Willkür bei der Postfinance
Der gelbe Riese ist ausser Rand und Band.
Natürlich ist es ein Einzelfall. Natürlich ist der Schreibende persönlich betroffen. Aber wenn ein Einzelfall jedem passieren kann, wird er zur nötigen Mitteilung. Obwohl das Thema für einmal nicht direkt mit Medien zu tun hat.
Indirekt aber schon, denn selbst Riesen fürchten Reputationsschäden. Das Problem ist schnell erzählt. Am 5. August überwies eine Firma aus den USA einen Geldbetrag an die Postfinance, mit dem Auftrag, es dem Konto des ZACKBUM-Redaktors gutzuschreiben. Als am 11. August immer noch keine Gutschrift erfolgt war, begann eine kleine Odyssee.
Die grosse Postfinance bietet ihren immerhin 2,7 Millionen Kunden nur eine einzige Telefonnummer zur Kontaktaufnahme an. Deshalb verröchelt man dort gerne einmal in der Warteschlaufe und gibt auf. Ein Besuch in der Postfinance-Filiale in Zürich ergab, dass man dort auch nichts Genaues weiss, keine Überweisung da, nix. Der Kunde wurde darauf verwiesen, es doch telefonisch zu probieren. Und nein, hier habe man auch keine andere Nummer, hätte ein Postfinance-Schalterangestellter eine Frage, müsse er die gleiche Nummer wie der Kunde wählen.
Unfassbar, aber halt Postfinance. Der Kunde versuchte auf allen Kanälen, eine Auskunft zu erhalten, wo denn die Kohle abgeblieben sei. Vergeblich. Es wurde ihm einzig immer wieder empfohlen, doch beim Absender nachzufassen vielleicht klemme es ja dort. Der Absender hatte aber längst alle Beweise erbracht, dass das Geld bei der Postfinance liegen müsse. Dazu gibt es einen Tracking-Code UETR, der wie bei einem Paket ermöglicht, den genauen Standort einer Überweisung zu checken. Und der war bei der Postfinance.
Am 15. August dann die Wende. Nach zehn Tagen brandschwarzen Lügens teilte die Bank plötzlich mit: doch, es ist am 5. 8. eine entsprechende Überweisung bei uns eingegangen. Aber Compliance, die interne Kontrolle, habe da ein paar Fragen, weshalb ein Fragen-Katalog an die sendende US-Bank übermittelt worden sei. Man rechne morgen mit einer Antwort.
Darauf reichte es dem Kunden und er publizierte auf «Inside Paradeplatz» eine Beschreibung des Trauerspiels. Das brachte ihm dann einen Anruf einer Mitarbeiterin von Compliance ein; das erste aktive Lebenszeichen der staatsnahen Bank.
Sie habe den Artikel auf IP gelesen, gab die Dame bekannt, aber das Problem sei ein anderes. Also nochmal April, April, kein zu beantwortender Fragenkatalog. Nein, es handle sich um eine «Sanktionsproblematik». Wie das? Nun, das werde zurzeit von der zuständigen staatlichen Behörde abgeklärt, und das dauere halt ein Weilchen. Der Kunde solle daher von täglichen Anrufen Abstand nehmen. Das wäre allerdings die einzige Kontaktmöglichkeit, da sich die Dame weigerte, eine E-Mail-Adresse anzugeben («das machen wir nicht»). Typisches Verhalten in einer Dunkelkammer.
Die Dame wollte nicht von tagelangem Lügen sprechen, vielleicht sei es da zu einer «Fehlinformation» gekommen. Eher schmallippig wurde sie, als der Kunde sie fragte, worin genau denn diese «Sanktionsproblematik» bestünde. Denn die überweisende Firma, international tätig, seriös und völlig legal, steht auf keiner Sanktionsliste. Ebenso wenig der Empfänger. Das müsse halt noch genauer abgeklärt werden, sagte die Compliance-Frau.
Compliance steht eigentlich für die Einhaltung von Regeln. Hier herrscht aber regellose Willkür. Einem Algorithmus oder einem Mitarbeiter passt eine Überweisung nicht. Obwohl es keinen stichhaltigen Grund dafür gibt, beschlagnahmt er sie einfach mal. Das wird aber dem Betroffenen nicht mitgeteilt, der wird Mal ums Mal auf die Piste geschickt, er solle doch in den USA nachforschen, hier sei nix angekommen.
Das war aber gelogen. Dann wurde das durch die nächste Unwahrheit abgelöst, man warte auf die Beantwortung eines Fragenkatalogs durch die überweisende US-Bank. Stimmte auch nicht, aber wozu auch dem Kunden die Wahrheit sagen.
Das ist ein Skandal. Eine selbstherrliche Kontrollstelle, haftungsfrei und verantwortungslos, erfindet eine «Sanktionsproblematik». Als ob es nicht glasklar und einfach wäre: entweder steht eine Firma oder eine Person auf einer Sanktionsliste, in der Schweiz auf der öffentlich einsehbaren schweizerischen – oder nicht. In diesem Fall gilt zweimal «oder nicht».
Mit ihrem Verhalten verstösst die systemrelevante Bank mit Millionen von Kunden gleich mehrfach gegen Regeln und Vorschriften. Sie hebelt mal kurz das Auftragsrecht aus. Denn sie hat den Auftrag bekommen, einen überwiesenen Geldbetrag einem ihrer Kunden gutzuschreiben. Tut sie aber nicht. Sie setzt sich über die Vertragsfreiheit hinweg. Jedem Postfinance-Kunden ist es freigestellt, mit jedem beliebigen legalen und unbescholtenen Unternehmen in Geschäftsbeziehungen zu treten. Das geht die Postfinance überhaupt nichts an.
Und schliesslich verstösst sie gegen Treu und Glauben. Starker Tobak im Finanzbereich. Die FINMA, die Bankenaufsicht, ist orientiert. Hier sollte es mindestens eine Rüge absetzen, wenn nicht die Gewähr, also die Lizenz zum Banking, einigen nassforschen Mitarbeitern der Postfinance entzogen werden müsste.
Statt den Kunden tagelang anzulügen, wäre es auch ein Gebot des Anstands gewesen, ihn sofort über diese angebliche «Sanktionsproblematik» zu informieren. Das hätte aber die Postfinance dazu gezwungen, eine Begründung zu geben, worin die denn bestünde. Und es hätte dem Kunden die Möglichkeit gegeben, sofort entsprechende Schritte einzuleiten.
Stattdessen wird hier selbstherrlich, haftungsfrei und unverantwortlich über das Geld anderer verfügt. Ob der Kunde auf diese Einnahme angewiesen ist? Ist doch sein Problem. Dass der Kunde keinerlei Möglichkeit hat, sich gegen diese Willkür zu wehren («wenden Sie sich doch an unser Beschwerde-Management, das hustet ihnen dann irgendwann irgendwas»), ist eines Rechtsstaats unwürdig.
Es gibt genügend klare Regeln, Vorschriften, es gibt das Prinzip der Eigentumsgarantie, es muss gegenüber jeder Entscheidung die Möglichkeit einer sofortigen rechtlichen Überprüfung geben. Es kann nicht sein, dass selbstherrliche Mitarbeiter neue Kriterien wie «Sanktionsproblematik» erfinden. Wird das zugelassen, sind wir unterwegs in den Wilden Westen der Willkür und Verantwortungslosigkeit.