben will, bleibt schleierhaft. Ausser als Sparmassnahme.

Unter diese Rubrik fällt wohl auch «Corona, willkommen zurück!» Pädagogisch wertvoll, sonst aber schnarchlangweilig ist die Reportage, wie denn Videos aus Nahost auf Jugendliche wirken. Aber, es gibt Lichtblicke. So die Reportage über einen zwielichtigen iranischen Vertrauensanwalt der dortigen Schweizer Botschaft.

Gleich um die Rettung der Demokratie («Republik», aufgepasst) kümmert sich Alain Zucker. Wie? Er interviewt den Politologen (who the fuck is) Daniel Ziblatt. Der sei «Politikprofessor an der Harvard University». Allerdings gehört er nicht zu den genau 25 University Professors, ein Ehrentitel dort. Sondern zu den über 2000 dort Lehrenden oder Forschenden. Auch dieses Interview, immerhin ein Service am Leser, hat einen Titel, der es einem leicht macht, auf die Lektüre zu verzichten: «Reiche Demokratien sterben nicht».

Sterbenslangweilig ist dann die Seite «Report und Debatte». Beides findet dort nicht statt. Sondern Schnarchkolumnen vom selbst bei Tamedia abgehalfterten Michael Hermann, der nichts Eigenes zustande bringenden Aline Wanner und vom sich selber rezyklierenden Rolf Dobelli. Einwandfrei der Tiefpunkt des Blatts.

Interessant wird es dann im Wirtschaftsteil. Dort bekommt Iqbal Khan von der UBS Gelegenheit, sich von allen Sünden reinzuwaschen, Lobeshymnen auf seinen Chef Ermotti zu singen und sich so in die Pole Position für dessen Nachfolge zu bringen. Das nennt man Beziehungspflege à la NZZ. Muss es aber sein, selbst solche Flachheiten ohne kritische Nachfrage hinzunehmen? «Die Grösse der UBS sorgt für mehr Stabilität». Wie schon der Kapitän der Titanic sagte.

In der Kultur setzt man auf sichere Werte. Ein Interview mit Christoph Waltz, dessen Schauspielkunst an diejenige von Arnold Schwarzenegger erinnert. Beide kommen mit zwei, maximal drei Gesichtsausdrücken durchs Leben. Und thanks God it’s Christmas. Zeit, «Unsere Besten 2023» auszupacken, das Recycling-Angebot für die Alzheimer-Kranken unter den Lesern.

Dann noch «Die Summe all …», irgendwie soll der Titel weitergehen, aber das hat ZACKBUM nicht ausgehalten.

 

 

Da waren es nur noch zwei

Bei der NZZaS spielen sie «Zehn kleine Negerlein».

Nein, das spielen sie natürlich nicht, denn das wäre ja politisch alles andere als korrekt. Also würden sie höchsten «10 kleine PoC» spielen. Oder «10 kleine pigmentös geforderte Menschen». Aber auch das hülfe eigentlich nicht viel, denn solche Texte gehen heute natürlich gar nicht:

«Zehn kleine Negerknaben schlachteten ein Schwein;
Einer stach sich selber tot, da blieben nur noch neun.

Neun kleine Negerknaben, die gingen auf die Jagd;
Einer schoss den andern tot, da waren’s nur noch acht.»

Wir sagen ganz laut «pfui, pfui, pfui» und kehren zum Ernst des Lebens, also zur NZZaS, zurück. Bei der brauchte es vier Nasen, um Chefredaktor Jonas Projer zu ersetzen. Das war zum einen ein klares Signal, dass keiner der Vier seine Nachfolge antreten wird. Zum anderen dümpelt die NZZaS in flachen Gewässern so vor sich hin, dass es selbst Aleksandra Hiltmann (siehe nächster Artikel) ganz anders werden würde.

Viererbande plus Sommerloch: schlechte Mischung. Aber nichts bleibt so, wie es ist. Das spendet auch im Journalismus Trost. Als Erste seilte sich Anja Burri aus der Chefetage ab und kehrt zum «Tages-Anzeiger» zurück. Allerdings: Ob sie es unter Raphaela Birrer und Mario Stäuble lange aushalten wird? Sie ist doch eine intelligente Frau und akzeptable Schreiberin …

Als nächster erklärt nun Thomas Stamm Forfait. Er hat eine originelle Alternative gefunden: er baue ein Boot. Da könnte er dann mal Hiltmann einladen, aber lassen wir diesen running Gag.

Bleiben also noch Daniel Foppa und Christoph Zürcher an Bord und am Steuerrad. Zürcher wurde noch von Projer als Blattmacher installiert, das spricht inzwischen gegen ihn. Ausserdem fühlt er sich eigentlich als «was macht der da überhaupt»-Magazinmensch pudelwohl, wo er immerhin wöchentlich eine Kolumne mit lustigen Erlebnissen aus seinem Leben und Erleben füllt. Der ist also heilfroh, wenn er sich wieder darauf konzentrieren kann.

Bleibt also noch Foppa. Der wird’s wohl auch nicht, und dann hat er ein Problem, denn er ist ehrgeizig. Und was macht man eigentlich, wenn man mal interimistischer Chef war? Zurück ins Glied? Besondere Aufgaben? Korrespondentenposten wie sein Vorvorgänger? Prognosen sind hier schwierig.

Dann behauptet die NZZ, dass man doch eher an zwei Redaktionen mit zwei Leitern festhalten wolle. Das wird nun God almighty Eric Gujer nicht so gerne hören. Beziehungsweise wird er sich sagen: ist mir egal, wer unter mir Chefredaktor der NZZaS wird. Nachdem Projer nicht zuletzt deswegen installiert wurde, um Gujers Machtausdehnung Richtung NZZaS zu stoppen, wird sich das der Militärstratege kein zweites Mal gefallen lassen.

Allerdings: der Internetauftritt der NZZaS ist jämmerlich. Also dürfte einer Redaktionsleiter werden, der vor allem auf diesem Gebiet Fähigkeiten und Kenntnisse hat. Um das Inhaltliche wird sich dann Gujer kümmern. Und das ist auch dringend nötig.

Sommer-Sauglattismus

Was ist die Steigerung von überflüssig?

Et voilà. Wobei:

Mehr Sauglattismus geht nicht. Dreiwöchige Sommerpause, in der es niemandem auffallen wird, dass es das «NZZ am Sonntag Magazin» nicht geben wird.

Christoph Zürcher, der in seiner neuen Rolle als Blattmacher immer noch Zeit findet, Locken auf der Glatze zu drehen, muss natürlich zum Thema «Der Dadaismus des Besitzens» gleich mal David Hume zitieren, damit den Philosophen Lambert Wiesing einleiten. Muss man den kennen? «Bilder können, sie müssen jedoch nicht als Zeichen fungieren» – nein, nicht unbedingt.

Um dann mit «einem leicht Marie-Antoinette-haften Move» zu schliessen. Das war nun Geschwurbel auf Niveau WeWo-Bahnerth, also eines Zürcher eigentlich unwürdig.

Wenn wir schon bei Wiesing sind, auch Christopher Kulendran Thomase muss man nicht kennen, obwohl der irgendwas in der Kunsthalle Zürich ausstellt und ebenfalls dem Sauglattismus frönt: «An welcher Weggabelung im Leben befinden Sie sich gerade? – Müesli oder Granola

Nun kommt der grosse Auftritt von Patrizia Messner, gerade zurück aus Uruguay und Autorin eines Lobliedes über Gülsha Adilji (nein, die muss man auch nicht kennen). Nun hat Messner, was denn sonst, einen neuen Trend entdeckt. Das hat sie ziemlich exklusiv, so wie jeder Trend, den es eigentlich nicht gibt, eine Weltsensation ist.

Der Beweis:

Und der fotografische Beweis: «Vom Bauerndorf zum Digitalhub

Dazu fehlt dann vielleicht doch noch ein Mü, aber immerhin, Elektrizität hat’s. Was für ein Nonsens. Geht’s noch nonsensiger? Aber ja:

Mitte Juli noch Ferientipps geben? Für die Winterferien? Die Herbstferien? Nein. Geht’s noch nonensiger? Aber sicher, es gibt doch das Thema Flugscham, nicht wahr? Kann man aus dem noch was Originelles ausmelken? Man kann’s versuchen – und daran scheitern:

Und wir schreiben mit der Klosettbürste.

Geht’s noch nonsensiger? Der Magazin-Kenner weiss: aber ja, denn es kommt ja noch «Bellevue». «Atelier- und Projekträume im historischen Kasernenareal», wobei auch jeder Nicht-Zürcher weiss, dass das in Zürich liegt, ein Fotoband über «Freiheit, Sexualität und Queerness», ein «Sihl-Stuhl» von «Studio Krach» (banales Holz in «Ubootgeld», schlappe 848 Franken, gepolstert dann 1’242, dafür als Hocker bloss 437), dafür kriegt man schon ganz anständige Ensembles. Und schliesslich ein «Roboterschuh», an dessen Sinn sogar «Bellevue» zweifelt.

Geht’s noch nonsensiger? Nun ja, wenn man eine neue Pizzeria in Zürich so anpreist, dass sie Tomatensauce und Mozzarella «schon mal mit Vanillebéchamel oder Petersilie, Dill und Zitrone auf Ricotta» ersetze. Beliebt sei auch «die Variante mit veganem Lahmacun, der türkischen Spezialität, überzogen mit Mayo» (in der Ei hoffentlich nichts zu suchen hat).

Geht’s noch nonsensiger? Nun, wenn «Hat das Stil» aus drei Fragen besteht, das Magazin aber nicht auf drei zählen kann. Die Frage Nochmal-Zwei lautet zudem: «Wie viel Nacktheit darf im Schlafwagen sein»? Problem: ein offenbar dem Fragenden nicht bekannter Mitreisender habe in Boxershorts genächtigt und erst noch geschnarcht. Ersteres ist aber erlaubt, zweiteres kann man ihm schlecht vorwerfen.

Geht’s noch …? Oh ja, wenn Nicole Althaus in die Tasten greift: «Auf der Bühne war Freddie ein Naturereignis». Zu seinem Glück ist Freddie Mercury schon tot. Denn damit gratuliert Althaus zum 50. des «Debütalbums «Queen»». Denn eigentlich geht es Althaus nicht um den Sänger, sondern um sich selbst. Was sie damals anhatte, wie sie das Konzert im Hallenstadion erlebte, dass sie «als Geigenspielerin sozialisiert» sei. Ach ja, und etwas backfischartige Beschreibung der Musik kommt auch vor.

Allerdings gibt es hier eine gute Nachricht: damit hört das Magazin auf. Für diese Nummer. Für die nächsten drei Wochen. Aber vielleicht nicht für immer. Wobei es schwer vorstellbar ist, dass Eric Gujer einen solchen Quatsch schätzt.

 

 

 

 

 

 

 

Es darf immer noch gelacht werden

Slapstick, Heiterkeit und Gelächter. SoBli und NZZaS laden nach und ein.

Auch der SoBli kämpft mit Verzweiflung und Themenleere. Was macht man in der Not? Genau, man schmeisst sich ran:

Das Blatt mit dem Regenrohr schüttet Sympathie aus.

Fertig geklatscht, jetzt wird in die Hände gespuckt; der aus den wohlverdienten Ferien wieder aufgetauchte Chefredaktor Gieri Cavelty weiss:

«Am 28. November sagen Herr und Frau Schweizer hoffentlich mit überwältigendem Mehr Ja zur Pflegeinitiative.»

Das ist eine gefährliche Ansage, denn Cavelty liegt eigentlich meistens falsch mit dem, was er schreibt.

Die schreibende Brille wagt eine Prognose.

Dann widmet der SoBli 18 Seiten dem Thema Pflege. Ach, nein, es sind nur 8, aber wirken tun sie wie eine 180-seitige Schlafpille.

Bloss eine Doppelseite verbrät der SoBli zur Tragödie um Alec Baldwin. Das Problem dabei: es gibt nichts Neues. Nix, null, nada. Nicht mal neue Fotos. Rehash nennt das der Journalist, neu gemixt, gehackt, aufgewärmt und als frisch serviert.

Kann wenigstens der SoBli mal ernst werden?

Jetzt wissen wir, was uns gefehlt hat: Biowindeln.

War ein Versuch, aber war nicht gelungen. Dafür gibt’s noch mehr Polit-Slapstick:

Endlich: lechts und rings vereint gegen den Staat und überhaupt.

Ja Schreck lass nach; die sonst immer auf der richtigen weil linken, weil guten Seite stehende Sibylle Berg hat schon Freund und Feind verblüfft, indem sie sich für das Referendum gegen das Covid 19-Gesetz aussprach. Und jetzt noch das. Antifa und Trychler knutschen sich ab? Funiciello und Martullo Blocher tauschen Tipps für Kleider in Übergrössen aus? Das Ende ist nahe.

Aber vorher darf Bundespräsident Guy Parmelin noch ein Interview geben. Das Schöne daran: es ist nur eine halbe Tabloid-Seite lang. Das genauso Schöne: der Inhalt ist völlig belanglos. Sonst was los auf der Welt? Ach ja, «China greift nach Taiwan», sagt irgend ein «Senior Fellow» in New York, und der SoBli serviert den kalten Kaffee brühwarm. Vergisst aber darauf hinzuweisen, dass in einer chinesischen Provinz ein netzartiges Aufbewahrungsgefäss mit körnigem Inhalt sich von der Vertikalen in  die Horizontale verlagert hat.

Auch hier noch ein Absackerchen:

Bald gehen die Lichter aus (was beim SoBli schon passiert ist).

Endlich, die Schuldigen an der kommenden Energiekrise sind gefunden. Wir alle, wer denn sonst.

Der NZZaS hatten wir bereits letzte Woche einen Zweiteiler gewidmet. Da wäre unfair, das zu wiederholen. Also nehmen wir uns doch diesmal «Das Magazin» zur Brust. Allerdings macht’s einem das Cover schon mal nicht leicht. Britney Spears, Vegi-Wein und Schülermagazin, das ist das NZZ-Niveau?

Das NZZ am Sonntag Schülermagazin.

Was schlecht anfängt, kommt selten dann hinten hoch. Selbst Christoph Zürcher, dem es Mal für Mal gelingt, das Diktum von Karl Kraus mit Leben und Inhalt zu füllen, einen Feuilletontext zu schreiben bedeute, auf einer Glatze Locken zu drehen, findet diesmal keine Locke. Will man dann wissen, zu welchen Selbstbetrachtungen Fabian Cancellara fähig ist? Fabian who? Also bitte, der Radprofi, der ungedopte Strassenhero, der Mann, der’s in den Beinmuskeln und eigentlich nur dort hat.

Was macht selbst eine hochkarätige Redaktion mit lauter Geistesriesen, vielleicht auch Scheinriesen, wenn ihnen gar nix einfällt? Genau, sie gibt einer Gymiklasse die Aufgabe, ein paar Aufsätzchen zu Themen von allgemeiner Wichtigkeit zu schreiben. So Liga «Gerechtigkeit, Stil, Natur oder Sexismus.»

Da wohl noch niemals ein paar Seiten so schnell überblättert wurden, braucht’s nun einen sogenannten Stopper:

Stopp, wo ist das Niveau geblieben?

Voilà, man fühlt sich gestoppt. Allerdings: Was soll das? Eine offenbar ältere Dame hält ein merkwürdiges Plakat hoch, auf dem man mühsam «Free Britney» entziffern kann. Dann widmet sich Henriette Kuhrt, sonst für Stilfragen zuständig (geht Schuhe ohne Socken im Büro?), dem Thema Britney Spears. Viele Worte. Null neue Worte. Auf sechs Seiten. Aber das Layout hatte ein Einsehen mit dem Leser. Die Mittelspalte besteht fast immer aus Fotos. Und drei Seiten ausschliesslich. Danke.

Wir kommen zu unserem Liebling, der Seite «Konsumkultur». Diesmal werden hier Cashmere-Socken angepriesen. Kosten schlappe 98 Euro (ja, für zwei) und man sollte sich gleich einen Stapel zulegen: was nicht in der Wäsche eingeht, geht schnell im Schuh kaputt.

Aber da tröstet vielleicht eine «Tiffany Eternity-Uhr» mit ein paar Brilläntchen. Kostet nur schlappe 28’000 Franken aufwärts, wäre doch ein nettes Weihnachtsgeschenk.

Dann durfte Christoph Zürcher das «Hyatt» am Flughafen anschauen, das nicht gerade von Gästen überflutet wird. Nun ist der Charme eines Flughafenhotels überschaubar und seine Zweckbestimmung eigentlich nur, Durchreisenden kurzzeitig Beherbergung anzubieten. Aber ein geschickter Schwurbler wie Zürcher zwirbelt hier ein paar dünne Haarsträhnen zu Locken. Es bleibt aber eine Glatze darunter sichtbar.

Dann kümmert sich Schreibkraft Kuhrt noch um dringende Fragen des Lebensstils. Soll man noch die Türe aufhalten? Ja. Wann sagt man Gesundheit, und bringt’s Permanent-Make-up? Jein. Schliesslich schiesst Zuza Speckert das «Magazin» noch zu einem letzten Höhepunkt in die intellektuelle Stratosphäre: wer ist wo mit einem Weinglas in der Hand rumgestanden und war in der Lage, fröhlich-wichtig in die Kamera zu glotzen? Adabeis nennt man solche Leute in München. Gilt auch für Zürich und ist eines NZZ-Magazins unwürdig.

NZZaS Magazin: kleines Zwischenhoch

ZACKBUM kann auch nichts dafür, wenn neben dem Kulturbund auch das Magazin gelobt werden will und muss.

Das bedeutet nicht, dass wir diverse Rubriken nicht weiterhin schmerzvoll vermissen. «Stammesrituale», «Beziehungsverhalten» oder «Perfekt», das war eine neue feuilletonistische Lockerheit, wie sie nur die NZZ kann.

Wie sie dann nur die NZZ konnte, als sie in den letzten Sommerferien das Magazin schmerzlich einschrumpfte. Zusammenhakte. Auf Unter-Normal absenkte. Tieferlegte. Schrecklich. Christoph Zürcher beweist weiterhin seine Existenzberechtigung im «Kanon». Aber sonst? «Selbstbetrachtungen», von Zuza Speckert ausgewählte Personen, deren Bedeutung, Wichtigkeit ihrer Ansichten – ohne ihnen zu nahe treten zu wollen – nicht erkennbar ist.

Oder möchte jemand ernsthaft wissen, dass eine Sommelière für sich alleine lieber Tee als Wein trinkt und eine Reise durch die Wildnis für sie wichtig war? Auch alle anderen überlebenden oder neuen Gefässe zeichnen sich durch eine gepflegte Beliebigkeit aus, eine Glätte wie das Hochglanzpapier, auf das sie gedruckt werden. Stilberatung ist ja gut und schön, aber brauchen wir das zu Fragen wie der, ob man als Besitzer eines E-Bikes bergauf keuchende Velofahrer beim Überholen grüssen soll oder nicht?

Hier kommt das Lob

Gut, aber wo bleibt das Lob? «Trinken kann eine Lösung sein», wussten wir das nicht alle, so insgeheim? Nun gibt es sogar einen Film darüber, den Oscar-Gewinner «Drunk» aus Dänemark. Mit dem einzigen Superstar des Landes, dem eigentlich immer grossartigen Mads Mikkelsen in der Hauptrolle. Aber das ist ein Zitat aus dem Interview mit dem Regisseur des Films. Und das ist eine seltene Sternstunde, in der sowohl die Fragen wie die Antworten interessant, intelligent, spannend sind.

Auch das ein seltener Lichtblick im Vergleich zu der Dutzendware «Was fühlten Sie in dem Moment, als Sie den Oscar bekamen?» Das fängt schon mit der ersten Frage an, über die Bedeutung eines Kierkegaard-Zitats (Nora Zuckker, nur googlen, wobei: vergessen Sie’s, zu schwierig), das dem Film vorangestellt ist:

«Was ist Jugend? Ein Traum. Was ist Liebe? Der Inhalt des Traums.»

Als Regisseur Thomas Vinterberg darauf die intelligente Erklärung liefert, die ihm seine Frau geschenkt habe, muss man einfach weiterlesen. Dass der Interviewer dann locker mit weiteren Zitaten des bedeutendsten dänischen Philosophen fortfährt, auch nicht schlecht. Zum Beispiel noch der hier: «Zu wagen bedeutet, für einen Moment den Halt zu verlieren. Nicht zu wagen bedeutet, sich selbst zu verlieren.»

Søren Kierkegaard (1813 – 1855).

Also vier grossartige Seiten, die durchaus noch hätten weitergehen können. Aber sie werden leider durch zehn Seiten abgebrochen, die sich der Frage widmen, wer denn die nächste Präsidentin der Zürcher Kunstgesellschaft werden soll. Genau, es gibt eine Kandidatin und einen Kandidaten. Wobei Mark van Huisseling, sonst eher im mittleren bis unteren Society-Bereich unterwegs – sozusagen die männliche Ausgabe von Zuza Speckert –, keinen Zweifel daran lässt, wen er für «die erste Wahl» hält. Da das auch zufällig die erste Wahl von Walter Kielholz ist, dem langsam abtretenden grossen Mischler – und immer wieder durch Fehlgriffe auffallenden letzten Tycoon – des Zürcher Daigs, wird das van Huisselings Schaden nicht sein.

Wer sich in die Sonnenstrahlen von Kielholz legen kann …

Himmels willen, nicht pekuniär. Aber die Sonne von Kielholz scheint immer noch so hell, dass es einem in seinen Strahlen nie ganz schlecht geht. Nun ist es fotografisch herausfordernd, den noch leeren Neu- und Anbau des Zürcher Kunsthauses zu bespielen. Das ist aber nichts dagegen, einen leeren Text über das Offensichtliche abzuliefern, dass Anne Keller in jeder Beziehung die Wahl des Establishments ist, stinkreich und durchaus auch kompetent.

Es aber einen Frechdachs gibt, viel jünger, nicht die Wahl des Establishments, der ebenfalls antritt. «Florian who?», wie van Huisseling in aller gebotenen Neutralität schreibt. Florian Schmidt-Gabain, 39, Anwalt aus Lengnau im Kanton Bern, spezialisiert auf Kunstrecht, Lehrbeauftragter an den Unis Basel und Zürich, Präsident und Gründer des «Zentrum für Künstlerische Nachlässe (ZKN)».

Wie soll man nun «Florian who?» einordnen? Da hilft van Huisseling: «Ein gut 15 Jahre älterer Collega, er darf als der Anwalt in Zürich für Kunstangelegenheiten bezeichnet werden, hat allerdings weder vom ZKN noch von Rechtsanwalt Schmidt-Gabain jemals zuvor etwas mitbekommen», weiss der Autor.

Wieso er allerdings den Namen des Kunstanwalts nicht nennen mag? Hat sich das Dr. Andreas Ritter wohl ausbedungen? Nur echt mit Künstlermähne, lieber Heckenschütze als offener Gegner? Nun, das ist nun leider alles kein Niveau, das einer NZZaS würdig wäre.

Aber, wir wollen auch diesen Artikel versöhnlich ausklingen lassen; die Woche ist noch jung, es war ein sonniger Sonntag. Auf der nächsten Doppelseite widmet sich Michèle Roten dem weiblichen Körper. Das ist nun nicht nur für unheilbare Sexisten oder Machos ein spontaner Grund, sofort umzublättern.

Auch der weibliche Körper kann interessieren

Das wäre hier und ausnahmsweise ein schwerer Fehler. Denn Roten nähert sich diesem Thema, über das sie natürlich auch ein Buch geschrieben hat, mit so viel Witz, doppelbödiger Ironie und einer durchaus lesenswerten Anamnese der Besonderheiten des weiblichen Körpers, dass es zudem interessant ist.

Schon für den Satz

«Um nicht an dieser Stelle schon alle männlichen Leser wütend zu machen, möchte ich festhalten, dass der weibliche Körper nicht interessanter ist als der männliche. Das kann ich leider aber nicht, denn er ist es»,

möchte man mindestens drei Gendersterne geben. Für die Begründung nochmals zwei.

Dass dann das Magazin wieder völlig absackt, indem es einen angeblich corona-tauglichen «schmackhaften Zeitvertreib» lobt: «zu Hause Pilze züchten», sei ihm noch verziehen. Dass aber anschliessend wieder mal die völlig ab- und durchgenudelte «Asiatische Kokossuppe» in der veganen Ausfertigung (frischer Ingwer! Zitronengras! Limettensaft! Limettenblätter!) dem Leser aufs Auge gedrückt wird, das ist dann wieder unverzeihlich. Dieses Wunderwerk der asiatischen Küche wurde schon gelobt, als Jackets sowohl für Frauen wie auch für Männer dicke Schulterpolster hatten. Und das ist schon ein Weilchen her.