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Kommunikationsgenie H.

Schweigen wäre Gold. Aber …

Immerhin, für Heiterkeit ist gesorgt: «Wir sind der Breaking-News-Kanal der Schweiz.» Die bessere Bezeichnung für «Blick TV» wäre wohl «Comedy Central». Oder «Breaking-Kanal». Diese Breaking News verkündete die frischgebackene CEO Ringier Schweiz via persoenlich.com.

Ladina Heimgartner reagierte damit auf einen Artikel von Francesco Benini von CH Media: «Blick-TV ist am Ende».  Gnadenlos listet er hier die Geschichte eines unaufhaltsamen Niedergangs auf. Mit grossem Brimborium im Februar 2020 gestartet (wenn irgendwo auf der Welt etwas Wichtiges geschah, sollte «Blick TV» nach 180 Sekunden die Bilder dazu haben), 17 fixe Formate am Tag, Kooperation mit CNN, 48 Angestellte.

Nach einem Jahr waren es immer noch 48 Angestellte, aber nur mehr drei fixe Formate. Die Einschaltquoten  weit entfernt von den Absichten, Gewinnschwelle nach drei Jahren: illusorisch. Besonders peinlich für Heimgartner: als ehemalige Chefin des romanischen Zwergsenders RTR hätte das doch ihre Kernkompetenz sein sollen, eine TV-Station zum Florieren zu bringen.

Stattdessen verkündete Ringier noch am Mittwoch stolz den Rückschritt in die Printwelt, die vollständige Übernahme von 20 Zeitschriften vom grossen Bruder Axel Springer, der das tut, was Ringier behauptet: Springer setzt voll auf die Karte digital und trennt sich konsequent von Print-Produkten.

Gnadenlos geht daher Benini mit der TV-Frau ins Gericht: «Keine gute Figur machte während der Leidensgeschichte des Senders Ladina Heimgartner, die soeben zur Chefin von Ringier Medien Schweiz befördert worden ist. Sie redete die Probleme von Blick-TV schön und drosch dabei leere Phrasen. Dabei wussten Medienschaffende innerhalb und ausserhalb von Ringier: Blick-TV ist ein Flop.»

Aber davon will sie nicht lassen: «Sendeschluss ist keiner in Sicht. Wir verzichten zwar ab Montag auf drei tägliche Sendungen, aber diese Anpassung ist alles andere als das Ende von Blick TV.» Dann das übliche Manager-Blabla: «Ressourcen und Stärken vermehrt … Bedürfnisse noch besser treffen … Learnings sind klar … Newsroom anpassen … Verschiebungen …» Solche Aussagen geben den 48 Angestellten viel Sicherheit und Zukunftsvertrauen.

Ziemlich angefasst reagiert Heimgartner dann auf die Kritik von Benini: «Der neueste Beitrag von CH Media ist vom selben Journalisten wie im Frühling 2022 – und leider genauso unsachgerecht, unprofessionell und unjournalistisch wie damals. So ist zum Beispiel unsere Stellungnahme nicht in die Berichterstattung eingeflossen. Das Ergebnis ist eine Ansammlung wilder Thesen, die nicht den Tatsachen entsprechen und leider von diversen anderen Medien ungeprüft übernommen wurden.»

«Unsere Stellungnahme»? Da scheint die Dame etwas nicht mitbekommen zu haben: «Bis am Donnerstagabend gab die Medienstelle von Ringier keine Auskunft zum Aus von Blick-TV; die Fragen zum Thema waren ihr am Donnerstagmorgen per Mail zugestellt worden.» Ausserdem: eine einzige, winzige inhaltliche Richtigstellung auch nur einer Aussage von Benini, statt reine Polemik? «Unsachgerecht, unprofessionell und unjournalistisch, wilde Thesen, die nicht den Tatsachen entsprechen»? Das ist starker Tobak und müsste dann schon mit vielleicht ein, zwei Beispielen untermauert werden.

Alles, was bei «Blick» läuft, liegt im Verantwortungsbereich von Heimgartner. Die Auflagenverluste, das missglückte Redesign, die Absetzung unter dubiosen Umständen des Oberchefredaktors Christian Dorer, dass der Chefredaktor des «SonntagsBlick» das Weite suchte, dass diese Stellen durch zweite Garnitur und einen Kopfsalat von unüberschaubar vielen «Heads» und «Officers» ersetzt wurde. Das mag bei einem Zwangsgebührensender, der weder auf Einnahmen, noch auf Ausgaben achten muss, noch angehen. Aber in der Privatwirtschaft?

Nun fügt Heimgartner all diesen Flops noch einen weiteren hinzu: souveräne Kommunikation ist auch nicht ihre Stärke. Auf die Frage, wieso denn zusammen mit der Jubelmeldung über die Auflösung des Joint Venture mit Springer in der Schweiz nicht das Abwracken von «Blick TV» kommuniziert worden sei, sagt sie zu persoenlich.com: Zu diesem «gewichtigen Investment» stehe «die Einstellung von drei Nachrichtensendungen in keinem Verhältnis».

Nur: das jämmerliche Erscheinungsbild von «Blick TV» steht zu den gewichtigen Millioneninvestitionen auch in keinem Verhältnis. Fehler machen kann jeder. Sie einfach zugeben, das braucht allerdings eine gewisse Grösse.

 

Ende vom Anfang?

Oder Anfang vom Ende bei «Blick TV»?

«Morgen Montag, 17. Februar, startet die Blick-Gruppe mit dem ersten digitalen Sender der Schweiz.» Das waren noch Zeiten: «Im Viertelstunden-Rhythmus sendet das digitale TV Informationen zu Politik, Wirtschaft, Sport und Unterhaltung.»

Ein «Herzensprojekt» von CEO Marc Walder. Klotzen statt kleckern. Jonas Projer vom Schweizer Farbfernsehen weggelockt. 48 Mitarbeiter. Hier wird das Fernsehen von morgen schon heute gemacht. Und überhaupt: «Mit dem Start von Blick TV geht die Blick-Gruppe ihren digitalen Weg konsequent weiter.»

Tja, da ist auf dem Weg wohl eine Bildstörung aufgetreten. Zuerst ging Projer wieder von Bord. Eine kompetente, weibliche Fachkraft mit sehr viel TV-Erfahrung zeigte nun den Weg in die Zukunft. Denn wer hätte besser als Ladina Heimgartner, Ex-Chefin des Grosssenders RTR (für Nicht-Insider: Radiotelevisiun Svizra Rumantscha), die entscheidenden Hinweise geben können, wie man «Blick TV», dazu auch den «Blick», den SoBli und blick.ch zum Erfolg führt?

Nun gut, «Blick» und SoBli verlieren dramatisch an Auflage, das passiert halt allen Printprodukten. Nur nicht so stark und prozentual zweistellig. Und der digitale Weg? Ach ja, gerade hat Ringier den Kollegen von Axel Springer sämtliche gemeinsam betriebenen Printprodukte abgekauft. Denn Springer geht tatsächlich konsequent den digitalen Weg. Ringier den realen Rückweg. Wer wäre da besser geeignet als Heimgartner, um diese Keimzelle zukünftigen Erfolgs zu führen?

Und «Blick TV»? Ach, hm. Ab kommenden Montag ist es aus. Nein, also mit den Nachrichtensendungen ist es aus. Das sei aber überhaupt nicht das Ende von «Blick TV». Ein Anfang ist es aber irgendwie auch nicht. Und die 48 Nasen bei «Blick TV»? Ach ja, hm, da gebe es dann vielleicht im Rahmen der Neuorganisation des Newsrooms (wir erinnern uns: jede Menge Heads und Officers und kaum Fusssoldaten) doch die eine oder andere Umstellung.

Kooperation mit CNN (sozusagen CNN Money Switzerland à la Ringier), Zukunft, Resilienz sicherlich auch, digital, Video, Bewegtbild, Multi-Channel, Blabla, Blüblü.

Und immerhin, das Logo wurde gewaltig verhunzt, Pardon, verbessert:

Runder, weiblicher, feiner, sinnloser, erfolgloser …

Schon gibt es einige Heads, Officers und wohl auch Fusssoldaten weniger. Alles schrumpft bei der kleinen, aber glücklichen «Blick»-Familie. Das Regenrohr im Logo gewinnt weiter an Symbolkraft. Inhaltlich nicht mehr Boulevard, sondern irgendwie resilienter. Entscheidende Heads weg, Christian Dorer aus unklaren Gründen geköpft, der SoBli-Chef suchte das Weite, Werner de Schepper sehr ruppig rausgepfeffert, als Ersatz eine sympathische Sport-Chefin und ein Mikrophonständer. Für Projer gab es sowieso keinen richtigen Ersatz. Aber genügend Heads, um immer mal wieder einen zu köpfen.

So macht man das. Das gibt viel Anlass zu Hoffnung bei den 1000 Mitarbeitern von Ringier Schweiz AG. Die sind nicht so wirklich auf dem Weg in die digitale Zukunft. Was soll nun aus all diesen Print-Produkten werden? Flaggschiff «Beobachter», bislang stabile «Bilanz», eiernde «Schweizer Illustrierte», noch florierende «GlücksPost»?

Wenn man extrapoliert, was bei der «Blick»-Familie passiert ist: rette sich, wer kann. Augen zu und durch. Das wird nicht digital, sondern brutal.

 

 

 

Ringier räumt auf – oder ab

«IntegrityPlus» nimmt sich die «Blick»-Gruppe vor. Who?

Wenn die ersten beiden Schritte Vorboten von Kommendem sind, dann gute Nacht. Denn der «Blick»-Oberchefredaktor Christian Dorer wurde aufgrund diffuser Anschuldigungen 6 Monate in eine Auszeit ohne Wiederkehr geschickt.

Der langjährige Ringier-Mitarbeiter und Ex-«Blick»-Chefredaktor Werner de Schepper wurde gar öffentlich exekutiert und Knall auf Fall abserviert.

Nun soll die gesamte «Betriebskultur» untersucht werden, oder wie das die zuständige Ladina Heimgartner wolkig umschreibt: «Im Zuge eines ‹Culture Audits› werden wir mithilfe externer Experten durchleuchten, wie es um die Unternehmenskultur innerhalb der Blick-Gruppe im Detail steht, und Massnahmen einleiten, die eine gesunde und offene Betriebskultur weiter fördern und langfristig verankern.»

Das ist nun ihr übliches Manager-Blabla, aber was soll hier genau passieren? «IntegrityPlus» soll zunächst einmal Befragungen durchführen. Integrity who? Das ist ein Zusammenschluss des Beratungskings Movis AG, ein stilles Monster mit «über 20 Beratungsstandorten in der ganzen Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein». Die Riesenbude berät meistens eher geräuschlos.

Nun soll das Unternehmen zusammen mit den Anwälten Rudin Cantieni die neue Bude IntegrityPlus aus der Taufe gehoben haben. VRP Martin Bircher ist gleichzeitig CEO der Movis AG und läuft ansonsten völlig unterhalb aller Radarschirme. Das gilt auch für Geschäftsführerin Marina Conte. Lediglich Linus Cantieni und Johann-Christoph Rudin machten zuletzt Schlagzeilen, als sie die Vorwürfe der gefeuerten «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani untersuchten (und grösstenteils als nicht belegbar abtischten).

Wieso nun ausgerechnet diese neue Entität (statt Movis solo oder Rudin/Cantieni, mit immerhin auch 14 Nasen) die «Blick»-Gruppe untersuchen soll, weiss wohl nur Heimgartner. Was denn nun genau untersucht werden soll, mit welchem Ansatz, mit welchem Personal – das wäre dann doch zu viel der Transparenz. Auch die Beantwortung der Frage, ob hier eine ordentliche Ausschreibung des Auftrags stattfand.

Auf wiederholte Nachfrage, ob für diesen sicherlich nicht billigen Auftrag wie es sich gehört Konkurrenzofferten eingeholt wurden, sagt Ringier lediglich: «Bei der IntegrityPlus AG handelt es sich um einen Zusammenschluss der Besten in diesem Bereich: der Movis AG und der Anwaltskanzlei RudinCantieni. Die Vergabe dieses Auftrages erfolgte Corporate Governance konform.»

Das ist die Transparenz, die man sich bei einer «gesunden und offenen Betriebskultur» wünscht.

Nach den erfolgten Hinrichtungen weiss jeder Mitarbeiter in der mehr oder minder glücklichen «Blick»-Familie zwei Dinge: Hier wird Material gesammelt, und alles, was du sagst, kann gegen dich verwendet werden. Und wer weiss, was die anderen über dich sagen

Und nicht vergessen: Integrität bedeutet Makellosigkeit, ihr Boulevard-Journis.