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Laientheater

Der Bundesrat ist gewählt. Wie zu erwarten war.

Geheime Geheimpläne, enthüllte Geheimpläne, erfundene Geheimpläne. Einmal jährlich dürfen sich die Schweizer Medien im Konjunktiv-Journalismus richtig austoben.

Meistens ist dann das Resultat genau das, was zu erwarten war. Nämlich eine Bestätigung der bisherigen Bundesräte und die Wahl eines offiziellen Kandidaten der Partei, die ein Anrecht auf den frei werdenden Sitz erhebt.

So war es natürlich auch dieses Mal. Wie zu erwarten hat die vereinigte Bundesversammlung den falschen SP-Kandidaten gewählt. Falsch deswegen, weil der Laientruppe in der Landesregierung dringend ein Jurist gutgetan hätte. Alleine das prädestinierte Daniel Jositsch für dieses Amt. Aber mit 68 Stimmen im dritten Wahlgang ging er mal wieder als zweiter Sieger vom Platz.

Wieso die SP mit dem chancenlosen Jon Pult statt Jositsch antrat, gehört zu den vielen Geheimnissen dieser schlecht geführten Partei.

Neben den sicheren Wiederwahlen kann man hier höchstens Notiz von den unterschiedlichen Stimmenzahlen nehmen. Am schlechtesten schnitt die SP-Bundesrätin Baume-Schneider ab, sie bekam nur 151 Stimmen. Selbst der ins Kreuzfeuer geratene Bundesrat Cassis schnitt mit 167 Stimmen besser ab, auch der zweiten FDP-Vertreterin Keller-Sutter ging es mit 176 Stimmen nicht viel besser.

Während die SVP-Bundesräte wie erwartet souverän wiedergewählt wurden, fuhr Mitte-Bundesrätin Amherd trotz einer Pannenserie erstaunliche 201 Stimmen ein.

Kann’s Jans? Welches Departement er auch zugewiesen erhält, Regierungserfahrung hat er, also muss er sich nur bemühen, ungleich seinem Vorgänger gröbere Fehler im Amt und im Privatleben zu vermeiden. Das dürfte ja nicht allzu schwierig sein.

Noch etwas Nachbereitung, dann müssen sich die Medien wieder ein neues Thema suchen. Nachdem der Begriff Bundesratswahlen alleine im letzten Monat satte 2’257 Treffer in der Mediendatenbank SMD erzielt. Allerdings: Ukraine ergibt im gleichen Zeitraum über 13’000 Treffer, Israel bringt es gar auf 16’410 Resultate. Weit vorne, vor den Wahlen, liegt sogar das Wetter, «Regen» hat 6’316 Tropfenmeldungen.

 

 

Korrekt beknackt

Es darf gelacht werden, wenn der Tagi korrigiert.

Fehler sind menschlich, wo gehobelt wird, es kann alles passieren. Der Sprüche im Journalismus sind genug. Auch ZACKBUM bekennt sich zu einer bedauerlichen Schwäche, Namen im ersten Anlauf richtig zu schreiben. Von ärgerlichen Vertippern ganz zu schweigen.

Aber ZACKBUM vereinigt Verleger, Chefredaktor, Herausgeber, Bildredaktor, Textchef, Produzent, Autor, Faktenchecker  und einiges mehr – in einer Person. Aber leider haben wir kein Korrektorat.

Im Rahmen der Sparmassnahmen zur Qualitätsverbesserung hat Tamedia auch beim Korrektorat schwer abgeholzt. Das führt dann aktuell zu einer Häufung von brutal komischen Korrekturen, unter dem Titel «Korrekt».

Da hätten wir vom vergangenen Freitag diesen hier:

Der Zürcher Tagi weiss nicht im ersten Anlauf, dass der nicht unbekannte Politiker Jositsch für Zürich im Ständerat sitzt? Au weia. Hoffentlich verwechselt die Redaktion nicht nächstens Zwingli mit Calvin.

Am Mittwoch zuvor wusste der Tagi nicht, dass der berühmte Zürcher Künstler Mario Comensoli 1922 geboren wurde. Die Redaktion vermutete, es sei 1943 gewesen. Und vielleicht lebt Picasso noch, sicher aber Elvis.

Auch wenn es um den sensiblen Schneeflocken auf der Redaktion unliebsame Themen geht, schludert der Tagi. So musste er am 17. Juni einräumen:

Darunter, weil dieses Korrigendum auf der «Debatte»-Seite erschien, fordert das Blatt seine Leser auf: «Schreiben Sie Ihre Meinung». Für ein «uns» war dann leider kein Platz auf der Zeile. Was sich der Tagi wohl damit für einen Shitstorm einhandelte?

Lässt sich das noch steigern? Kaum, aber der Tagi macht auch Unmögliches möglich:

Lottozahlen ist nun eine echt heikle Sache. Denn es passiert gelegentlich, dass Lottospieler die Korken knallen lassen, weil sie meinen, den Jackpot geknackt zu haben. Dabei wurden sie nur Opfer einer schludrigen Redaktion.

Dieses «Korrekt» erschien ebenfalls letzten Freitag; auf der «Kehrseite», in sicherer Distanz zur Richtigstellung bezüglich Jositsch. Lässt sich das noch steigern?

Das ist nun eigentlich unmöglich, aber der Tagi …

Denn auch die korrigierten Zahlen, nun, das glaubt selbst einem seriösen Organ wie ZACKBUM keiner, daher der Beweis:

Wer findet den Unterschied? Richtig, die 8 hat sich beim Tagi in eine 6 verwandelt. Das dürfte nun weltrekordverdächtig sein. In einer peinlichen Korrektur der Lottozahlen nochmals eine falsche Zahl angeben, Wahnsinn.

Das ist nun Leserverarsche mit Anlauf. Damit hat sich der Tagi Häme kübelweise eingebrockt. Statt sich um Gendersternchen, inkludierende Sprache, die Abschaffung von Diskriminierungen aller Art, also um Themen zu kümmern, die der überwältigenden Mehrheit der Tagi-Leser so was von egal sind, könnte es die Redaktion vielleicht mit vereinten Kräften schaffen, die Lottozahlen beim ersten Mal, spätestens beim zweiten Mal richtig abzuschreiben. Es heisst doch «Die Zahl», «die Lotterie», «die Ziehung», also kann das doch gendertechnisch keine Probleme geben. Und es heisst «die Korrektur». Es heisst sogar die Korrektur der Korrektur, wobei hier das «der» keinesfalls ein männlicher Artikel ist, liebe Tagi-Schneeflocken …

 

Wumms: Raphaela Birrer

Tagi verabschiedet sich von der Qualitätskontrolle.

Keine zu klein, Meinungsträger zu sein. Eingepfercht in seiner Verrichtungsbox, bei Tamedia zudem noch von lüsternen, sexistischen und demotivierenden Männern umzingelt, winkt die einzige kleine Freiheit im Kommentar.

Die «ausgebildete Lehrerin» auf Primarschulstufe Raphaela Birrer ist im Rahmen der Quotenfrauregelung in die Chefredaktion von Tamedia gespült worden. Sie wurde schon mehrfach mit Kommentaren verhaltensauffällig. Sie hat sich diesen oberlehrerhaften Ton bewahrt, mit dem der Diktator im Klassenzimmer aufmüpfige Kleine niedermacht. Allerdings wendet sie ihn beim falschen Objekt an.

Unsere Landesregierung konnte aufatmen, als Birrer gnädig konzedierte: «Der Entscheid des Bundesrats ist richtig – und schlicht alternativlos. Wir müssen uns in diesem Krieg entschieden auf die Seite des Rechts, der Freiheit und der Demokratie stellen.»

Wir wagen uns nicht auszudenken, wie Birrer reagiert hätte, wenn der Bundesrat nicht in ihrem Sinne entschieden hätte. Das hätte vielleicht Strafaufgaben abgesetzt.

Aktuell muss Birrer der SP den Tarif durchgeben. Da wagt es doch tatsächlich ein Pimmelträger, seinen Hut in die Arena zu werfen und für den Bundesrat zu kandidieren. Aber nicht mit Birrer: «Das Theater ist unerträglich», donnert sie schon im Titel. Um klarzustellen: «In der SP entbrennt ein Streit um die Gleichstellung im Bundesrat. Dabei hat die Partei keine andere Wahl, als Frauen zu nominieren.»

Keine Wahlfreiheit für die SP, eine interessante Forderung vom Spielfeldrand. Wieso denn das? Die Kandidatur von Jositsch zeige: «Selbstverständlich ist das numerisch gleichberechtigte Mitregieren der Frauen in der Schweiz offensichtlich noch nicht

Das begründet Birrer mit einem hoffentlich selbst gegoogelten Ausflug in die Geschichte: «Die Schweiz hatte bisher 121 Bundesratsmitglieder. Neun davon waren Frauen. Neun! Die SP stellte 14 Bundesräte. Drei waren Frauen

Das ist so brunzblöd, dass man versucht ist, den alten Kalauer aufzuwärmen, dass es deswegen doch auch Mitglieder heisse. Die absurde Forderung, eine geschlechtlich ausgewogene Mischung in Entscheidungsgremien herzustellen, zudem mit Verweis auf die Geschichte, ist schädlich und kontraproduktiv. Sie verhalf zwar Birrer zu einem Karrieresprung, mit ihren Kommentaren zeigt sie aber, dass sie oberhalb ihrer Gehaltsklasse angekommen ist.

Denn die Meinung eines Mitglieds (Pardon) der Chefredaktion des grössten Medienkonzerns der Schweiz sollte schon Hand und Fuss und Logik haben. Eine numerisch gleichwertige Vertretung aller gesellschaftlichen Schichten, sexuellen Orientierungen, Hautfarben und auch der beiden offiziellen Geschlechter ist schlichtweg sinnlos und unmöglich.

Die Forderung nach einer ausgewogenen Vertretung von Männlein und Weiblein schliesst die Diversen, die Queeren, die Schwulen aus. Und das wären nur einmal sexuelle Orientierungen. Wie steht es mit Dunkelhäutigen, Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderten, Brillen- oder Bauchträgern? Und warum keine repräsentative Vertretung von Berufen; Bauern, Angestellte, wieso auch nicht Lehrer?

Hören wir nochmal O-Ton Birrer: «Aber der Zeitdruck ist nach Sommarugas überraschendem Rücktritt gross – da hätte der Umweg über männliche Pseudokandidaturen unnötig Ressourcen absorbiert. Denn diese Partei kann sich angesichts ihres Profils nicht erlauben, es ausgerechnet beim höchsten politischen Amt mit der Gleichstellung nicht so genau zu nehmen.»

Männliche Pseudokandidaten? Wir wagen uns für einen Moment vorzustellen, was in Birrer vorgehen würde, wagte ein zudem männlicher Kommentator von weiblichen Pseudokandidaturen zu faseln. Diesen verbalen Blutrausch möchten wir nicht erleben.

Also sagen wir mal so: Birrer selbst ist das beste Beispiel dafür, dass Karriere dank Geschlecht eine tragische Fehlentwicklung ist, die dringend korrigiert werden muss. Denn Tamedia hat’s ja auch sonst nicht leicht.