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Samstag am Sonntag

Ein Blick in die frühere «Schweiz am Sonntag».

Auf der Front wird’s schon merkwürdig. «Mehr Schutz für Opfer von Internet-Hetze». Oh, denkt der Leser, nach dem Abgang von Pascal Hollenstein traut sich CH Media endlich, die Hetze gegen die Journalistin Michèle Binswanger zu thematisieren. In der Serie «#hateleaks» wurde anhand von Chat-Protokollen nachgewiesen, wie die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet Jolanda Spiess-Hegglin und ihr Adlatus Hansi Voigt eine schmutzige Kampagne, die sie selbst «Drecksarbeit» nannte, orchestrierten und organisierten.

Aber leider nein, es handelt sich um die Provokation des SVP-Nationalrats Andreas Glarner, der eine öffentliche Telefonnummer öffentlich machte. Im Fachjargon «Doxing» genannt. Das, was Binswanger erlebte, war ja nur ein Shitstorm, eine Hetzkampagne, der Versuch, sie zum «Auswandern» zu bringen, als Mensch und Journalistin unmöglich zu machen. Mittels Fake-Accounts zu Aussagen zu provozieren, die man dann gegen sie und für die eigene Anwältin verwenden konnte.

Wie sagt Bundesrätin Baume-Schneider so richtig: «Es geht um die Fähigkeit, mit anderen Meinungen umzugehen und sie zu akzeptieren. Wir müssen auf solche Exzesse reagieren.» Allerdings.

Richtig blöd ist’s halt, wenn man Freitagnacht Abschluss hat, aber behauptet, man wolle das ganze Wochenende aktuell sein:

Leider finden halt viele Wahlen im In-und Ausland am Sonntag statt …

Aber immerhin, das ist mal was Neues und natürlich Beunruhigendes, da es um Banken geht:

Konkret heisst das, dass die UBS lediglich verpflichtet ist, die Geschäftsbücher der CS zehn Jahre lang aufzubewahren. Protokolle der VR-Sitzungen, der Geschäftsleitung, welche Pfeife hat wann was gesagt, wer ist für eine der vielen Fehlentscheidungen verantwortlich? All das kann problemlos im Aktenvernichter landen. Denn der Bundesrat hat es auch hier versäumt, entsprechende Vorschriften an seine Unterstützung zu knüpfen. Amateurliga.

Und wem widmet sich das «Wochenende», indem die Reste von «Kultur & Leben» versorgt sind? Nein, da muss man nicht raten:

Nachdem Turner pflichtschuldig albgenudelt ist, wird’s dann allerdings dünn, sehr dünn:

Wenn ein Schüler zu spät in den Unterricht kam, pflegte der Mathematiklehrer Schiller zu zitieren: «Spät kommt ihr, doch ihr kommt.» Das wollen wir hier auch so halten.

Geht’s noch dünner? Das Stichwort für Simone Meier, die Kolumnistin. Was macht man als Kolumnistin, wenn einem nun wirklich überhaupt nichts mehr einfällt? Richtig, Man schreibt übers Kolumneschreiben. In der Agenda sei der «Schreibbefehl Kolumne!» gestanden. Darunter Stichwörter, die sie aber nicht mehr entziffern könne. Das wiederum führt zurück zum Aufsatzschreiben in der Schule, und dann …, sorry, aber hier sind uns die Augen endgültig zugefallen. Einzig bedauerlich, dass Meier nicht – endlich mal was Originelles – einfach vier Worte für die Kolumne verwendet hat: «Mir fällt nix ein.» Wäre zumindest ehrlich gewesen.

Erholt man sich wenigstens im «Lifestyle»? Mässig:

Ein runder Geburtstag, als anlassloser Anlass für Rezykliertes. Passt eigentlich zu Heidi Klum, die sich ja ausschliesslich mit äusseren Werten über Wasser hält.

Und das war’s dann schon auf Seite 62. Prädikat: nicht wirklich wertvoll. War auch schon besser. Vielleicht eine besonders schwache Ausgabe erwischt. Wir versetzen das Blatt in die Probezeit.

Titel und Inhalt

Mogelpackungen sind nie verkaufsfördernd.

Das gilt für aufgeplusterte Verpackungen genau so wie für Schlagzeilen.

«20 Minuten» ködert den Leser mit einer brandheissen Meldung. Welche Todesursache wurde «enthüllt»?

«Ein Sprecher der Queen of Rock ’n’ Roll hat am Donnerstag weitere Details zur Todesursache gegeben. Wie er gegenüber der «Dailymail» sagte, sei Tina Turner eines natürlichen Todes gestorben.»

Lachen ist sicherlich die beste Reaktion.

Da will natürlich auch das Blatt mit dem Regenrohr im Titel nicht nachstehen; auch der «Blick» weiss mehr:

Die Todesursache war auch hier ein «natürlicher Tod». Ganz im Gegensatz zum unnatürlichen oder gar übernatürlichen.

Auch nau.ch obduziert die Todesursache:

Dass es auch richtig geschmacklos geht, beweist diese Gedenktafel in London, als ob sich so das Leben Tina Turners zusammenfassen liesse:

Selbst die NZZ nimmt einen Augenschein am Gatter vor Turner Villa:

Leider hat der Journalist des Qualitätsorgans nicht recherchiert, wieso «Algonquin» am Tor steht. Ts, ts. Aber sehr boulevardesk beobachtet er dann Beobachter beim Beobachten, also Seinesgleichen bei der Arbeit, die er dann auch leistet. «Sie ass gerne Zitronensuppe», übermittelt Tobias Marti der Welt, denn er hat dem Sternekoch gelauscht, der ganz in der Nähe Turner bekochte. Der 8-Gänger kostet hier standesgemässe 265 Franken, und die Sterne leuchten wohl, weil das Restaurant zuvor «Kunststuben» hiess …

Dann belästigt Marti den Gemeindepräsidenten Markus Ernst telefonisch, der vermelden kann: ««Es ist unglaublich», sagt der Milizpolitiker, gegen 25 Interviews habe er heute schon gegeben, und er werde den Rest des Tages auch nichts anderes mehr tun. Da ist es gerade einmal drei Uhr nachmittags.»

Was ja wohl heissen soll, dass auch Marti nicht gerade zu den Frühaufstehern gehört.

Eher enttäuschend ist dagegen die Berichterstattung von «watson». Dieses Magazin für Freunde der Quantenphysik und andere Intellektuelle lässt es bei einer Meldung und der obligaten Bio bewenden. Offenbar nicht in der Lage, die Bedeutung dieses Todes für sein Zielpublikum zu erkennen. Denn Turner, dass ist wie Jagger: auch Menschen, die deren Enkel sein könnten, mögen die Musik.