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Applaus für Eva Illouz

Pflichtlektüre, nicht nur für Linke.

«Solche Ansichten untergraben die wichtigsten normativen Ideale des Westens – Meinungsfreiheit, Emanzipation, Trennung von Staat und Religion -, indem sie sie als eine blosse Taktik des Westens darstellen, den Rest der Welt dominieren. Und sie berauben die Linke jeder normativen Verankerung und machen es der Linken unmöglich, im Namen der unabdingbaren Gleichheit aller Menschen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung zu bekämpfen

Manchmal ist es wunderbar, die eigenen Vorurteile nicht bestätigt zu sehen. Eine jüdische Soziologin publiziert einen Essay bei Tamedia, das kann ja nicht gutgehen. So ZACKBUMs vorschnelles Urteil. Dann der Beginn der Lektüre mit langen Zähnen und der Bereitschaft, bei jedem dumpfbackigen Unsinn sofort aufzuhören.

Stattdessen ist das eine konzise, intelligente Abrechnung mit solchen Positionen, denen nicht nur Linke anhängen. Das Grundübel dabei besteht hierin:

«Es gab eine Zeit, in der wir mehrere Werte gleichzeitig zu vertreten in der Lage waren: Gleichheit und Freiheit, Antirassismus und Meinungsfreiheit, Vielfalt und Toleranz. Das momentane politische Klima – insbesondere im linken Spektrum – hat sich drastisch verändert. Wir sind jetzt dazu angehalten, uns für ein Lager zu entscheiden: zwischen dem Kampf gegen Islamophobie und dem Kampf gegen Antisemitismus. Zwischen tugendhafter Zensur und freier Meinungsäusserung. Zwischen den Menschen in Gaza und dem Existenzrecht Israels.»

Wer nicht Israeli oder Palästinenser, wer nicht Jude oder Moslem ist, ist ein Zuschauer im wohlbehüteten und -beheizten Salon auf einer der letzten Inseln der (mehr oder minder) freien Debatte. Bezeichnet er sich als Intellektueller, wäre es seine Aufgabe, einen intelligenten Beitrag zur Debatte zu leisten. Daran scheitern die meisten; sogar solche, denen man das vorher zugetraut hätte.

In diesem düsteren Jammertal der regredierenden Dampfplauderer, die ihre Sprachmächtigkeit und ihr mit pseudogewichtigen Phrasen aufgepumpte Diskurse dazu missbrauchen, Wortwolken zu verschieben und Nebelwände zu errichten, ist das Essay von Eva Illouz ein Lichtstrahl. Es ist, als ob der dürstende Wanderer in der Wüste der peinlichen Schändlichkeiten unerwartet auf die Oase mit kühler Quelle stösst.

Denn ist es nicht so: «Im Wettbewerb der Opfer behauptet jedes Lager auf unerträgliche Weise, nur die eigenen Opfer zählten

Illouz möchte nicht nur theoretisch bleiben, sondern ihren Ansatz mit Beispielen untermauern. Dabei greift sie etwas in die Geschichte zurück. Der Kristallisationspunkt ihrer Kritik trägt einen Namen. Judith Butler ist das Paradebeispiel einer begabten Intellektuellen, die auf hohem Niveau auf fürchterliche Abwege geraten ist.

«In einem Buch mit dem Titel «Is Critique Secular?» stellt Butler die «westlich geprägten» Ideen der Trennung von Staat und Religion sowie der Meinungsfreiheit infrage und verurteilt beide als ungeprüft übernommene westliche Normen. Autorinnen wie diese behaupten, Säkularismus und freie Meinungsäusserung diene ausschliesslich dazu, dass die Menschen im Westen an einer Identität festhalten könnten, die ihnen ermöglicht, andere (Muslime) als Fundamentalisten zu bezeichnen

Die bittere Schlussfolgerung von Illouz: «Die Linke hat ihre Leitwerte verraten, was eine doktrinäre Spaltung unvermeidlich und notwendig macht.» Denn Muslime sind Fundamentalisten, die Trennung von Staat und Religion sowie die Meinungsfreiheit sind die Fundamente unserer Zivilisation, die sie mittelalterlichen Staaten überlegen macht. In denen eine Ideologie herrscht, die sich auf Ansichten und Meinungen von Beduinen bezieht, die vor vielen Jahrhunderten in einer ganz anderen Welt lebten, und sie zur absoluten Richtschnur für alle Entscheidungen überhöht. Das geht einher mit wirtschaftlichem Elend, der Unterdrückung der Frau, von Ayatollen, Taliban und anderen Wahnsinnigen diktatorisch regierten Unrechtsstaaten, in denen freie Meinungsäußerung ein Fremdwort ist.

Wer Kritik am Islam als Ausdruck postkolonialer Überheblichkeit missversteht, scheitert schon an der Erklärung eines banalen Widerspruchs: in unseren aufgeklärten Gesellschaften (in den wenigen, die es noch gibt) ist eine Kritik an der Kirche, am Papst, an Jesus, an all ihren Symbolen und Dogmen, jederzeit und auch mit blasphemischer Schärfe möglich. Die gleiche Kritik an Allah oder seinem Propheten ist in der dunklen Mittelalterwelt nicht nur unmöglich, sondern ein todeswürdiges Verbrechen. Schlimmer noch, die Anhänger dieser absolutistischen, irrationalen Weltsicht versuchen sogar, solche Kritiken bei uns zu verbieten. Das würde die religiösen Gefühle von Korangläubigen verletzen, und es gibt genügend dumme westliche Intellektuelle, die auf diese Scharade hereinfallen.

Dabei wären linke Positionen im Kampf gegen aufkommende üble Tendenzen von rechts dringend nötig in der Schlacht um die öffentliche Deutungshoheit. Aber: «Ihre Doppelstandards, der Mangel an gesundem Menschenverstand, die Verleugnung der Grundwerte, für die in Europa in den vergangenen 200 Jahren gekämpft wurde, und die endlosen paranoid-selbstkritischen Schleifen der Linken lassen sie in den Augen vieler grotesk und unverlässlich erscheinen.»

Soweit die beeindruckende Analyse. Gibt es Hoffnung, Auswege, sinnvolle Alternativen? Am Ende des Essays merkt man, dass Illouz mit halber Kraft ein «trotz alledem» dagegenstellen will, um nicht reine Depression zu hinterlassen: «Das einzig Konstruktive wäre jetzt, wenn Juden und Araber, die in Demokratien zusammenleben, aus eigener Kraft ein Bündnis eingingen, und zwar ohne die Hilfe einer Linken, die sich heute allein im Bereich von Paranoia und Ausgrenzung hervortut

Das wäre eine Alternative. Ob sie möglich ist oder wird – es muss bezweifelt werden. Aber welche Hoffnung bleibt sonst, bei diesem Zustand – nicht nur der linken – Intellektuellen. Immerhin: wer sich bis heute vergeblich fragte, wie es sein konnte, dass sich beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs so viele zuvor zurechnungsfähige, intelligente öffentliche Stimmen, die mit differenzierten Analysen und funkelnden Essays auffielen, in dumpfe Kriegsgurgeln, in Hurra-Patrioten, in Befürworter von Geschlachte und Gemetzel verwandelten, der bekommt heutzutage angesichts der Ukraine und des Nahen Ostens bestes, schlechtestes Anschauungsmaterial geliefert. ZACKBUM will das der Einfachheit halber in Zukunft den Somm-Effekt nennen.

 

Förderung des Antisemitismus

So hört sich ein Rohrkrepierer an.

Die Tochter von Maxim Biller100 Zeilen Hass») lädt unreflektiertes Geschimpfe in der NZZ ab. Selbst ihr jugendliches Alter von 26 Jahren kann sie nicht vor dem Vorwurf schützen, dass sie mit einem Brandkommentar den Antisemitismus schürt und befördert. Schon der Titel von Zelda Billers Wutausbruch ist und soll ein Schlag in die Fresse sein: «All diese Menschen, die gerade aus ihren Löchern gekrochen kommen und immer so getan haben, als würden sie nur Israel hassen, hassen in Wahrheit Juden».

Nun mag es Wahnsinnige geben, die Israel hassen, die Juden ganz allgemein hassen. Dazu gehören islamistische Fanatiker, Anhänger der Hamas, der Hetzbolla, des Islamischen Staates. Dazu gehört auch die Führungsclique des Irans, dazu gehören auch viele Araber.

Wer aber versucht, jede Kritik am Vorgehen Israels als Äusserungen von Israelhassern, Judenhassern, Antisemiten abzuqualifizieren, entwertet diese Begriffe, missbraucht sie, disqualifiziert sie. Und sich selbst, wenn so brachial-banal argumentiert wird wie von Biller.

Reichen diese Zeilen schon, um von Biller oder ähnlichen Kleingeistern als aus einem Loch gekrochener Israelhasser, Judenhasser, Antisemit beschimpft zu werden? Locker. Muss man deswegen so herumeiern wie der sonst konzisere NZZ-Chefredaktor Eric Gujer in seinem aktuellen Leitartikel?

Braucht es zunehmend Mut, sich so öffentlich zu positionieren? Schon, aber es braucht das redliche Festhalten an unserem einzigen erkenntnisfördernden Prinzip, das uns seit der Aufklärung sehr viel genützt hat: weder Kirche noch Staat, und erst recht nicht ein Einzelner darf aus irgendwelchen Gründen sich dazu aufschwingen, im Rahmen des rechtlich Erlaubten Sagbares zu denunzieren, zu disqualifizieren, als indiskutabel zu etikettieren.

Wer Meinungen mit Haltungen kurzschliesst, wer den leider modischen Kurzschluss macht «wer das sagt, ist deswegen links, rechts, Veganer, Nazi, Antisemit, Kommunist, Verschwörungstheoretiker» usw., der argumentiert unredlich, unfruchtbar. Will nicht debattieren, sondern zensieren, scheut die intellektuelle Auseinandersetzung.

Besonders abscheulich wird das, wenn Worte entwertet werden. Wer dümmlich «Zürich nazifrei» lallt, wer von «Endlösung» faselt, wem das Wort «Holocaust» bei jeder Gelegenheit locker von den Lippen geht, wer jeden, dessen kritische oder differenzierte Meinung zu Handlungen der israelischen Regierung ihm nicht passt, als Judenhasser oder Antisemiten beschimpft, ist ein unerträglicher Flachdenker. Er beschimpft nicht Antisemiten, sondern im Nachhinein die Opfer, in deren Gedenken diese Worte geprägt wurden.

Schlimmer noch: solche Menschen verrichten – mit der Sinnentleerung und Entwertung solcher Begriffe – das Geschäft von wahren Antisemiten oder Judenhassern, die es durchaus gibt.

Welch verquere und kaputte Wutlogik bricht hier aus Biller hervor?

«Kann es sein, dass der Antisemitismus durch das Hamas-Pogrom endlich wieder seine ursprüngliche, mörderische Bedeutung zurückerlangt hat? Und wäre das vielleicht sogar etwas Gutes? Weil es dadurch ab jetzt so leicht wie noch nie sein wird, jeden einzelnen als Antizionisten getarnten schlechten Gangster, der es sich wie Varoufakis einfach nicht verkneifen kann, seine Freude über den bestialischen Mord an 1400 Juden auszudrücken, als erbarmungslosen Antisemiten blosszustellen

«Gehirngewaschene Linke … Sie heissen Judith Butler, und Greta Thunberg und haben es kürzlich alle geschafft, den Hamas-Terror auf ihre eigene perfide Art zu relativieren … Klar, Greta, wir lassen uns von Terroristen massakrieren, tun nichts, lassen 200 Geiseln in Gaza verrecken und warten einfach brav auf das nächste Massaker!»

Weiss Biller eigentlich, was «Pogrom« bedeutet? Ist es redlich, jeden, der auf das völkerrechtswidrige Vorgehen israelischer Truppen, auf die illegale Siedlungspolitik, auf andere Massaker wie in Sabra und Schatila hinweist, auf tote palästinensische Kinder, die Gräueltaten der Hamas in Israel um die Ohren zu hauen, um ihn dann gleich als Antisemiten zu beschimpfen?

Besonders masslos in ihrem unreflektierten Wutausbruch wird Biller bei der Intellektuellen Judith Butler: «so relativiert diese am Limit ihres linken Denkhorizonts angekommene Jüdin die Greueltaten der Hamas-«Gruppe», wie sie den palästinensischen IS verharmlosend nennt, indem sie sie als Reaktion auf die israelische Besatzungspolitik darstellt.»

Dass Biller sie in eine Reihe mit Ernst Nolte stellt, kann man ihr nur mühsam angesichts ihrer jugendlichen Unreife und Unkenntnis verzeihen, mit der sie sehr schnell am Limit ihres Denkhorizonts ankommt.

Unverzeihlich ist dann dies: «Damit es keine Missverständnisse gibt: Thunberg, Žižek und Butler sind nicht einfach nur Relativierer. Sie sind Antisemiten, weil sie, jeder auf seine Art, versuchen, Terroristen zu entlasten, die Juden getötet haben, allein aus dem Grund, weil es Juden waren. Damit machen sie sich zu Komplizen aller von dem Hamas-Geballer aus ihrem Dornröschenschlaf geweckten Pöbel-Antisemiten, die gerade weltweit auf den Strassen dafür sorgen, dass Juden im Jahr 2023 wieder Babi-Jar-Alpträume haben.»

Sie meint wahrscheinlich Babyn Jar, ein Massaker, das von deutschen Nazi-Truppen 1941 in der Nähe von Kiew verübt wurde und bei dem innerhalb von 48 Stunden mehr als 33’000 Juden, Männer, Frauen und Kinder, ermordet wurden. Was für eine rotznäsige Frechheit einer pöbelnden Göre.

Was tun? Eines sicher nicht: «Argumentieren mit Antisemiten» habe «noch nie etwas gebracht». Das mag sein, aber argumentieren mit solchen Wutbürgern, die sich in ihrer Verblendung anmassen, die Beschimpfung «Antisemit» wie Konfetti auf jeden herabregnen zu lassen, dessen Meinung ihnen nicht passt, macht auch keinen Sinn.

Man muss aber vor den Folgen ihres Krakeelens warnen. Obama, Blinken, Biden, Guterres, die EU, Regierungschefs vieler Länder, besorgte Stimmen von Intellektuellen: sind sie allesamt Judenhasser und Antisemiten, in dem Moment, in dem sie nicht ihre bedingungslose Zustimmung zu allen Handlungen der israelischen Regierung äussern? Nützt ihnen selbst eine bedingungslose Verurteilung der babarischen Taten der Hamas nichts? Sobald sie eine Kritik an Israels Vorgehen anschliessen, werden sie in Billers Verquerlogik zu Antisemiten.

Man ist versucht, die Dame zu fragen: wie, bitte schön, darf man denn die israelische Regierung kritisieren? Überhaupt nicht? Aber glücklicherweise muss man sie dafür nicht um Erlaubnis fragen.

Biller ist nicht nur dumm, das wäre entschuldbar. Sie ist eine Brandstifterin, die jegliche nötige und sinnvolle Debatte über Lösungen verhindern will. Nicht nur, weil sie selber keine hat. Sondern weil sie selber auch hasst, und das vernebelt die Sinne. Wieso allerdings die NZZ mit klarem Verstand die Jungautorin nicht vor sich selbst schützt, ist unerklärlich.

Wumms: Patrick Frey

Schamlos und unanständig, der Mann.

Patrick Frey ist einer der Erblinken, die mit dem woken Kulturtempel «Kosmos» in Zürich eine Millionenpleite hinlegten. Er verkaufte seine Aktien noch rechtzeitig an einen gutmütigen Investor, jammerte aber anschliessend herum, wie ihn das persönlich getroffen habe und wie ungerecht die Welt so sei.

Nun muss der Steuerzahler einen Millionenschaden wegräumen, und das Schicksal der über 70 Angestellten, die von einem Tag auf den anderen auf der Strasse standen, interessierte weder Frey noch die anderen Bruchpiloten einen Dreck.

Das wären nun genug Gründe, einfach mal die Schnauze zu halten und den moralisch erhobenen Zeigefinger unten zu behalten. Wer dermassen moralfrei handelt, sollte wenigstens den Anstand haben, etwas in sich zu gehen.

Aber doch nicht Frey. Der keift gegen einen Kommentar von Michèle Binswanger: «Weder «hält» Judith Butler «die Gräueltaten der Hamas für legitim», noch sagt sie im Interview, «wer die Hamas als Terroristen bezeichne, mache sich des Genozids mitschuldig». Der Vorwurf eines «moralischen Bankrotts» fällt auf Binswanger und diese Art von Journalismus zurück.»

Es ist richtig, dass Butler in dem Interview Israel des Genozids beschuldigt. Es ist auch richtig, dass Butler 2006 sagte, dass es extrem wichtig sei, die Hamas und die Hetzbolla als «soziale Bewegungen zu verstehen, die fortschrittlich, links, Teil der globalen Linken» seien.

Ob Frey hier weiter recht hat oder nicht, ist für einmal völlig unerheblich. Wer selbst einen solchen Bankrott hingelegt hat, hat nicht lebenslänglich, aber doch eine hübsche Zeitlang jedes Recht verwirkt, anderen in irgend einer Form Bankrott vorzuwerfen. Tut er es dennoch, fällt das auf ihn zurück.

Aber das zeichnet diese Art von Gutmenschen aus: sie sind völlig schamfrei.

Ein Hoch auf die stratifizierte Reproduktion

Schreinerlehre? Informatikstudium? Nichts da! Wer in der Welt von morgen etwas gelten will, hat bessere Pläne.

Von Adrian Venetz
Entgegen der landläufigen Auffassung betrifft der Fachkräftemangel nicht nur Berufe in Handwerk, Pflege und Industrie. Nein, vor allem im Gender-Bereich klaffen kritische Lücken. Glücklicherweise haben Schweizer Universitäten rechtzeitig reagiert und inzwischen ein reiches Angebot rund um die «Gender Studies» geschaffen. Diese Juwelen der Forschung und Lehre verdienen Anerkennung.
Blicken wir beispielsweise nach Basel. An der dortigen Universität finden wir ein Seminar mit dem schönen Titel «Digitale Transformationen im Spiegel feministischer Kritik». Hier werden laut Angaben der Uni «auf Basis zentraler Perspektiven auf das Verhältnis von Technik und Geschlecht im Rahmen von Gruppenarbeiten verschiedene Facetten der digitalen Transformation einer feministischen Kritik unterzogen». Der Laie kann sich zwar wenig darunter vorstellen, aber die Erörterung von «verschiedenen Facetten» ist immer eine tolle Sache.
Wer noch nicht satt ist, findet in Basel ein üppig gedecktes Büffet mit weiteren Lehrveranstaltungen. Zum Beispiel diese: «Queere und Trans* Reproduktion mit assistierten Reproduktionstechnologien». Für Anfänger, die nicht genau wissen, was damit gemeint ist, verrät die Universität die «Schlüsselkonzepte», die hier behandelt werden, nämlich «stratifizierte Reproduktion, queere Nekropolitik und reproduktive Gerechtigkeit». Et voilà!
Tränen der Trauer vergiessen muss dagegen, wer das damit verwandte Seminar «Reproduktive Gerechtigkeit» besuchen will. Hierzu schreibt die Uni: «***Achtung: Das Seminar ist überbelegt.» Ob die drei Sterne vor dem «Achtung» zur Gattung Genderstern gehören oder die Wichtigkeit der Mitteilung markieren sollen, ist eine Frage, der eine Gruppe von Forschenden möglichst bald nachgehen sollte. Die Überbelegung stimmt uns aber zuversichtlich. Nimm das, Fachkräftemangel!
Richten wir den Blick nach Luzern. Auch die dortige Hochschule möchte nicht hintenanstehen und präsentiert einen bunten Gender-Studies-Strauss. Ein komplexes Forschungsprojekt widmete sich beispielsweise der «Untersuchung zu sexuellen Rechten als Grundlage der Sexualaufklärung in der Schweiz». Nicht weniger als zehn Personen beschäftigten sich über einen Zeitraum von zwei Jahren mit diesem Thema. Gut gemacht! Die Ausgangslage wird folgendermassen beschrieben:
«Weltweit zeichnet sich ein Trend zu den sexuellen Rechten als Voraussetzung für die individuelle Realisierung von sexueller Gesundheit ab. Diese Sichtweise beeinflusst auch die Sexualaufklärung, indem die sexualitätsbezogenen Menschenrechte und die damit verknüpften demokratischen Grundwerte explizit den ethischen Bezugspunkt bilden.»
Wir ziehen den Hut und würdigen den Ehrgeiz an Hochschulen, sich klar und präzise in der deutschen Sprache auszudrücken.
An der Hochschule Luzern finden wir übrigens auch die Krönung der bisherigen Gender-Forschung. Eine Dozentin mit Doktortitel malträtierte sich dort mit einem Mysterium, das die Menschheit seit Jahrzehnten herumtreibt und schon viele kluge Köpfe zur Verzweiflung gebracht hat. Ihre Studie trägt den Titel «Straight(ening) Salsa? The heterosexual matrix, romance and disciplinary spaces.» Die Autorin geht also der Frage nach, wie Salsa-Tanzlokale die Heteronormativität reproduzieren. In ihrer Feldforschung hat sie heterosexuelle und homosexuelle Salsa-Tänzer*innen aus England und der Schweiz interviewt. All dies natürlich in Anlehnung an Judith Butlers «Konzeptualisierung der heterosexuellen Matrix». Damit nicht genug. Die Autorin hält in ihrem Abstract weiter fest: «This is explored through a Foucauldian approach to surveillance and discipline to render visible the exclusive technologies of power that heteronormalise salsa dance spaces.»
Unglaublich! Da knallt eine Rakete nach der anderen, bis uns dieses Feuerwerk der Forschung in sprachloser Ehrfurcht zurücklässt. Erheben wir also mit geschwellter Brust das Glas auf unsere zukünftige intellektuelle Elite. Erheben wir es nochmals und nochmals und nochmals. Bis wir sternhagelvoll sind und vielleicht verstehen, was das alles soll.