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Ein Starschwätzer

Thomas Piketty darf im «Magazin» Unsinn verzapfen.

Seit sein Kracher «Das Kapital im 21. Jahrhundert» –meistens ungelesen – auf jedem politisch korrekten Sofatisch lag, gilt der «Kapitalismuskritiker» als «Starökonom». Dabei konnte er die Thesen in seinem Machwerk nur hinwürgen, indem er, höflich formuliert, statistische Erhebungen sehr selektiv betrachtete und vor allem Ergebnisse wegliess, die seinen Thesen widersprachen.

Also die Anwendung der wissenschaftlichen Methode: was nicht passt, wird passend gemacht. Schnee von gestern, nun hat Piketty ein neues Buch geschrieben: «Eine kurze Geschichte der Gleichheit». Kurz ist gut, daher konnte es auch Christoph Lenz lesen. Der ist bei Tamedia «Reporter beim «Magazin» und Mitglied der Tamedia-Tagesleitung». Angeblich habe er «Geschichte und Volkswirtschaft studiert und daneben das journalistische Handwerk erlernt».

Angeblich deswegen, weil an all dem doch gelinde Zweifel gestattet sind. Denn in einem länglichen Interview zu diesem kurzen Buch lässt Lenz den «Wirtschaftswissenschafter» ungeniert einen Unsinn nach dem anderen verzapfen. auf «Republik»-verdächtigen 20’000 Anschlägen erspart ihm Lenz jegliche kritische Nachfrage, ausser zum Stichwortgeben.

Wir würden uns auf mehr Gleichheit hin bewegen, ist die neue, knackige These von Piketty. Rein ökonomisch gesehen ist das unsinnig, noch nie spreizte sich die Schere zwischen ganz reich und ganz arm dermassen weit auf, noch nie gab es einen dermassen grossen Abstand zwischen der Mittelschicht und der Oberschicht. Lenz liefert brav die Stichworte:

«Sie sprechen von den Revolutionen in Frankreich und den USA?» Gnädig nickt Piketty, weitet aber aus: «Nicht nur. … Aber ich denke auch an den Sklavenaufstand in Haiti im Jahr 1791. Dieser Moment markiert den Anfang vom Ende der kolonialen Gesellschaften.» Der bravuröse, aber fürchterlich gescheiterte Sklavenaufstand sei der Anfang vom Ende des Kolonialismus gewesen? Hanebüchen.

Aber Piketty kann noch mehr Bögen spannen: «Die Bewegung, die Ende des 18. Jahrhunderts ausgelöst wurde, ging im 19. Jahrhundert weiter mit der Abschaffung der Sklaverei, mit dem Aufstieg der Arbeiterbewegung, mit dem allgemeinen Stimmrecht für die Männer. Später kamen das Frauenstimmrecht, die Bürgerrechtsbewegung in den USA und der Wohlfahrtsstaat. Und heute sehen wir dieselbe Energie bei «Black Lives Matter» und bei #MeToo.» Es ist eine Beleidigung, diese beiden Randgruppenphänomene in eine Reihe mit den Kämpfen der Arbeiterbewegung oder der Bürgerrechtsbewegung in den USA zu stellen.

Aber das alles zeige eben, dass der Marsch zu mehr Gleichheit weitergehe, behauptet der Star. Da wagt Lenz mit einem Gegenbeispiel zu widersprechen: «Der US-Supreme-Court hat die Rechte der Frauen soeben massiv beschnitten.» Kein Problem für einen Starschwätzer, darum herumzurudern: «Das Urteil des Supreme Courts sollte uns vielleicht einfach daran erinnern, dass das, was wir heute in Europa und den USA Demokratie nennen, eine recht limitierte Form der Demokratie ist. Eine Demokratie, die wir verbessern müssen.»

Nun sind aber natürlich Lösungen gefragt, beispielsweise zum Thema Klimaerwärmung. Kein Problem, meint Piketty, et voilà: «Der einzige Weg ist eine Art von progressiver CO2-Steuer.» Lenz mopst etwas auf: wie solle der Staat denn wissen, wieviel CO2 der einzelne Bürger ausstosse? Kein Problem, meint Piketty: «Wissen Sie, technische Probleme können mit etwas gutem Willen immer gelöst werden.»

Also mehr Überwachung, runzelt Lenz die Stirne, und lässt sich wieder widerspruchslos einseifen: «Wir nutzen ja heute alle schon Bankkonten und Kreditkarten. Private Finanzinstitute wissen also längst, was wir konsumieren. Jede und jeder von uns hat also ein Vertrauen in dieses System aufgebaut, und wir glauben, dass wir den Banken und Kreditkartenfirmen unsere persönlichsten Daten anvertrauen können, ohne dass sie diese missbrauchen

Das glauben höchstens ein paar Naivlinge, genau wegen solchen Befürchtungen sind satte Mehrheiten in Europa – und in der Schweiz – gegen die völlige Abschaffung des Bargelds, das einen Schutz vor der völligen Kontrolle durch den Staat bietet. Und genau aus diesem Grund haben Blockchain-Währungen anhaltenden Zuspruch.

Piketty fordert in seinem neusten Werk auch die Auszahlung von 120’000 Euro an jeden Bürger, ein Geschenk zum 25. Geburtstag. Das bedingungslose Grundeinkommen sei in der Schweiz aber gerade abgelehnt worden, souffliert Lenz das nächste Stichwort: «Natürlich wollen die Reichen nicht teilen. Aber wenn wir die Frage so stellen, haben wir den falschen Fokus

Lenz bettelt um Aufklärung.

«Wir müssen in grösseren Massstäben denken. In globalen Massstäben.»

Das ist immer gut, global ist einfach für alles die Lösung.  Piketty weiss, dass er hier nun ein Titel-Quote liefern muss: «Und in globalen Massstäben betrachtet ist die Schweiz einfach ein Club von reichen Leuten.» Welcome to the Club. Aber auch die Schweiz könne nicht einfach weitermachen wie bisher: «Wir haben das schon gesehen beim Bankgeheimnis. Wenn plötzlich ein mächtiger Staat, zum Beispiel die USA, findet, es reicht, dann muss die Schweiz spuren

So kann man das auch beschreiben. Dass sich nämlich die USA einfach ein grösseres Stück von der Verwaltung von Vermögen abschneiden wollten, ob Schwarzgeld, krimineller Herkunft oder steuerehrlich: völlig egal. In den USA stehen bekanntlich die grössten Geldwaschmaschinen der Welt und die ausgedehntesten Steueroasen für Hinterzieher. Aber solche Zusammenhänge sind dem «Starökonom» wohl zu kompliziert – und Lenz nicht geläufig.

Da bietet ein eloquenter Schwätzer jede Menge Angriffsflächen und die einmalige Chance für einen Journalisten, statt einer Liebedienerei ein angriffiges, unterhaltsames Interview zu machen. Wo der Leser mit einem Schlagabtausch unterhalten würde, sogar angenehm belehrt. Stattdessen fährt Piketty fort, unter Ausblendung nicht passender Tatsachen knackige Thesen abzusondern.

Hand aufs Herz: erinnert sich noch jemand daran, was seine These im «Kapital im 21. Jahrhundert» war? Und wer schon die Hand dort hat: wer hat’s wirklich gelesen? Also. Aber von einem Journalisten, der doch tatsächlich Geld für seine Tätigkeit verlangt, könnte man zumindest erwarten, dass er im Gespräch gelegentlich aufblitzen lässt, dass man ihm nicht jeden Bären auf die Nase binden kann. Nun ja, bei Tamedia ist das allerdings eine überzogene Erwartungshaltung.