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Von Riesen und Zwergen

Die UBS ist gross, der Rest der Schweiz klein.

Es ist immer wieder erfrischend, die Realität in aller Brutalität vorgeführt zu bekommen. Vor allem, wenn es um reine Machtfragen geht.

Die Schweiz ist zweifellos eine Demokratie, sogar eine direkte, die dem Stimmbürger reichlich Gelegenheit gibt, über ihn betreffende Belange mitzureden. Die Wahlen ins Parlament finden pannenfrei und korrekt statt, die Anzahl der Skandale von Politikern ist – sogar im mitteleuropäischen Vergleich – sehr überschaubar.

Hier braucht auch keine Regierung Millionenausgaben für Visagisten und Fotografen, hier fliesst nicht einmal Geld, wenn Regierende gerne positive Berichterstattung möchten. Das Ausnützen von Eitelkeiten reicht dafür.

Der Bau einer Turnhalle, einer Umfahrungsstrasse, der Steuerfuss, Tempo 30, gendergerechte Sprache, über (fast) alles kann abgestimmt und mitbestimmt werden. Das ist schön.

Manchmal geht es aber um die grossen Dinge, um reine Machtfragen. Wer hat das Sagen, das letzte Wort, wenn es um wirklich bedeutende Entscheidungen geht? Das Stimmvolk, seine Vertretung das Parlament, der Bundesrat, Behörden und Ämter und Institutionen wie die Nationalbank oder die Finanzmarktaufsicht FINMA?

Spätestens seit dem 19. März ist (wieder einmal) klar: wenn es hart auf hart kommt, haben all diese Gremien nichts zu sagen. Sind Statisten in einem Spiel, das von anderen gespielt wird. Es hatte etwas rührend Klägliches, wie ein sachfremder Bundespräsident mit ernster Miene vom Blatt las, was man ihm aufgeschrieben hatte. Es hatte etwas berührend Ärmliches, als eine fachunkundige Finanzministerin vom Blatt las, was sie nicht im Ansatz verstand.

Am Tisch sassen noch ein überforderter Präsident der Nationalbank, der seit der fatalen Einführung der Untergrenze zum Euro eine Schneise der Zerstörung hinterlässt. Und irgend jemand von der FINMA, an die sich sowieso niemand mehr erinnert. Dazu Plisch und Plum von der Credit Suisse, die keinerlei Schuldbewusstsein zeigen wollten dafür, dass sie die traditionelle, grosse den Namen der Schweiz im Titel führende Bank gegen die Wand gefahren hatten.

Und dann sass da noch ein kantiger Ire, der sich das Gequatsche simultanübersetzen liess, obwohl es ihn eigentlich nicht sonderlich interessierte. Denn Colm Kelleher wusste: der Einzige, der hier das Sagen hat, bin ich.

Der VR-Präsident der UBS wusste schon lange, dass die Credit Suisse in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Er wusste schon lange, dass die sinnvollste Abhilfe eine zeitweise Verstaatlichung, die Stützung mit unbegrenzter Liquidität durch die SNB, eine Auswechslung des unfähigen Managements und der anschliessende Börsengang wäre.

Das wäre sinnvoll, zum Vorteil der CS, des Schweizer Staates, des Steuerzahlers, des Finanzplatzes. Aber nicht zum Vorteil der UBS. Und Kelleher geht es einzig um den Vorteil der UBS. Daran ist auch nichts auszusetzen, das ist seine Aufgabe, dafür wird er bezahlt.

Wie es ihm dann allerdings gelang, die Bundeszwerge, die überforderte Regierung, die nichtsnutzige FINMA über den Tisch zu ziehen, das ist schon bedenklich. Wie er mit steinerner Miene am Tisch sass und zuhörte, wie die Marionetten brav ihre Texte aufsagten, es ist bewundernswert, wie er seine Gesichtszüge im Griff hatte und nicht gelegentlich ein breites Lächeln aufsetzte.

250 Milliarden Liquidität, im Notfall sicher noch mehr, 9 Milliarden Risikoübernahme, ein lächerlicher Kaufpreis von 3 Milliarden, keine Arbeitsplatzgarantie, keine Standortgarantie, keine Garnichts, Kelleher hätte sich am Anfang der Verhandlungen sicher nicht träumen, lassen, dass er mit allen seinen unverschämten Forderungen glatt durchkommt.

Und die Vierte Gewalt, die Medien? Von ein, zwei Ausnahmen abgesehen ein begleitendes Trauerspiel. Inkompetentes Gequatsche von überforderten Journalisten, die bei einer Bilanz nicht mal wissen, wo links und rechts ist.

Und als Sahnehäubchen eine Sondersession des Parlaments wie in Nordkorea. Mit dem einzigen Unterschied, dass dort immer einstimmig der Regierung zugestimmt wird. Das Schweizer Parlament wagte es dagegen, wofür es von den Medien streng gerügt wurde, seine Zustimmung zu verweigern. Nur: spielt überhaupt keine Rolle. Ist völlig egal. Das Parlament hätte auch fordern können, dass die CS die UBS übernimmt. Reine Folklore.

Der einzig ernsthafte Vorschlag, das «too big to fail»-Problem dadurch zu lösen, dass es keine solchen übergrossen Dinosaurierbanken mehr gibt, wurde von den grössten Versagern in der Debatte, der SP, versenkt.

Kelleher wird es sich sicher nicht angetan haben, dieses Kasperltheater anzuschauen und sich übersetzen zu lassen. Aber als man ihm auf Englisch eine Kurzzusammenfassung lieferte, hat er sicherlich herzlich gelacht und sich einen doppelten Teeling Single Grain oder vielleicht einen Bushmills eingeschenkt. Verdient hat er’s.

Ach du faules Ei

Die Schweiz als UBS: United Blödis of Switzerland.

Die Eidgenossenschaft, wie wir sie kennen, ist am 19. März untergegangen. Und als UBS wieder auferstanden. Als United Blödis of Switzerland. Keine Himmel-, aber eine Höllenfahrt.

Ein grosses Übel beseitigen, indem man es zum übergrossen macht? Eine Bank, die wankt, damit stabilisieren, dass sie in eine Bank transplantiert wird, die vor 14 Jahren wankte? 167 Jahre Tradition killen, um die Credit Suisse an eine Bank zu flanschen, die erst 1998 aus dem fatalen Zusammenschluss von SBG mit dem Bankverein entstand? Die falschen Manager bekamen das Sagen, und unter Führung eines grössenwahnsinnig gewordenen Marcel Ospel fuhr die neue UBS bereits 2008 und 2009 zweimal fast gegen die Wand.

Die kurze Geschichte der UBS ist also geprägt von (Fast-)Pleiten, Pech und Pannen. Zuerst hätte der neue Koloss «United Bank of Switzerland» heissen sollen. Weil auch damals mit heisser Nadel gestrickt wurde, fand man erst kurz vor Fusion heraus, dass dieser Name schon vergeben und geschützt war. Also blieb es beim Akronym UBS, das aber für nichts steht. Vom Basler Bankverein wurden die drei Schlüssel ins Logo übernommen.

Für das Geschäftsjahr 2008 vermeldete die Bank, bloss zehn Jahre nach ihrer Geburt, einen Reinverlust von knapp 20 Milliarden Franken, es waren über 80 Milliarden an Kundengeldern abgeflossen. Nur durch eine Finanzspritze der SNB und der Schweizer Regierung konnte verhindert werden, dass der frisch geschlüpfte Riese bereits ins Grab sank.

Dermassen in Geiselhaft geraten, bewilligten die Schweizer Behörden per Notrecht, dass die UBS am 18. Februar 2009 die ersten 300 Kundendaten an die USA auslieferte. Brutale Machtpolitik des grossen Imperiums; es hatte im Steuerstreit damit gedroht, sonst die UBS in den USA anzuklagen – das wäre vor jeder Gerichtsverhandlung das sofortige Todesurteil gewesen.

Damit sorgte die UBS dafür, dass die Schweizer Regierung einknickte und die USA ihre Gesetzgebung rechtsimperialistisch auch in der Schweiz durchsetzen konnten. Das Bankgeheimnis war Geschichte, die Rechtssouveränität der Schweiz hatte einen schweren Schaden erlitten. Die verantwortlichen UBS-Manager übernahmen nicht die geringste Verantwortung und zwangen dien Bundesrat dazu, ihnen per Notrecht eine weisse Weste zu verpassen.

Wie der hochrangige Mitarbeiter Raoul Weil 2014 bewies, hätte ihnen – Zivilcourage und Verantwortungsbewusstsein vorausgesetzt – nichts passieren können. Er stand einen Prozess in den USA durch – und wurde auf ganzer Linie freigesprochen.

2011 entstand neuerlich ein Milliardenverlust durch den Handel eines einzigen Mitarbeiters, der als Sanierer angetretene Oswald Grübel trat zurück; ein einziger Banker mit Verantwortungsbewusstsein. Im Liborskandal, der Manipulation des Referenzzinssatzes Libor, sozusagen der heilige Gral des Banking, zahlte die UBS eine Busse von 1,4 Milliarden Franken; um eine weitere Bussenzahlung von 2,5 Milliarden Euro kam sie herum, weil sie sich gegenüber EU-Behörden als Kronzeuge zur Verfügung stellte. In Frankreich wurde sie 2019 zunächst zu Zahlungen von 4,5 Milliarden Euro verurteilt; später senkte ein Appellationsgericht die Summe auf 1,8 Milliarden.

Im Skandal um den malaysischen Staatsfonds 1MDB marschierten fast 2 Milliarden US-Dollar im grössten Geldwäschereifall aller Zeiten über UBS-Konten in Singapur. Das ist ein kurzer Auszug aus der langen Liste von zwielichtigen und direkt kriminellen Handlungen, in die die UBS in ihrer kurzen Geschichte bereits verwickelt war.

Diese topseriöse, grundanständige, auf eine lange Tradition des Fine Swiss Banking zurückblickende Bank wurde von den überforderten Behörden und einem völlig überforderten Bundesrat dazu auserkoren, von einer Monsterbank zum Übermonster zu werden. Vom Dinosaurier, der «too big to fail» war, zum Übersaurier, der «too big to stay» ist, zu gross, um aufrecht stehen zu können.

Die Credit Suisse funktionierte bis zur Finanzkrise eins im Jahre 2008 einigermassen gut. Sie überstand das damalige Schlamassel sogar ohne Staatshilfe, geriet aber anschliessend dank eines unfähigen und geldgierigen Managements immer mehr in Schieflage. Geleitet von einer Niete in Nadelstreifen und mit weisser Weste, an dem teflonartig alle Skandale und Probleme abglitten.

Nach immer hektischeren Führungswechseln fuhr schliesslich ein Duo wie Plisch und Plum die stolze CS an die Wand. Es hätte diverse Rettungsmöglichkeiten gegeben. Am sinnvollsten wohl eine kurzzeitige Übernahme durch die SNB, Sanierung und Auswechslung des Führungspersonals, anschliessend neuer Börsengang. Die unbegrenzte Liquidität der SNB hätte diese Übergangsphase problemlos ermöglicht.

Stattdessen entschied man sich zur schlechtesten aller möglichen Lösungen. Der wankende Dinosaurier wurde dem anderen draufgesattelt, der in seiner kurzen Geschichte bereits selbst schon am Abgrund gestanden hatte und in der Anzahl Skandale der CS keinesfalls nachsteht.

Um sich zu vergegenwärtigen, was für eine Bedrohung für die Schweiz, ihren Finanzplatz, ihren Wohlstand, ihr Ansehen in der Welt da entstanden ist: die grösste Bank der Welt – immer nach der Bilanzsumme gemessen – bewegt rund 31 Prozent des Bruttoinlandprodukts ihres Heimatlands China. Die grösste US-Bank JPMorgan Chase steht für 16 Prozent des amerikanischen BIP. Wenn diese Banken wanken, dann ist Feuer im Dach. Es kann aber gelöscht werden.

Die mit der CS vereinigte UBS, die noch durch einen langwierigen und schmerzvollen und nach Aussage des UBS-VR-Präsidenten überhaupt nicht risikolosen Verschmelzungsprozess gehen muss, bringt aber über 200 Prozent des Schweizer BIP auf die Waage.

1’600 Milliarden im Vergleich zu 800 Milliarden. Sollte dieser Überriese Verdauungsprobleme kriegen, ins Stolpern geraten, weitere Skandale produzieren, dann wackelt aber das Matterhorn und der Gotthard bröckelt. Bereits zum Start wurde er mit Risikogarantien und Liquiditätszusagen von sagenhaften 259 Milliarden Franken überschüttet. Dagegen waren die 66 Milliarden für die UBS-Rettung ein Klacks.

Wie das zugelassen werden kann, wieso dieser Unfug beschlossen wurde, weshalb sich nur leiser Protest meldet, warum alle Versuche, diesen Riesen in beherrschbare Einzelteile zu zerlegen, zerredet und von der SP sogar sabotiert werden: unverständlich, unfassbar.

Ehrlicherweise müsste sich die Schweizerische Eidgenossenschaft offiziell umbennenen. In das, was sie nun ausmacht, wovon sie auf Gedeih und Verderb abhängt. Die wichtigsten Entscheidungen werden nicht mehr von den sieben Bundeszwergen in Bern getätigt, sondern im Wesentlichen von einem Mann, der gelegentlich an der Bahnhofstrasse in Zürich residiert: Colm Kelleher.

Dem ist es im Übrigen völlig wurst, wo er amtet. Er spricht kein Wort Deutsch, ihn interessiert die Schweiz überhaupt nicht, Swissness ist für ihn einfach ein nettes Asset, das man profitabel verwenden kann. Solange es läuft.

Damit er das Land besser versteht, in dem seine Bank regiert, sollte es sich einen neuen Namen geben: UBS. United Blödis of Switzerland. Und damit er es versteht, sollte man Kelleher erklären: Blödis, that’s Swiss German for dumbass. Or in Irish amadán.

Der schrecklich mächtige Ermotti

Die CS sank dahin, die GV ging mit Gezeter über die Bühne. Wichtig ist anderes.

Wird der Schweizer Bundesrat noch lernen, was Contingent Convertible Bonds sind, abgekürzt CoCos? Wird VRP Lehmann dann mal wieder ohne Bodyguards rumlaufen? Traut sich Urs Rohner noch in die Öffentlichkeit (aber ja)? Werden die Klagen gegen das Rasieren von Aktionären und Investoren auf staatlichen Geheiss Erfolg haben?

Mit solchen und ähnlichen Fragen befassen sich die Schweizer Medien. Dabei senden und schreiben sie am Riesenelefanten im Raum vorbei. Niemand spricht in aller Klarheit aus: nun ist die UBS nicht mehr «too big to fail». Seit dem 19. März ist sie mehr als eine Monsterbank. Sie ist eine tödliche Bedrohung für die Schweiz.

Denn wenn dieser Riesendinosaurier umfällt, dann bröckelt das Matterhorn. Dann bricht die Schweiz zusammen. Dagegen wäre ein Bankrott der Credit Suisse zwar nicht Peanuts gewesen. Aber abwickelbar.

Die UBS/CS hat ein Bilanzvolumen von rund 1,6 Billionen Franken; das Doppelte des Schweizer BIP. Trotz 259 Milliarden Staatshilfe ist es überhaupt nicht gesagt, dass sie die Transplantation der CS verträgt und verdaut. Es wird nicht nur gegen staatliche Eingriffe geklagt. Die USA stehen bereits in den Startlöchern, angeblich in der Schweiz versteckte Russenmilliarden zu kriminalisieren.

Das wird teuer werden. Aber noch perverser: der gesamte Bankensektor der Schweiz trägt lediglich aufgerundet 5 Prozent zum BIP bei. Aber alleine die UBS bedeutet 100 Prozent Risiko, sollte sie straucheln.

Ihr Mastermind ist der Ire Colm Kelleher. Ihm ist die Schweiz ziemlich egal; er spricht die Sprache nicht, für ihn ist Swiss Banking höchstens ein Asset, mit dem man zusätzlich Geld verdienen kann. Wie knallhart er ist, haben die Bundeszwerge, die SNB und die FINMA bei den Verhandlungen schmerzlich erfahren.

Sozusagen vor dem roten Knopf sitzt allerdings Sergio Ermotti. Im besten (und unwahrscheinlichen) Fall produziert er keine Skandale und Flops. Dann können die Eidgenossen diesem Riesendinosaurier von unten zuschauen, wie er die Schweiz turmhoch überragt. Im schlechtesten Fall drückt Ermotti auf den roten Knopf, natürlich unabsichtlich.

Wenn’s dann die UBS in die Luft jagt, hinterlässt das einen Krater in der Schweizer Wirtschaftslandschaft, der alles zunichte macht, was seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde.

Ermotti ist schrecklich mächtig. Kelleher ist schrecklich mächtig. Ihr Bankdinosaurier ist so wichtig geworden, dass eigentlich jede Bundesratssitzung mit der bangen Frage beginnen müsste: Wie geht’s denn unserer UBS heute? Hoffentlich alles wohl?

Dieser Zustand war nicht alternativlos. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben. Ob die besser gewesen wären, werden wir nie erfahren. Aber es steht zu vermuten: alles wäre besser als ein schrecklich mächtiger Ermotti. Als ein schrecklich mächtiger Kelleher. Als ein schrecklich gigantischer UBS-Dinosaurier.