Glatt gelogen
Unsere Qualitätsmedien. Faktencheck vor Publikation? Kä Luscht.
Am Anfang ist wie meist eine Ticker-Meldung der SDA. Gäbe es diese News-Quelle nicht, Schweizer Qualitätszeitungen wären noch dünner, als sie es ohnehin schon sind.
Und SDA vermeldete:
«Die Marke «Radio Grischa» bleibt in den Händen von Somedia
Das Handelsgericht Zürich lässt die Anträge von Roger Schawinski und Stefan Bühler, Initianten von Radio Alpin, abblitzen.»
Das übernimmt die «Südostschweiz», die am Samstag zusammen mit der «Schweiz am Wochenende» von CH Media erscheint und damit die grösste Wochenendzeitung ist, eins zu eins. Redaktionelle Leistung: nullkommanull. Quelle der Meldung: «Laut der Mitteilung von Somedia». Nun könnte es ja vielleicht sein, dass Somedia als Streitgegner von Roger Schawinski nicht ganz objektiv in der Darstellung ist. Möglicherweise.
Also würde doch eine Qualitätszeitung vielleicht zum Telefonhörer greifen und sich bei der Gegenpartei erkundigen, ob diese Mitteilung vollumfänglich der Wahrheit entspricht. Aber wahrscheinlich sind bei der letzten Sparrunde bei CH Media (oder bei Tamedia) auch die Telefone so wie die Papierkörbe entsorgt worden. Lenkt nur ab, macht Umstände, kostet extra, verschwendet unnötig Arbeitszeit des Redaktors in seiner Verrichtungsbox im Newsroom.
Also übernimmt es auch der «Blick»:
Kleines Problem dabei: das ist falsch. Denn es ist – wie meist im Leben – ein wenig komplizierter. Aber da wäre eben die Fähigkeit gefragt, etwas Komplizierteres zu verstehen und für den Leser vereinfacht, aber dadurch weiterhin richtig, herunterzubrechen.
Das wiederum würde voraussetzen, dass der moderne Journalist dazu in der Lage ist und die nötige Zeit dafür hätte. An beidem mangelt’s, aber genau dafür würde der Konsument sicher etwas bezahlen. Für solchen Unsinn hingegen nicht.
Also hat die SDA eine Neufassung der Meldung herausgegeben, diesmal erweitert um eine Stellungnahme von Schawinski, womit die Deutungshoheit nicht mehr bei der einen Partei Somedia liegt.
Zunächst die Triumphmeldung von Somedia laut SDA: ««Die Initianten von Radio Alpin, Schawinski und Stefan Bühler, hatten vergeblich versucht, das Handelsgericht Zürich dazu zu bringen, Somedia die Nutzung der Marke «Radio Grischa» zu untersagen», teilte Somedia am Freitag mit. Das Gericht habe aber sämtliche Anträge zurückgewiesen.»
Dagegen halten die beiden Radiopiraten fest:
«Es stimme nicht, dass der Markenrechtsstreit um Radio Grischa zugunsten der Somedia entschieden worden sei, widersprachen Schawinski und Bühler gleichentags in einer Stellungnahme. Vor dem Handelsgericht Zürich sei es allein um die Verwendung des Firmennamens Radio Grischa AG gegangen und den könne Somedia nun weiterhin verwenden.
«Über die Nutzung der Marke Radio Grischa befindet hingegen das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) und nicht das Handelsgericht. Das Verfahren vor dem IGE sei weiterhin hängig, schrieben Schawinski und Bühler.
«Wir haben unsere Firma unter dem Namen Radio Alpin Grischa AG vor einiger Zeit gegründet und im Handelsregister eintragen lassen. An der Marke Radio Grischa für unseren Sender halten wir fest», betonen die Radiomacher.»
Die «Südostschweiz» hingegen, das Graubündner Monopolblatt des Familienclans der Lebruments, ergänzte die SDA-Meldung durch weitere objektive Informationen: «Das Handelsgericht weist darauf hin, dass selbst Schawinski zugegeben hatte, dass «Radio Grischa» in der Bevölkerung noch «äusserst beliebt» sei.» Und fährt fort:
«Das Gericht kritisiert ausserdem das Verhalten der Initianten von Radio Alpin. «Entsprechend fragt sich vielmehr, ob es nicht Schawinski und Bühler sind, welche mit ihrem Geschäftsgebaren in die schutzwürdige Marktposition der Gesuchsgegnerinnen (Somedia) eingreifen beziehungsweise sich gar wettbewerbswidrig verhalten.» Schawinski und Bühler müssen nun die Gerichtskosten tragen und Somedia für das Verfahren entschädigen. Somedia begrüsst das Urteil und sieht sich in ihrer Strategie für die Marke «Radio Grischa» bestätigt, wie es in der Mitteilung weiter heisst.»
Also Somedia zitiert sich selbst ausführlich und lässt die Gegenpartei nicht nur mit keinem Wort vorkommen, sondern auch möglichst schlecht aussehen.
Analyse, Einordnung, Hintergründe. Aber nicht doch. Dabei wäre es gar nicht so schwierig.
Zum grossen Ingrimm der Lebruments hat sich Schawinski die Sendekonzession von ihnen geschnappt, womit dem Clan Millionensubventionen verloren gehen. Dagegen gehen sie mit allen rechtlichen Mitteln vor. Und versuchen zudem, mit Lobbyarbeit und allen Schikanen, den Entscheid rückgängig zu machen.
Als Nebenschauplatz ergab sich, dass Schawinski herausfand, dass Somedia den Namen «Radio Grischa» seit mehr als fünf Jahren nicht mehr verwendet. Also mietete er nicht nur die ehemaligen Senderäume von «Radio Grischa» in Chur, sondern beansprucht auch den Namen. Das tut man beim IGE, bei Institut für geistiges Eigentum. Dort versuchen die Lebruments, mit allen Mitteln diese Entscheidung so lang wie möglich herauszuzögern.
Daneben haben sie auf einem alten AG-Mantel die «Radio Grischa AG» aus der Taufe gehoben, während auch Schawinski eine «Radio Alpin Grischa AG» betreibt. Und gegen diese neue AG der Lebruments reichte Schawinski beim Handelsgericht Zürich Klage ein. Die abgeschmettert wurde.
Was bedeutet, dass beide Streitparteien den Namen «Radio Grischa» verwenden dürfen. Das bedeutet aber nicht, dass der Streit ums Markenrecht beendet oder gar zugunsten von Somedia ausgegangen wäre.
Das könnte man in wenigen Worten zusammenfassen und dem Leser darlegen. Wenn man wollte. Wenn man könnte.
«Somedia gewinnt Markenrechtsstreit mit Schawinski um Radio Grischa», diese Schlagzeile hingegen ist eindeutig Fake News. Das ärgert nicht nur Schawinski. Das muss jeden Leser ärgern, der so aufs Glatteis geführt wird, weil die Redaktionen der Qualitätsmedien einfach einen SDA-Ticker übernehmen, die erweiterte Fassung ignorieren (keine Zeit, keine Lust) und sowieso nicht in der Lage sind, zu beurteilen, was eigentlich ein Markenstreit ist.