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Nazis keulen

Eine einäugige Verrohung in den Medien.

Auch in der Schweiz versuchen politische Querschläger immer mal wieder, die SVP in die braune Ecke zu stellen. Nimmt eine Jungfunktionärin an einer öffentlichen Veranstaltung teil, wird das tatsachenwidrig zum «Geheimtreffen» umgelogen. Natürlich hagelt es bei jeder Begegnung mit rechten Personen sofort Forderungen nach Distanzierung, wird der SVP unterstellt, sie kokettiere mit angebräunten Rechtsradikalen.

Wenn sich hingegen in der Juso eine kommunistische Zelle bildet, die gerne im leninschen Sinne eine Kaderpartei gründen möchte, um damit ebenfalls im leninschen Sinne die Revolution in der Schweiz und die Machtergreifung des Proletariats vorzubereiten, ist das zwar lachhaft, aber weder innerhalb noch ausserhalb der SP werden Stimmen laut, die auch hier eine tatkräftige Distanzierung fordern.

Denn die Meinungsfreiheit ist eigentlich ein heiliges Gut. Eher unheilig geht damit schon seit Langem der deutsche Brachialkomiker Jan Böhmermann um. Der ging schon mehrfach über die Grenzen des guten Geschmacks, so verglich er beispielsweise die FDP mit der roten Terrorgruppe RAF. Klammheimliches Gelächter auf der Linken, rote Köpfe bei den Liberalen. Aber da wäre kein Sittenwächter in der Gutmenschenblase auf die Idee gekommen, das zu kritisieren oder gar eine Distanzierung zu fordern.

Also macht Böhmermann ungeniert weiter. So keilte er: «Sandra Maischberger lädt Nazis in ihre Talkshow ein, damit Nazis nach der Machtergreifung Sandra Maischberger auch ihre Talkshow einladen.» Vielleicht erhofft sich der Staatsfunker beim ZDF, langsam den Narrenstatus zu bekommen. Kann nichts dafür, muss man nicht ernst nehmen.

Wohl aus diesem Grund verabschiedete er sich neulich in einer Sendung, nachdem er sich die FPÖ und deren Chef Herbert Kickl vorgenommen hatte, launig: «Liebe 3sat-Zuschauer*innen, bitte nicht vergessen: Nicht immer die Nazikeule rausholen, sondern vielleicht einfach mal ein paar Nazis keulen.»

Das Wort keulen stammt aus der Tiermedizin, es wird zur Beschreibung verwendet, dass man Nutztiere tötet, um Tierseuchen einzudämmen. In der Übertragung bedeutet das, dass Nazis von einer ansteckenden Seuche infiziert sind und getötet werden sollten.

So widerlich auch Anhänger dieser ideologischen Verirrung sein mögen: keulen? Dagegen wurden diverse Strafanzeigen eingereicht. Aber: «Nach dem in den Anzeigen vorgetragenen Sachverhalt war kein Anfangs­verdacht für ein strafbares Verhalten gegeben», teilte die Staatsanwaltschaft Mainz am Montag mit. Die feinsinnige Begründung der Staatsanwältin gegenüber dem österreichischen «Standard»: «Vor dem Hintergrund des Gesamt­kontextes und des Inhalts der Sendung, in der die in den Strafanzeigen beanstandeten Äußerungen gefallen sind, greift letztlich eine Interpretation der Aussage als ‚Mordaufruf‘ zu kurz.»

Es liegt nahe, sich zu fragen, zu welchen Ergebnissen wohl die Staatsanwaltschaft gekommen wäre, wenn  der Spruch gelautet hätte «Chaoten keulen», «Schwarzen Block keulen», «Linksfaschisten keulen», «Autonome keulen».

Solche Einäugigkeit vergiftet das gesellschaftliche Klima zusätzlich. Aber Böhmermann juristisch beikommen zu wollen, ist vielleicht auch der falsche Weg. Besser wäre: auf eine grobe Keule gehört ein grober Keil. Natürlich nur verbal, Bitteschön.

 

Brandbeschleuniger Putin

Schwarzweiss versperrt den Blick auf die wahren Gefahren.

Präsident Putin verfügt über drei gewaltige Keulen. Die erste ist der militärische Angriff auf die Ukraine. Ob sich dieses militärische Abenteuer zum Fiasko auswächst, in Kriegsgreueln versinkt oder mit einem zumindest teilweisen Sieg Russlands endet: Ausgang ungewiss.

Starker Auftritt eines Schwachen.

Die zweite Keule besteht aus der Abhängigkeit Westeuropas von russischem Gas und Erdöl. Putin wird sicherlich nicht untätig zuschauen, wie sich Europa bemüht, diese Abhängigkeit herunterzufahren oder zu beseitigen. Der Versuch, nur mehr Bezahlung in Rubel zu erzwingen, war nur der erste Schlag. Weitere werden folgen.

Die dritte Keule besteht aus dem grössten Atomwaffenarsenal der Welt. Jeder Potentat, jeder Staat weiss: schon der Besitz einiger Atomwaffen katapultiert das Land in eine neue Liga. Hätte Afghanistan Atombomben und Pakistan keine, wäre Pakistan als Brutstätte und Unterstützer des internationalen fundamentalistischen Terrors angegriffen worden. So beschränkte man sich darauf, den von Pakistan beherbergten Fürsten der Finsternis Bin Laden auszuschalten.

Der deutsche Historiker Jörg Baberowski hält in einem sehr lesenswerten NZZ-Interview fest: «Ich frage mich jedoch, ob die Feldherren, die im Lehnstuhl sitzen und kluge Ratschläge erteilen, eigentlich wissen, was eine Flugverbotszone ist und wie man sie sichert, was man sich unter einem Häuserkampf in einer zerstörten Stadt vorstellen muss und was die Entfachung der Leidenschaften bewirkt.»

Der Buchautor («Räume der Gewalt») und Professor für Geschichte Osteuropas ist ein profunder Kenner Russlands und vor allem als Stalin-Forscher anerkannt. Mit seinen nicht immer dem Mainstream entsprechenden Ansichten ist er bereits in diverse Kontroversen geraten.

Analysen statt Verurteilungen

Aber das ist die Bürde des eigenständigen Denkens, das auf Kenntnissen und nicht moralischen Vorurteilen beruht. Seine Prognose für die Zukunft ist alles andere als rosig. Sollte es Putin nicht gelingen, einen vollständigen militärischen Sieg zu erringen oder zumindest die Neutralität der Ukraine plus die Einverleibung grosser Stücke zu erreichen, vermutet Baberowski: «Es ist wahrscheinlich, dass es dann zu einem verlustreichen Zermürbungskrieg kommt, durch den die Ukraine auf Dauer zugrunde gehen und Putin sein Ziel doch noch erreichen könnte, wenngleich unter grossen materiellen und menschlichen Verlusten. Die Brutalisierung des Krieges kommt aus der Schwäche, nicht aus der Stärke, und sie wird an Dynamik gewinnen, je erfolgloser die Versuche der Angreifer und der Verteidiger sind, den Krieg für sich zu entscheiden.»

Butscha, Ukraine. April 2022.

Baberowski glaubt nicht daran, dass sich Präsident Bidens Stossseufzer, dass dieser Mann doch nicht an der Macht bleiben dürfe, erfüllen wird. Dazu sei die Hierarchie in der russischen Machtsphäre zu vertikal ausgerichtet. Zudem sei es wie damals bei Stalin. Der verschätzte sich gröblich und rechnete zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Angriff Hitlers, weil Stalin einen Zweifrontenkrieg für ausgeschlossen hielt.

Daraus entwickelte sich die historische Mär, dass kurzzeitig im Politbüro mit dem Gedanken gespielt wurde, den Diktator nach dem Überfalls Hitlers auszuschalten. Aber die historische Forschung (und die Anwendung von Logik) habe ergeben, sagt der Geschichtswissenschaftler: «Die Gefolgsleute scharten sich in der Stunde der grössten Gefahr um ihren Anführer, weil niemand das Risiko eingehen wollte, das Regime in Gefahr zu bringen. Mit anderen Worten: Krisen arbeiten für den Herrscher, nicht gegen ihn. So ist es wahrscheinlich auch jetzt.»

Was für vorläufige Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen?

  1. Es geht nicht nur um die Ukraine. Sondern um uns alle. Um Europa, gar die Welt, und auch die Schweiz natürlich.
  2. Militärische Sandkastenspiele aus dem Sessel heraus sind völlig unsinnig und überflüssig. Interessant ist höchstens, wie Pazifisten und Kriegsgegner ohne zu zögern wieder kriegerisches Vokabular verwenden, inklusive Helden, von «ruhmreichen Abwehrschlachten und vom nationalen Stolz der Verteidiger» reden. «Vor Wochen noch wären Bekenntnisse dieser Art mit Verachtung gestraft worden», beobachtet Baberowski.
  3. Nach der Fehleinschätzung, die Ukraine militärisch schnell besiegen zu können, kann Putin nur noch die Karte «unberechenbar» ausspielen. Seine Armee, sein Geheimdienst, seine Fähigkeit zur richtigen Lageeinschätzung sind desavouiert.
  4. Dass er durch mögliche Greueltaten der Armee zum Outcast wird, gar vor einen Internationalen Gerichtshof gestellt würde, sind Illusionen. Die vielfach gescheiterte Staatsanwältin Carla del Ponte fordert einen Haftbefehl gegen Putin. Ausgerechnet sie, die nie in ihrer ganzen, langen Karriere eine einzige Angeklagte zur Verurteilung führte.
  5. Natürlich wird man mit Putin verhandeln müssen, was denn sonst? Natürlich wird man einige seiner Forderungen erfüllen müssen, was denn sonst? Beschimpfungen, das Wackeln mit dem moralischen Zeigefinger sind zwar schön fürs Publikum, das ist zwar schön für Sympathiepunkte, aber realitätsfern.
  6. Ein militärischer Sieg gegen Russland in der Ukraine ist illusorisch. Ein Putsch gegen Putin ist illusorisch (ganz abgesehen davon: und dann? Kommen russische Pazifisten und Freunde der Demokratie an die Macht?).

Daraus folgt, dass wir im Westen gut daran täten, uns auf Keule zwei und drei vorzubereiten. Weder mit Putin-Beschimpfen, noch mit Putin-Verstehen ist’s getan. Die Entrüstung über Greueltaten ist verständlich, aber nutzlos. Und scheinheilig, denn finden ähnliche Greuel nicht an diversen anderen Orten der Welt statt? Jetzt und heute? Im Jemen, in Äthiopien, auf so vielen Killing Fields. Nein, das relativiert die Ukraine nicht. Macht aber verständlich, wieso an vielen Orten der Welt die westliche, die europäische, die schweizerische Entrüstung über die Invasion der Ukraine nicht wirklich gut ankommt.

Luftangriff auf Sanaa, Januar 2022.

Denn eine Verurteilung von Taten, vor allem, wenn sie dazu noch moralisch aufgeladen ist, muss universell gelten, nicht fokussiert auf ein Gebiet, das gerade die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Weil Kiew 2000 km von Zürich entfernt ist, Bagdad hingegen 4370 km, und Zürich – Sanaa sind 6440 km. Ach, und Kabul ist wieder 6700 km entfernt …