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Schreiben über sich selbst

Sebastian Briellmann treibt das in der NZZ sehr weit.

Kaum von der «Basler Zeitung» in die Inlandredaktion der NZZ eingewechselt, haut Briellmann schon einen raus, dass die Wände wackeln:

«Der überforderte Bürger: 1,7 Millionen erwachsene Schweizer können kaum lesen oder rechnen», titelt er anklägerisch. Und fragt bang: «Was sagt das über das Land aus?» Die Schweiz, ein Land von funktionalen Analphabeten mit versagendem Schulsystem, die ständig beim Bezahlen übers Ohr gehauen werden?

Das ist eine Interpretationsmöglichkeit. Oder aber, es handelt sich um einen einzigen Redaktor, der nicht mal in der Lage ist, die Resultate einer Untersuchung richtig einzuordnen. Und das in einem Blatt, das Analyse und Einordnung als seine Kernkompetenz sieht. Aber vielleicht sind halt zehn Tage seit Start etwas zu wenig, damit sich Briellmann gleich aufs Niveau der alten Tante hochschwingen kann.

Den Einstieg nudelt er nach Methode 08/15 runter ein, zwei konkrete Beispiele für die Leseschwäche. Dann der Aufschwung ins Allgemeine: in der Studie «Pisa für Erwachsene» der OECD kam heraus: «Jeder Zehnte zwischen 16 und 65 in der Schweiz versteht» eine einfache schriftliche Aufforderung nicht, dazu kommt: «Weitere 20 Prozent sind dazu zwar in der Lage, verstehen aber nicht mehr als simple Botschaften, etwa auf einer Liste.»

Nicht besser stehe es bei den «Fähigkeiten in Alltagsmathematik und der Problemlösung». Schrecklich: «Insgesamt hat fast ein Drittel in mindestens einem der Bereiche «geringe Kompetenzen». Das sind 1,67 Millionen Menschen in diesem Land.»

Briellmanns Schlussfolgerung: «der überforderte Bürger». ZACKBUMs Schlussfolgerung: der überforderte Journalist. Lesen und schreiben kann er offensichtlich, aber verstehen? Briellmann fügt noch hinzu, dass sich die Verfasser der Studie «einigermassen konsterniert» zeigten: «Die Ergebnisse hätten sich in den letzten zehn Jahren, als diese Studie letztmals gemacht worden sei, verschlechtert.»

Der überforderte Bürger? So ganz nebenbei weist Briellmann auf eine mögliche Ursache des Problems hin: «Es zeigt sich beispielsweise, dass die Schweiz als beliebtes Einwanderungsland auch Folgen dieser Migration spürt.»

Vielleicht ein wenig Alltagsmathematik für Anfänger: Der Ausländeranteil in der Schweiz betrug Ende 2023 2,4 Millionen oder 27 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung. 2014 waren es noch 1,95 Millionen … davon sind rund 200’000 Flüchtlinge.

Könnte es vielleicht sein, dass ein nicht unbedeutender Prozentsatz der «überforderten Bürger» aus Weltgegenden stammt, wo man weder in der Fremdsprache Deutsch, noch in der eigenen Sprache bewandert ist? Und wo auch einfache Mathematik oder Problemlösen keine Kernkompetenzen sind?

Oder ist es inzwischen auch bei der NZZ erlaubt, primitiven Thesenjournalismus zu betreiben, wo man im Titel mal einen raushaut und dann im Text versucht, dem nachzurennen?

ZACKBUM hofft, dass Briellmann so die Probezeit, sollte eine vereinbart worden sein, überlebt. Dabei würde sicherlich helfen, wenn er mal nachrechnen täte, wie hoch der Prozentsatz von ausländischen überforderten Problembürgern ist, und wie hoch da wiederum der Prozentsatz von geflüchteten Bürgern. Gerne auch aufgeschlüsselt nach Herkunftsland und Geschlecht. Wenn das nicht zu viel Mühe macht oder seine Fähigkeiten übersteigt …

 

Eine Story und ihre Geschichte

Beginn einer neuen Rubrik. Hier werden Artikel obduziert, um ihre Todesursache zu finden. Heute die «SonntagsZeitung».

Beginnen wir die Leichenfledderei mit einem unserer Lieblingsorgane. Dort von einem unserer Lieblingsautoren geschrieben. Immerhin der Wirtschaftschef und somit Publizist in einer Latte von Kopfblättern, meldet sich am Sonntag zu Wort: «Schweiz verliert durch Steuerflucht 5,7 Milliarden pro Jahr».

Damit betritt Peter Burkhardt natürlich Neuland; die Schweiz ist also nicht mehr eine Steueroase, wo viele Reiche ihr Geld in Sicherheit bringen, statt ihren sozialen Verpflichtungen an ihrem Steuersitz nachzugehen? Erschütternd.

Rund 75’000 zusätzliche Krankenpfleger könnte sich die Schweiz von diesem Geld leisten, was ja auch dringend nötig wäre, um die Folgen einer völlig verfehlten Personalpolitik zu korrigieren.

Hat Burkhardt irgendwas selbst gemacht?

Ist denn Burkhardt aufgrund seiner tiefschürfenden Recherchen auf diese Zahlen gestossen? Aber nein, dazu hat heute ein Wirtschaftschef doch keine Zeit mehr. Er muss seine kleiner und kleiner werdende Work Force verteilen, sonstigen administrativen Kram erledigen und immer wieder Optimismus ausstrahlen, dass auch mit weniger Resourcen in jeder Form immer bessere Ergebnisse erzielt werden könnten, der Leser überhaupt nicht merke, wie man auf dem Zahnfleisch geht.

Daher hat er die Zahl der 75’000 Pflegekräfte wie auch die 5,7 Milliarden – wie man weiter unten erfährt, handelt es sich um Dollar – vom Tax Justice Network (TJN). Das hört sich zunächst mal ziemlich amtlich an; Netzwerk für Steuergerechtigkeit. Welchem Regierungs- oder Uno-Departement ist das TJN angeschlossen?

Schön, aber wer kontrolliert die Kontrolleure?

Keinem. Es ist eine private Non-Profit-Organisation mit Hauptsitz in London. Rund 20 Nasen arbeiten hier und basteln Jahr für Jahr Berichte, «The State of Tax Justice». Ranglisten, Indizes wie der «Schattenfinanzindex» liefern zusätzliche Munition für alle Bekämpfer von Steuerhinterziehung oder Steuervermeidung.

Wie berechnet TJN diese exakten Zahlen?

Wie kommt TJN nun auf diese Zahl? Eigene, umfangreiche Recherchen? Nun ja, TJN stützt sich auf Zahlen der OECD. Das ist nun aber irgendwie amtlich? Aber nein, das ist einfach ein Zusammenschluss von 37 gewichtigen Ländern. China, Russland, Indien oder Brasilien sind zum Beispiel nicht Mitglied in diesem exklusiven Club, der in einem ausnehmend hübschen Schlösschen bei Paris residiert.

Hier lässt sich’s leben wie Gott in Frankreich.

Bei der OECD gibt es die Financial Action Task Force (FATF), die sogenannte Standards für die Bekämpfung von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung setzt. Ist FATF wenigstens …? Aber nein, das ist eine Organisation, die von den G7 ins Leben gerufen wurde, was wiederum, aber das würde nun zu weit führen.

Also zurück zu TJN. Das Netzwerk stützt sich also auf Zahlen der OECD, die wiederum Kriterien benutzt, die von FATF gesetzt werden. Daraus ergibt sich, dass Unternehmen jährlich mit 881 Millionen Dollar die Flucht antreten, Private sogar mit 4,8 Milliarden.

Sind die Zahlen verlässlich und belastbar?

Damit entgingen der Schweiz 4 Prozent des jährlichen Steueraufkommens, Niederlande, Luxemburg und die USA seien die Profiteure. Auf der anderen Seite gewinne die Schweiz, immer aufgrund des TJN-Berichts, durch hierher Flüchtende zusätzlicher Steuereinnahmen von 12,85 Milliarden Dollar. Also unter dem Strich profitiere die Schweiz.

Sind die Fakten und Zahlen verlässlich, mit denen das errechnet wird? Wie soll das zum Beispiel bei privaten Steuervermeidern genau gehen? Unterscheidet das TJN zwischen völlig legaler Steueroptimierung und strafbarer Steuerhinterziehung? Mit solchen Kleinigkeiten kann sich doch ein Wirtschaftschef nicht aufhalten.

Er brauchte sowieso schon einige Zeit, um seinen Lesern diesen Bericht zu präsentieren. Denn der wurde im November 2020 publiziert. Aber am 14. März 2021 ist das sicher immer noch aktuell, denkt sich Burkhardt.