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Wenn der Richtige das Falsche schreibt

Chefredaktor Patrik Müller ist ein cleveres Kerlchen. Darf auch er sich mal verhauen?

Die Publizistik von CH Media flutscht skandalfrei über die Runden. Keine Untaten, keine erregten Mitarbeiterinnen, die haltlose anonyme Anschuldigungen in die Welt setzen. Kein ständiges Stühlerücken, kein Erfinden absurder Titel wie bei Ringier. Keine Schwachsinns-Kommentare, die bei Tamedia die Spalten füllen und die Leser quälen. Nicht zuletzt Müllers Verdienst.

Aber jetzt hat er in der auflagestärksten Wochenendzeitung einen rausgehauen, was an ein Zitat vom Philosophen Theodor W. Adorno erinnert: «Es gibt kein richtiges Leben im falschen.» Oder an Bertolt Brecht: «Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist. Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschliesst!»

Müller schreibt: «Die beiden in Europa weitherum verhassten Präsidenten Trump und Netanyahu haben ein wichtiges Ziel erreicht: die Schädigung des iranischen Atomprogramms. Trump und Netanyahu haben das Richtige getan.»

Schlimmer noch: «Es sind Lichtblicke in einer Region, deren Probleme fast unlösbar scheinen.»

Da sind dem Mann aber sein rechtsstaatliches Koordinatensystem und sein moralischer Kompass abhanden gekommen. Amok-Präsident Donald Trump fordert die Entlassung von Journalisten, weil CNN und «New York Times», gestützt auf Geheimdienstanalysen, es gewagt haben, das Ergebnis seiner «wohl erfolgreichsten Militäroperation aller Zeiten» in Frage zu stellen.

Der nur durch sein Amt vor dem Knast geschützte israelische Ministerpräsident ist verantwortlich für Kriegsverbrechen ohne Zahl. Israelische Soldaten schiessen gezielt auf hungernde Palästinenser vor Nahrungsausgabestationen, wie die renommierte Tageszeitung «Ha’aratz», gestützt auf Militärquellen, enthüllt.

Die fast völlige Zerstörung der Infrastruktur im Gazastreifen mit Tausenden von zivilen Toten und die Vertreibung der Bevölkerung, Bombardements im Libanon, Syrien und nun auch im Iran. Ausgelöst durch ein Massaker der fundamentalistischen Wahnsinnigen von der Hamas, begründet durch die irre Rhetorik der Ayatollen in Teheran, die von der Vernichtung Israels faseln.

Gezielte Tötungen, Massenmord an der Zivilbevölkerung, Ausbau illegaler Siedlungen im besetzten Westjordanland, Bombardierungen ohne Kriegserklärung, das alles sind Verbrechen. Kriegsverbrechen. Dass sich Staaten wie der Iran oder der westliche Verbündete Saudi-Arabien ausserhalb der zivilisierten Gemeinschaft befinden, dass Terrorgruppen wie die Hamas oder die Hetzbollah Verbrecherbanden sind, ist unbestritten.

Sie sind Parias – wie die israelische Regierung. Dass Trump ziemlich erfolgreich darin ist, das System der Checks and Balances in den USA auszuhebeln und dabei am helllichten Tag ungenierte Selbstbereicherung für sich und seinen Clan betreibt (alleine durch Insiderwissen bevorstehender Ankündigungen mit Auswirkungen auf die Finanzmärkte), ist ebenfalls eine Tatsache.

Sind das, was beide im Iran tun, wirklich «Lichtblicke»?

Lichtblick bedeutet, dass im dunklen Tunnel der Ausgang erkennbar wird. Es ist unbekannt, welche Auswirkungen dieses völkerrechtswidrige Bombardement auf die Fähigkeit Irans hat, eine Atombombe zu bauen. Es ist sonnenklar, dass es das Regime dazu motiviert, sich so schnell wie möglich eine oder mehrere zu verschaffen. Denn nur das schützt es – wie den Pariastaat Nordkorea – vor einer möglichen Invasion.

Pardon, vor einer «Befreiung» von aussen. Das hat bereits im Fall Iraks prima geklappt. Der Diktator Saddam Hussein (der niemals Massenvernichtungswaffen besass) ist weg, das Land ist im Chaos, wie Libyen.

Es sind die Falschen, die etwas tun. Darin kann man mit Müller übereinstimmen. Aber tun sie das «Richtige»? Das Richtige sollte ein erkennbares Ziel haben.

Da hat Müller erbärmlich wenig zu bieten:

«Die Hoffnung lebt weiter – auch für Frieden in Gaza. Gestärkt und mit verbesserten Umfragewerten könnte Netanyahu den Krieg beenden und den Austritt der Rechtsextremen aus seiner Regierung riskieren.»

Frieden in Gaza als Friedhofsruhe? Richtige Schritte zu einem friedlichen Zusammenleben mit Jordanien, Libanon, Syrien, Ägypten, selbst dem Iran? Mit den überlebenden Palästinensern? In welcher Parallelwelt lebt, denkt und schreibt Müller?

«Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage», so enden Märchen. Hat Müller in seiner Jugend die Erzählungen aus 1001-Nacht zu intensiv studiert? Oder wollte er sich in Dialektik versuchen, was nur was für Könner und nichts für Meiner ist? Hofft er, dass auch böse Buben Gutes tun können?

Beim Betrachten von Bäumen der irrigen Hoffnung schweigt er über so viele Verbrechen, die von diesen beiden «Falschen» verübt werden.Und lobt eines von ihnen.

Da hilft nur noch Friedrich Schiller: «Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie, fortzeugend, immer Böses muss gebären.»

Aber Bildung ist längst nicht mehr eine Kernkompetenz der modernen Journaille im Elendsjournalismus.

 

Die Macht des Unerträglichen

Der Fotograf der wuchtigen Wahrheit ist tot.

Sebastiáo Salgado (1944 – 2025) lebt weiter. Wer einmal seine Schwarzweissgemälde der Goldschürfer in der brasilianischen Goldmine Serra Pelada gesehen hat, bekommt sie nicht mehr aus dem Kopf. So wie diese gequälten Menschen in die Tiefen steigen, um ihr Leben für ein bisschen Überleben zu riskieren, so stieg er in die Abgründe der Welt.

«Arbeiter», «Exodus», «Genesis», das ist zur Zeitlosigkeit geronnene Realität. Langzeitprojekte des Magnum-Fotografen, der schwarzweiss der Wirklichkeit zur Kenntlichkeit verhalf.

Kaum jemand konnte so wie er alle Nuancen zwischen tiefem Schwarz und sehr wenig Weiss so begnadet zu Kunstwerken verdichten, wie es wohl zuvor nur Goya mit seinen «Desastres de la Guerra» (Die Schrecken des Krieges) oder seinen «Pinturas Negras» (14 Schwarze Bilder) vollbrachte.

Die Ästhetik und die vollkommene Komposition der Bilder von Salgado sind nie l’art pour l’art, sondern einfach perfekte Beherrschung des Handwerks, das einem höheren Zweck dienen soll. Jede Aufnahme ist wie eine Axt für das gefrorene Meer in uns.

Während wir von Fotos übersättigt sind, können wir uns an seinen Werken nie sattsehen. Sie sind Beispiele der höchsten Kunst, die immer über sich hinausweist, mehr enthält, als das Bild zu fassen vermag. Im Auge des Betrachters lebendig wird, obwohl es «nur» ein Abbild ist.

Ein reiner Zufall verschaffte ihm das Startkapital für seine jahrelangen monumentalen Erkundungen. 1981 war er dabei, als ein Attentäter auf den damaligen Präsidenten Ronald Reagan schoss. Sein Bild des am Boden überwältigten Schützen ging um die Welt. Dabei hatte er den Auftrag nur widerwillig angenommen, die Darstellung der ersten hundert Tage des Präsidenten interessierte ihn eigentlich nicht.

Seine Bilder von den durch Saddam Husseins Soldaten in Brand gesetzten Ölquellen in Kuwait gaben mit anderen Mitteln als denjenigen von Hieronymus Bosch eine Ahnung von Endzeitlichkeit, von einer Hölle auf Erden.

Als wollte er einen Gegenpol dazu schaffen, arbeitete er von 2004 bis 2013 an seinen letzten grossen Projekten «Genesis» und «Amazônia». Zurück zum Ursprung, zur unberührten Natur, wo sie noch zu finden ist. Hier zeigt er, dass man mit Schwarzweiss bunte Vielfalt und Schönheit einfangen kann, wie es einer Farbfotografie nie gelänge.

Wer durch seine Bildlandschaften wandelt, ist sich nicht mehr sicher, ob die Welt wirklich farbig ist oder in Wirklichkeit so, wie er sie einfing. Aus der Distanz der Einfarbigkeit entsteht Nähe, welch eine meisterhafte Kunst.

Salgado war ein Mann mit einer Mission. Ein Verzweifelter auch, der zu viel gesehen hatte, aber niemals die Augen schliessen konnte. Jedes seiner Werke vor «Genesis» ruft: schau hin, schau dir das genau an. Wie kannst du das nur aushalten? Wie halten es die Menschen aus, denen er in all ihrer Verzweiflung Würde verlieh. Deren Abbilder sie überdauern, wo sie doch schon längst ins Grab gesunken sind.

Der Brasilianer Salgado war selbst ein Entwurzelter, er wuchs auf der Fazenda seiner Eltern auf, studierte Wirtschaftswissenschaft an der Universität von Sao Paulo. Als in Brasilien eine Militärdiktatur die Macht übernahm, emigrierte er nach Paris, das bis zu seinem Tod sein Hauptwohnsitz bleiben sollte.

Seine Sprache sei das Licht, sagte er, und er meinte, dass er Licht in all die dunklen Gebiete der Erde werfen könnte, wo die Elenden, die Geschundenen und die Verdammten sich an ihr kümmerliches Leben klammern.

Auch er konnte die Welt nicht verändern, aber konnte unbestechlich und mit Mitgefühl uns zeigen, wovor wir lieber die Augen verschliessen. Schwarzweiss gab ihm selbst die Möglichkeit, das zu ertragen, was eigentlich unerträglich ist. Nachdem er das über Jahrzehnte getan hatte, suchte er mit seinem Projekt «Genesis» einen Ausgleich dazu. Auch wenn es klar ist, dass er gefährdete Paradiese fotografiert, ihnen ein Denkmal setzt, für all die Zeiten, wenn sie nicht mehr existieren.

Vielleicht noch der Kriegsreporter James Nachtwey vermag mit seinen Fotos uns so zu berühren, wie es Salgado konnte. Die Frage, wie hat er das nur gemacht, ist einfach zu beantworten. Er ist hingegangen, hat sich ausgesetzt, mitgelebt, mitgelitten, bis er in seine Seele aufgenommen hatte, was diejenigen erleiden, die er dann fotografiert. Als wär’s ein Teil von ihm selbst.

Und der Rest entsteht, wenn ein Genie am Werk ist.

Glücklicherweise hat sich der Taschen Verlag entschieden, seinen monumentalen Bildern in monumentalen Büchern Raum zu geben. Mindestens ein Band gehört in jede anständige Bibliothek.

Die Trauer über seinen Tod wird gemildert durch das Wissen, dass es ihm vergönnt war, seinen weltumspannenden Bogen abzuschreiten und am Schluss vielleicht sogar so etwas wie Erlösung zu finden. Das tröstet auch uns. Und solange Menschen sehen können, werden sie seine Werke begleiten. Mit der Macht des Unerträglichen.

Alles ist entweder gut oder böse!

Von guten Kriegen, guten Diktatoren und dem Gegenteil

Von Felix Abt

«Nice»: Saddams vom Westen unterstützte gute Iran-Invasion versus Putins böse, blutrünstige Ukraine-Invasion (interpretiert vom “Economist”, einem meinungsführenden Magazin im Westen)

Als Saddam Hussein, Iraks Präsident, den Iran am 22. September 1980 überfiel, war er ein guter Diktator. Seine Invasion des Nachbarlandes wurde von Amerika und seinen westlichen Satelliten nicht nur gutgeheissen, sondern auch massiv unterstützt. Im Unterschied zum weltlichen Irak wurde der Iran nämlich von bösartigen islamischen Geistlichen angeführt. Diese hatten das Verbrechen begangen, sich an die Spitze einer Volksbewegung zu setzen, welche den von den Amerikanern und Briten an die Macht geputschten, bei den Iranern aber äusserst verhassten Schah Reza Pahlavi stürzte. In den Augen der amerikanischen und britischen Regierungen war Pahlavi aber ein guter Diktator. Den von ihnen aus dem Amt gejagte Vorgänger Mossadegh, ein demokratisch gewählter Präsident, betrachteten sie dagegen als sehr boese, weil er die Interessen seines eigenen Landes verteidigte. Saddams guter, 8-jährige Krieg gegen den bösen Iran war die verdiente Strafe für die Missetat der aufständischen iranischen Geistlichen.
Selbst der Einsatz von Chemiewaffen mit furchbaren Folgen gegen den Iran überschritt keine «rote amerikanische Linie», denn Saddam war damals ein Guter, im Unterschied etwa zu Syriens bösem Diktator Assad, der von Amerika wegen einem angeblichen Chemiewaffeneinsatz massiv bombardiert wurde.
Anders als die iranischen Theokraten, waren die afghanischen Taliban während vieler Jahren Gotteskrieger, die dem Namen entsprechend Gutes taten: Dank massiver amerikanischer Aufrüstung haben sie das «Reich des Bösen” (gemäss dem amerikanischen Präsidenten Reagan), d.h. die Sowjetunion, in Afghanistan besiegt. Dass sie dabei auch den afghanischen Präsidenten, der für ein Mehrparteiensystem eintrat und im ganzen Land Schulen für Mädchen baute, stürzten und ermordeten, hatte die Regierenden und die Medienschaffenden im Westen nicht gestört. Er war ja ein Böser, weil er die materielle Unterstützung des “Reichs des Bösen” nicht ausschlug.
Das Blatt wendete sich für die ehemals guten Taliban nach dem 9/11 Terroranschlag, weil Washington sie deswegen als verantwortlich und bösartig verurteilte, obwohl sie selbst nicht in den Terroranschlag involviert waren und der U.S. Regierung sogar anerboten, al-Qaeda Terroristen, die sich in Afghanistan aufhielten, auszuliefern. Die amerikanische Regierung und ihre westlichen Helfer nahm das Angebot nicht an und zog es vor, wegen den nun sehr bösen Taliban eine unzweifelhaft gute, wenn auch völkerrechtswidrige NATO-Invasion in Afghanistan durchzuführen.
Auch der ehemals gute Diktator Saddam staunte nicht schlecht, als er gewissermanssen über Nacht zu einem sehr bösen Diktator wurde. Vielleicht übersah er, dass seine Absicht, Öl in anderen Währungen als der amerikanischen Monopolwährung zu verkaufen, äusserst abscheulich war. Nach dem 9/11 Terroranschlag bezichtigten ihn die amerikanischen Geheimdienste, ein geheimes Programm zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen zu betreiben. Die Anschuldigungen entpuppten sich als dreiste Lügen, die Amerika und seine Vasallen (auch “Koalition der Willigen” genannt) zum Vorwand nahmen, eine gute, obschon völkerrechtswidrige Invasion des Iraks auszuführen, um einen jetzt bösen Diktator loszuwerden.
Kriege einschliesslich Stellvertreterkriege sind nicht per se böse; sie können durchaus sehr gut und nützlich sein. Das gilt jedefalls immer, wenn sie vom Westen geführt oder unterstützt werden, wofür Washington und seine Alliierten ja auch stets gute Gründe ins Feld führen. Seit 2015 führt beispielsweise das gute Saudi Arabien gegen seinen regionalen Rivalen Iran (immer noch sehr böse!) einen guten, obwohl sehr schmutzigen Stellvertreterkrieg im Nachbarland Yemen. Saudi Arabien, welches wesentlich weniger demokratisch und viel menschenverachtender ist als der Iran, ist von den USA, Grossbritannien und Frankreich massiv aufgerüstet worden. Gemäss UNO handelt es sich bei diesem Krieg um die grösste humanitäre Katastrophe dieses Jahrhunderts, welche schon hundertausende von Opfern forderte und 20 der 30 Millionen yemenitischen Einwohner hungern im vom Krieg verwüsteten Land. Hätte es der Westen so gewollt, hätte es diesen Krieg gar nie gegeben oder wäre er mit einem Federstrich schon längst beendet worden, denn das gute Saudi Regime könnte keine zwei Wochen lang ohne amerikanische Unterstützung überleben, wie es der damalige amerikanische Präsident Trump seinen Gastgebern in Saudi Arabien auf die ihm eigene, sehr direkte Weise mitteilte. Weil die Menschen in Yemen das Pech haben, keine guten Ukrainer zu sein und sie einem guten, vom freiheitlich-demokratischen Westen angetriebenen Krieg ausgesetzt sind, berichten westliche Medien kaum über das Massaker. Solidaritatsbekundungen von Politikern und Prominenten bleiben ihnen vergönnt, aber Sanktionen gegen die Urheber und Unterstützer dieses guten Krieges, welcher viel mehr Menschenleben fordert als Russlands böser Ukrainekrieg, werden keine gefordert.

Natürlich waren die USA schon immer für gute, offene Invasionen und Kriege wie z.B. in Vietnam und gute, verdeckte, wie z.B. in Ostafrika, unabhängig davon, wieviele Millionen unschuldiger Menschen dabei ums Leben kamen. Der amerikanische Krieg, wie die Vietnamesen den Vietnam-Krieg nennen, kostete allein mindestens drei Millionen Vietnamesen das Leben.
Angetrieben von einer unheimlich riesigen, unzähmbaren Kriegsindustrie werden sie wohl nie aufhören, die ganze Welt mit ihren grossartigen “Werten” beglücken zu wollen. Propaganda- und Wirtschaftskriege, Subversion und geheime Operationen sowie offene Gewaltanwendung sind die guten Instrumente des amerikanischen Establishments, um auf der ganzen Welt Gutes zu erreichen. Auf alle Fälle haben diese Bemühungen amerikanischen Konzernen – nicht nur den Waffen produzierenden – meist nur gute Ergebnisse beschert.
Selbstverständlich gab es auch schon immer gute und böse Diktaturen nach dem Zweiten Weltkrieg, selbst in Europa. Den guten wurde unter die Arme gegriffen, die bösen wurden bekämpft. Die früheren Diktaturen in Portugal, Spanien und Griechenland, welche von deren Bürgern als brutal und blutrünstig wahrgenommen wurden, genossen Unterstützung und Sympathie bei demokratischen, westlichen Regierungen, weil sie gut waren und ein Bollwerk gegen das “Reich des Bösen” darstellten. Dann gab es natürlich auch die bösen Diktaturen, vor allem im Osten Europas, wie zur Zeit gerade jene von Russland, welches von Wladimir dem Schrecklichen geknechtet wird. Im letzteren Fall kommt hinzu, dass Putins Russland eigene, von den USA unabhängige Interessen vertritt, was von Washington als echt böse und und deshalb als bekämpfenswert empfunden wird.

Es gibt auch gute und böse Unabhängigkeitsbestrebungen

Nicht nur die Separatisten in Tibet oder in Chinas Xinjiang-Provinz, sondern auch die gloriosen Unabhängigkeitskämpfer auf Taiwan, einer auch von den USA und dem übrigen Westen anerkannten chinesischen Provinz, werden vom Westen in jeder erdenklichen Weise unterstützt. Es handelt sich hier halt um die guten Chinesen auf der Insel, die von den bösen Chinesen auf dem Festland bedroht werden und deshalb am besten in einem weiteren, idealerweise vom Westen provozierten guten Krieg unterstützt werden sollten.

Russland umzingeln? Das ist, unter anderem mit fünf Runden NATO-Osterweiterungen, schon längst geschehen. Jetzt geht’s darum, China zu umzingeln, und wenn möglich einen neuen guten Krieg zu provozieren. Die nächste «kubanische Raketenkrise» ist bereits im Entstehen, aber dieses Mal ganz schnell und grob: Die USA wollen 27,4 Milliarden Dollar ausgeben, um China mit Raketen entlang der «ersten Inselkette» einschließlich Taiwan einzukreisen.

Der Westen und das U.S.-geführte NATO-Bündnis unterstützte auch eine andere, gute Abspaltung, naemlich jene des Kosovo von Serbien, mit einem einzigartig guten Krieg, den sie sogar als “humanitär” bezeichneten. Die territoriale Integrität Jugoslawiens, deren Rechtsnachfolgerin Serbien ist, wurde zwar von einer UNO-Resolution garantiert, aber die ansonsten gute, von den USA so hochgelobte und von ihr selbst massgeblich geprägte rechtsstaatliche internationale Ordnung war in diesem Fall eher etwas hinderlich und deshalb etwas böse. Es is klar, dass die Serben keine Chorknaben waren und auch nicht vor Gräueltaten zurückschreckten. Aber der Westen verhielt sich nicht nur völkerrechtswidrig, sondern auch kriegsverbrecherisch: NATO-Flugzeuge bombardierten Infrastrukturen, Schulen, Spitäler und sogar die Botschaft Chinas, welches sich der Abspaltung widersetzte. Dafür mussten drei chinesische Diplomaten mit dem Leben büssen.
Neben den guten Unabhängigkeitbewegungen in Serbien, China und anderswo gibt es auch die bösartigen: Die 2014 von russischsprachigen, ukrainischen Separatisten gegründeten Volksrepubliken Luhans und Donezk in der Ostukraine gelten als besonders bösartig und müssen deshalb mit schwerstem NATO-Kriegsgerät bekämpft und notfalls ausgerottet werden, weil sie vom abscheulichen Putin 2022 anerkannt wurden. Der vom Westen massiv unterstützte, gegen diese bösen ukrainischen Spaltpilze geführte Krieg Kievs wütet allerdings schon seit 2014 und forderte Zehntausende Todesopfer. Es überrascht aber nicht, dass in den westlichen Mainstreammedien dieser gute, inoffizielle Krieg gegen die Separatisten und die von Kiev begangenen Kriegsgräuel nicht stattgefunden haben. Die Möglichkeit, dass der Ukrainekrieg in Wirklichkeit nicht im Februar 2022, sondern schon 2014 von Kiev und den dahinterstehenden westlichen Mächten begonnen worden wäre, weisen die guten westlichen Strippenzieher natürlich weit von sich.

Schauen wir kurz zurück, wie amerikanische und andere westliche Medien die Ukraine vor dem Konflikt dargestellt haben. (Screenshot Felix Abt)

2014, also lange bevor Volodomyr Selensky, der im Westen als Held verehrte Präsident der Ukraine wurde, erklärte er: “Im Osten und auf der Krim wollen die Leute russisch reden. Lasst sie in Ruhe, lasst sie einfach in Ruhe. Geben sie ihnen das legale Recht, russisch zu sprechen. Die Sprache sollte nie unser Land auseinander dividieren. … Wir sind von der selben Farbe, vom selben Blut, unabhängig von der Sprache.”
Seither wurden in der Ukraine neue Gesetze zur Diskriminierung von russischsprachigen Ukrainern verabschiedet. Darüber hinaus zensierte Selensky russisch-ukrainische Journalisten und verbot alle Oppositionsparteien, von denen die meisten die russischsprachigen Ukrainer vertraten. Offenbar waren das alles gute Massnahmen, denn sie störten niemanden im Westen, wo Selensky als Verteidiger von Demokratie und Meinungsfreiheit gefeiert wird.

Der amerikanische Präsident und Oberbefehlshaber vor seinen Truppen in Polen: Amerikas “Organisationsprinzip” soll nicht nur in der Ukraine, sondern auch weltweit, unter anderem mit Waffengewalt, durchgesetzt werden.

Fortsetzung folgt.