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Klatsch, Klatsch, Klatsch

Ein ernstes Thema, dessen sich die NZZ annimmt.

««Prinz William: Schock zum 38. Geburtstag: Wird er seine Lieben nie wiedersehen?», fragte «Das Neue» vor drei Jahren auf der Titelseite. Was war passiert? Die Antwort ist ebenso banal wie enttäuschend, sofern man ein echtes Drama erwartet hatte: Prinz William muss Brille tragen, zumindest manchmal.»

Ist das grenzwertig, gaga, unverkäuflich? Zumindest Letzteres nicht. Die NZZ konstatiert: «Insgesamt bringt es die Klatschpresse in Deutschland Woche für Woche auf rund drei Millionen Hefte und Magazine – das ist mehr als «Der Spiegel», «Die Zeit», «Focus» und «Stern» zusammen.»

«Haarscharf an Fake News vorbei», so nennt das ein Kenner der Klatschpresse. Und die NZZ versucht, das Ganze auf eine intellektuell höhere Ebene zu hieven: «Klatsch ist ein sozialer Akt. Er zeigt auf, welches Verhalten erwünscht ist, welches geächtet, wer wo steht in der Gesellschaft. Die Reichen, Schönen und Mächtigen müssen als Korrektiv herhalten.»

Dann kommt noch – unvermeidlich – das «Schumacher-«Interview». Die «Aktuelle» machte das Unmögliche möglich: «Michael Schumacher: das erste Interview!». Dem Kleingedruckten konnte der Leser dann entnehmen, dass die Antworten von einer KI stammten. Das gab dann ein Riesengebrüll, der Herausgeber entschuldigte sich zerknirscht, die Chefredaktorin wurde entlassen.

Dabei war die Idee gar nicht schlecht; die Antworten von Schumacher waren wahrscheinlich intelligenter als die, die er selbst gegeben hätte, wäre er dazu in der Lage gewesen.

Eine Liga für sich sind auch andere erfundene Interview, zum Beispiel eine ganze Serie mit dem Hollywood-Star Sandra Bullock. 50’000 Euro Strafe kosteten die gefakten Interviews, tragbar angesichts der Auflagen in den Hunderttausenden.

Auch in der Schweiz fielen schon Redaktionen auf die Fake-Interviews von Tom Kummer herein, der dieses Genre zu einer eigentlichen Kunstform entwickelte. Was ihm im Übrigen nicht wirklich schadete. Er wurde immer mal wieder in Schimpf und Schande vom Hof gejagt – um dann doch wieder aufzutauchen, inzwischen in der zweiten Ehrenrunde in der «Weltwoche». Bis er auch dort zum dritten Mal rausfliegen wird, um zum vierten Mal irgendwo aufzutauchen.

Denn das Phänomen von solchen gefälschten Klatsch-Storys ist immer mehr: wodurch genau unterscheiden sie sich beispielsweise von der Kriegsberichterstattung aus der Ukraine? Auch hier verschwimmt doch Lüge und Wahrheit immer mehr. Ist nun Bachmut von russischen Truppen zurückerobert? Ist die ukrainische Offensive gestartet? Haben die USA, hat Russland selbst, hat die Ukraine die Pipeline North Stream in die Luft gejagt? Man weiss nichts Genaues.

Hat sich nun König Charles III. bereits von seiner Camilla getrennt oder hängt nur der Haussegen schief? Wen interessiert’s eigentlich, ob das wahr oder erfunden ist? Solange die Story gut erzählt ist und ans Herz geht, eigentlich niemanden.

Diesen naheliegenden Schritt von der Analyse der deutschen Klatschheftchen zur Analyse der sogenannten Qualitätsmedien tut die NZZ leider nicht. Dabei würde es genau hier wirklich interessant werden. Dass es in der Schweiz mit der «GlücksPost» und der «Schweizer Illustrierten» zwei vergleichsweise seriöse Klatschheftchen gibt, dieser Hinweis hilft auch nicht weiter. Beide dümpeln bei je 100’000 verkauften Exemplaren herum, weit entfernt von glorreichen Zeiten, also die SI noch bei über 300’000 lag. Das heisst also, dass hier nicht in erster Linie seriöser gearbeitet wird, weil Klatschgeschichten à la «das erste Interview mit Tina Turner aus dem Jenseits» nicht erscheinen. Sondern dass die Schweizermacher nicht so gut wie ihre deutschen Kollegen sind, nicht nur Grenzbereiche der Wahrheit auszuloten, sondern auch ans Herz gehende Geschichten zu verkaufen.

Das gilt auch für den «Blick», der ja nur ein glattgefönter, enteierter, verweiblichter Abklatsch einer «Bild»-Zeitung ist. Tamedia ist nicht einmal der «Süddeutschen» gewachsen, von der «Welt» ganz zu schweigen. Nur die NZZ, das muss man ihr lassen, wird immer mehr zur ernstzunehmenden Konkurrenz der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», die nach dem viel zu frühen Tod ihres Mitherausgebers Frank Schirrmacher schwer an Niveau verloren hat.

Wie man’s auch dreht und wendet, eine saftige Story wie die über unseren Bundesrat auf Abwegen mit Orientierungsproblemen beim Pilotieren, das hätten sich deutsche Blätter nicht entgehen lassen. Was stattdessen in der Schweiz erschien, reichte nicht mal für den überfälligen Rücktritt.

Bildcollagen: Screenshots NZZ.

 

Die NZZ in Klatschlaune

Wie viel Gossip verträgt sich mit einem gewissen Niveau?

«… sich gegenüber weiblichen Angestellten unangebracht zu verhalten, … gemäss Recherchen der NZZ, … laut Quellen der NZZ fühlten sich Betroffene belästigt …»

Die Zeiten sind noch nicht so lange her, wo bei der NZZ ein solches Stück mit zugehaltener Nase und spitzen Fingern im Abfalleimer gelandet wäre. Zu sehr Trash, zu sehr Unterleib, so unprofessionell, mit angeblichen Recherchen und angeblichen «Quellen» zu arbeiten.

Vor allem: «Von justiziablen Vorwürfen ist bis jetzt nichts bekannt, für Dorer gilt die Unschuldsvermutung.» Lucien Scherrer mausert sich immer mehr  zu einem Spezialisten für Klatsch und Tratsch und unbewiesene Behauptungen. Er tat das schon im Fall Canonica und behauptete auch dort, sich auf anonyme «Quellen» stützen zu können.

Anschliessend machte er eine Kehrtwende und haute die Medien in die Pfanne, die sich durch das Verbreiten von Lügengeschichten um ihre Glaubwürdigkeit gebracht hätten. Ohne ein selbstkritisches Wort zu verlieren. Dafür sprachen aber er und seine Co-Autorin Finn Canonica kurzerhand per Ferndiagnose die «charakterliche Eignung» für Führungspositionen ab und behaupteten, dass Roger Schawinski den ehemaligen «Magazin»-Chefredaktor «reinwaschen» wolle, obwohl der lediglich aus dem Inhalt des Untersuchungsberichts zitiert hatte.

Was das über seine eigene charakterliche Eignung aussagt, sei dahingestellt. Natürlich macht es aus Scherrers Sicht Spass, auf die Turbulenzen im Ringier-Verlag hinzuweisen; Marc Walder, Werner de Schepper, nun auch Christian Dorer, da ist Schadenfreude eine menschliche Regung.

An Zivilcourage gebricht es Scherrer hingegen sehr. Denn auch in seinem eigenen Hause gäbe es doch durchaus Anlass, mal ein paar kritische Bemerkungen über das Verhalten der Führungsspitze fallen zu lassen. Stichwort Claudia Schwartz. Scherrer könnte sich da gerne bei ZACKBUM bedienen, denn wir betreiben hier keinen Konzernjournalismus, sondern verteilen gerecht (wenig) Lob und (viel) Tadel an alle Seiten, je nach Verdienst.

Wieso es allerdings neuerdings im Feuilleton der NZZ einige Zeilen wert sein soll, Klatsch und Tratsch aus dem Hause Ringier zu verbreiten? Gerade das Feuilleton reifte noch unter René Scheu zu FAZ-ähnlicher Grösse. Nun ist es aber teilweise im Branchensumpf abgetaucht, wo gilt, dass Journalisten sich für nichts mehr interessieren als für andere Journalisten.

Es gibt nur noch ein Thema, das sie allenfalls noch mehr begeistern kann: der Blick auf den eigenen Bauchnabel. Vielleicht sollte die Führungsspitze der NZZ, in der Zeit, die sie ausserhalb eines österreichischen Wellness-Hotels verbringt, dafür sorgen, dass der Unterschied zu «Glückspost» oder «Bunte» erkennbar bleibt.