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Reporter in Lebensgefahr

Wenn man nur zwei Schlachtfelder für Reporter erwähnt, wirkt das Diskriminierungs-Gejammer in der Schweiz noch lächerlicher.

Das Sinaloa-Kartell beherrscht ganze Landstriche in Mexiko. Die Staatsgewalt hat weitgehend abgedankt, wo die Drogen-Organisationen ungestört ihrem Geschäft nachgehen wollen. Mit dem Schmuggel in die USA Milliarden zu verdienen, mit denen alle Vertreter der Staatsmacht geschmiert werden – oder umgebracht.

Wer starke Nerven hat, lese die fiktionalisierte, aber auf wahren Begebenheiten beruhende Drogenkriegs-Trilogie von Don Winslow, die er 2019 abschloss. Immerhin: er lebt noch.

Javier Valdez Cárdenas war der unerschrockene Berichterstatter über die Drogengangster. Er wurde 2017 auf dem Weg zur Redaktion aus seinem Auto gezerrt und mit 12 Kugeln hingerichtet. Als einer von mehreren Dutzend Journalisten in Mexiko, die ihren Beruf mit dem Leben bezahlten.

Nach dem Lesen seiner Reportagen wollte ich ihn porträtieren. Es wurde ein Nachruf.

 

Nicht die Wahrheit, aber die Wiedergabe der Realität stirbt zuerst

Immer, wenn ein Regime ums Überleben kämpft, will es Berichterstattung sterben lassen. Zurzeit in Burma. Dort klammert sich die Militärjunta an die Macht, aus Angst vor Verlust putschte es sich wieder direkt an die Spitze, weil es in Wahlen eine vernichtende Niederlage erlitten hatte. Was bei den völlig von der burmesischen Realität abgekapselten Militärführern als Unverschämtheit der Bevölkerung ankam, die wieder eine harte Hand braucht.

Aber zur grossen Überraschung der Militärs formierte sich Widerstand, und der lässt sich bis heute nicht brechen, auch mit bewaffnetem Durchgreifen nicht. Wenn Menschen erschossen werden, wenn die Staatsorgane brutal vorgehen, gibt das für die Herrschenden unangenehme Bilder, Videos und Berichte.

Während man das früher auch mit der Ausweisung ausländischer Berichterstatter zumindest eindämmen konnte, gibt es in Burma sogenannte «Citizen Journalists». Diese Bürgerreporter sind in nichts vergleichbar mit dem sogenannten «Leserreporter» in der Schweiz. Der soll einfach Ereignisse melden, die von den ausgehungerten Redaktionen nicht mehr selbst berichtet werden können.

Der Bürgerjournalist wie in Burma versucht, mit authentischem Material die Propaganda des Regimes mit der Wirklichkeit zu widerlegen. Die «New York Times» – fast wäre man versucht zu sagen: who else – widmet diesen Bürgerreportern eine beeindruckende Reportage.

Rund 60 Journalisten verhaftet, es wird scharf geschossen

Seitdem rund 60 Journalisten verhaftet wurden, berichten nun Freiwillige und riskieren dafür ihr Leben. Das Regime reagiert darauf, indem es auch auf so identifizierte Journalisten scharf schiesst – und indem es versucht, den Zugang zu Kommunikationsmitteln zu verhindern. Handynetz, Internet, alle Formen der Daten- und Nachrichtenübermittlung werden unterbrochen, eingestellt, zensuriert.

Aber da heute selbst ein auf Isolation getrimmtes Regime wie das von Burma nicht auf diese Kommunikationskanäle verzichten kann, finden doch immer wieder Bilder und News den Weg ins Ausland, an die Weltöffentlichkeit. Der aber dieser ungleiche Kampf der Bevölkerung gegen ein hochgerüstetes Militär weitgehend egal ist. Solange Russland und vor allem China das Regime unterstützen, wird sich die Militärjunta wohl an der Macht halten können, so wie Kim der Dickere in Nordkorea.

Das ist ein Skandal. Dort, in Mexiko und an so vielen unwirtlichen Orten der Welt riskieren Journalisten täglich ihr Leben. Hier in der Schweiz betreiben Journalisten zunehmend Nabelschau und klopfen sich täglich ab, welche Phantomschmerzen noch unentdeckt blieben und welche Leiden noch nicht wortreich bejammert wurden.