Hasse mit Aufgabe
Viele fragen sich, was Kerstin Hasse eigentlich in der Chefredaktion zu suchen hat.
«Die Journalistin amtete zwei Jahre als Präsidentin der Medienfrauen Schweiz, wo sie sich für mehr Chancengleichheit in der Medienbranche einsetzte.» So preist Tamedia das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse an.
Zuvor war die «Chefredaktorin Digital» in verantwortungsvoller Stelle bei der «Annabelle» tätig. Zuvor beim «Bündner Tagblatt». Bislang meldete sich Hasse am liebsten um den 8. März herum zu Wort. Internationaler Tag der Frau, you know. Das letzte Mal behauptete sie: «Wir müssen über Geld reden». Mehr Lohntransparenz, folgt dem Beispiel von Laeri, die ihren Lohn offengelegt habe, trompetete Hasse: «Wer es ernst meint mit der Gleichberechtigung, muss das Schweigen über Geld brechen.»
Toller Ansatz, nur: über ihren eigenen Lohn schwieg sich Hasse aus, offenbar meint sie es doch nicht ernst mit der Gleichberechtigung. Sonst könnte man sich fragen, wieso sie so viel für süsses Nichtstun verdient. Denn von der «Chefredaktorin Digital», die mit vollmundigen Ankündigungen angetreten war, ist seither nichts zu hören oder zu sehen.
Aber nun hat sie eine Aufgabe gefunden. Sie fordert nicht mehr nur eine «komplette, ehrliche und offene Gleichstellung», was immer das sein mag. Sie fällt nicht nur durch Selfies im goldumkrusteten Spiegel des Luxushotels «Trois Rois» auf.
Nein, nun geht’s voran mit Digital:
Hasse darf den neuen Newsroom von Tamedia, Pardon «Tages-Anzeiger» zeigen. Im Bewegtbild. Mit Kameraschwenks. Mit spontan-peinlichen Interviews. Mit der eigenen Chefredaktorin! Auch ein Mann kommt vor. Dazu Einblicke in die Käfighaltung der Journalisten, wo der eigene Bildschirm nur durch wenige Zentimeter vom Bildschirm des Nachbarn links oder rechts getrennt ist. Wo es eine niedliche Telefonkabine gibt, falls jemand mal tatsächlich das Bedürfnis nach einem vertraulichen Gespräch haben sollte, was im Journalismus aber kaum der Fall ist.
Und dann, Schlussbrüller, gibt es noch eine lauschige Sitzecke, wo man Mühle spielen kann. Wozu aber auch, wenn man schon in dieser News-Mühle steckt, wo die vornehmste Aufgabe der Fachkoryphäen darin besteht, aus Artikeln der «Süddeutschen Zeitung» die ß rauszuoperieren.
ZACKBUM ist Kerstin Hasse wirklich dankbar. Wir konnten uns vorher unter der Tätigkeit eines Chefredaktors Digital (generisches Maskulin, you know) eigentlich nichts vorstellen. Diese Wissenslücke hat Hasse endlich gefüllt. Daher lehnen wir uns wie sie zurück und warten auf ihr nächstes Wort zum Frauenkampftag. Im März 2024.