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Mohr lass nach

Jetzt wird die Mohrerei völlig gaga.

Die Welt hat so ein paar Probleme. Zürich hat so ein paar Probleme. Verkehrskollaps wegen Baustellenflut. Möglicher Wegzug der UBS. Offene Drogenszene. Überforderte und unterbesetzte Polizei.

Tamedia hat seine ganz eigenen Probleme und Prioritäten. Da würgt die derangierte Kolumnistin Gülsha Adilji Unverdautes und Unbekömmliches hoch und speit es in die Spalten:

Schon ab dem zweiten Satz löst das auch beim Leser Brechreiz aus: «Who are we kidding? Ich habe nicht nur was gegen sie, ich finde Männer scheisse. Not all men, bla bla, aber halt schon sehr viele.»

Die Zumutung aus dem Hause Tamedia, nannte das ZACKBUM bereits. Aber sie kann sich noch steigern, ZACKBUM findet’s scheisse.

Tamedia kann sich ebenfalls noch steigern, alleine schon mit einem Gaga-Fragetitel:

Hä? Ist es nicht so, dass zwei anerkannte Historiker auf mehr als 300 Seiten für mehr als 100’000 Franken Honorar akribisch nachgewiesen haben, dass die Holzköpfe in der Aula des Schulhauses Hirschengraben den Betrachter nicht mit Rassismus belästigen? Ist es nicht so, dass eine Gruppe von unqualifizierten Kleininquisitoren mit ihrem «Bericht: Möglichkeiten zum Umgang mit kolonialen Spuren im Stadtraum» dafür gesorgt haben, dass nach einem genauso unqualifizierten Gutachten, das nicht mal das Wort Mohr ausschreiben konnte, zwei traditionelle Hausinschriften in der Zürcher Altstadt verschwinden?

Doch, das ist alles so. Aber es ist auch so: wenn ein fehlerhaftes Gutachten ihre Vorurteile bestätigt, dann sind Linke und Woke gerne bereit, es zu akzeptieren. Wenn ein qualifiziertes Gutachten das nicht tut, treten sie nach. Oder in den Worten des Tagi-Journalisten Beat Metzler: «SP, Grüne und AL sowie der Verein Zürich kolonial vermissen bei den Gutachtern die fachliche Kompetenz.»

Die vermisst ZACKBUM auch bei Metzler, aber das wäre ein anderes Thema.

Dass SP, Grüne und AL zu diesem Thema viel Meinung, wenig Wissen und nur dummes Geschwätz zu bieten haben, mag nicht weiter erstaunen. Dann gibt es allerdings noch den «Verein Zürich kolonial».

Der plustert sich auf LinkedIn in wackeliger Syntax auf:

Dieser Verein führt Stadtrundgänge durch die schreckliche koloniale Vergangenheit Zürichs durch, obwohl er selbst einräumt: «Zwar verfügte die Schweiz selbst formal über keine Kolonien, dennoch war sie stark in die kolonialen Projekte anderer europäischer Nationen involviert

Lachen ist gut für die Gesundheit, das weiss sogar der Bundesrat. Einen wichtigen Beitrag leisten diese Historiker mit ihrer «kritischen Stellungnahme». Sie ist, im Gegensatz zum kritisierten Gutachten, anonym abgefasst («von Historiker:innen aus dem Umfeld ...»). Vielleicht fürchten die Autoren die Rache der Mohren.

Sie müssten aber eher das schallende Gelächter von Historikern fürchten, das sie mit solchem Geschwurbel auslösen:

«Das Gutachten suggeriert, dass rassistische Darstellungen notwendigerweise eine visuell oder räumlich ablesbare Rangordnung zwischen dargestellten Figuren voraussetzen und dass das Fehlen einer solchen Hierarchisierung einen rassistischen Gehalt ausschliesst. Rassistische Darstellungen sind nicht erst dann erkennbar, wenn Figuren explizit in eine Rangordnung gesetzt werden. Auch für sich genommen können Darstellungen rassistisch und diskriminierend sein …»

Lachtränen abwischen und weiter im Text: «Exotismus wird dabei als nicht-diskriminierendes Gegenstück zu Rassismus präsentiert, dass (!) sich dem stereotyp dargestellten “Fremden” mit scheinbar positiven Attributen und einer wohlwollenden Faszination annähert

Gibt es noch mehr «Probleme» bei diesen Schnitzwerken, ausser, dass die Autoren wirklich nicht gut Deutsch können? Aber sicher: Das «Problem der zeitgenössischen Perspektive, das Problem der Verweigerung von Gleichzeitigkeit, der widersprüchlichen Interpretation historischer Vorbilder, der Reproduktion rassistischer Sprache». Wohlgemerkt im kritisierten Fachgutachten.

Mit ihren eigenen historischen Forschungen sind diese anonymen Denunzianten allerdings auf einen veritablen Skandal gestossen, nämlich auf die

«Tatsache, dass Gutachter Joseph Jung und Auftraggeber des Gutachtens Filippo Leutenegger beide in den 60er-Jahren die Klosterschule Disentis besuchten».

Damit ist erwiesen, dass sowohl Jung wie auch Leutenegger disqualifiziert sind. ZACKBUM weist vorsorglich darauf hin, dass es auch zwischen dem Autor René Zeyer und Filippo diverse Berührungspunkte in der Vergangenheit gibt, was diesen Artikel sicherlich auch disqualifiziert.

Nichtsdestotrotz wollen wir für einen letzten Lacher in solch trüben Zeiten sorgen und zitieren die Forderungen der anonymen Historiker:innen:

»– ein neues Gutachten von unabhängigen Historiker:innen und anderen Wissenschaftler:innen, die mit den Forschungsfeldern des Kolonialismus und Rassismus vertraut sind. – ausreichende finanzielle Mittel zur fachgerechten Kontextualisierung der Figuren. – ein antirassistisches Vermittlungsangebot, das über das Anbringen einer Plakette hinausgeht. – potenzielle Verschiebung der Köpfe von einem schulischen in ein museales Umfeld.»

Mit anderen, klaren Worten: wir wollen massig Kohle für mehr Gutachten. Und wir wollen, dass die Köpfe abgesägt werden.

Geldgier, gepaart mit bilderstürmender Barbarei. So macht historische Wissenschaft Spass.

Wieso es allerdings Qualitätsjournalist Metzler unterlässt, diesen Schwachsinn kritisch zu würdigen, bleibt sein dunkles Geheimnis.

Gilt auch hier: Kopf ab?

 

Schär, der Schweiger

Ein Verfasser von Gaga-Gutachten und Meinungsträger. Aber nicht diskursfähig.

Professor Dr. Bernhard C. Schär ist eine Schande für die Historikerzunft. Er verbrät Steuergelder auf einer «Eccellenza»-Professur in Lausanne. Ist aber überhaupt nicht exzellent.

Er sei «der Professor, der überall Rassismus sieht», urteilt die NZZ über ihn. Da ist er immer zur Stelle, wenn es die Meinung eines angeblichen Fachmanns braucht.

Denn statt so wissenschaftlich wie möglich historischen Untersuchungen nachzugehen, meint der Ideologe:

«Schule und Erziehung im 21. Jahrhundert brauchen (…) mehr Postkolonialismus, Intersektionalität und Feminismus.»

Ob’s das wirklich braucht, sei dahingestellt. Was Schär bräuchte, wäre ein wenig Nachhilfeunterricht im minimalen Ansprüchen genügender Abfassung von «Gutachten».

In seiner «bau- und begriffsgeschichtlichen Auslegeordnung» zuhanden der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch, schafft er es (zusammen mit seiner Co-Autorin, der Gymnasiallehrerin Ashkira Darman), das Wort, das im Zentrum der «Studie» steht, haargenau einmal auszuschreiben:

Auf den übrigen 123 Seiten dieses Machwerks heisst es konsequent «M***». Werden Inschriften an Häusern «untersucht», heissen die «Zum M*****kopf» und «Zum M*****tanz». Das ist schon mal gaga.

Das ist etwa so, wie wenn man bei einer Untersuchung über den F******** dieses Wort nur so schreiben würde, ebenso H*****, während eine gewisse Partei N***** hiesse.

Peinlich ist, dass den beiden Autoren handwerkliche Schnitzer der gröberen Art unterlaufen sind.

Peinlicher ist, dass aufgrund dieses fehlerhaften Werks nun diese Inschriften mit den unaussprechlichen Wörtern abgedeckt werden.

Am peinlichsten ist, dass die beiden Autoren sich jeder Debatte über ihr Werk verweigern. Darman ist angeblich anderweitig ausgelastet, Schär sagt einfach nein.

Stumm wie ein Fisch bleibt er auch, wenn man ihn fragt, wie viel Steuergelder denn für dieses Beispiel mangelnder Kompetenz ausgegeben wurden.

Denn eigentlich müsste der Auftraggeber sein Geld zurückverlangen, mittels Mängelrüge.

Um welchen Betrag handelt es sich hier? Schär geruht, eine journalistische Anfrage nicht mal zu beantworten. Aber immerhin, die Präsidialabteilung der Stadt Zürich ist auskunftsfreudiger:

«Der Auftrag für die Studie «Zürcher ‚Mohren’fantasien. Eine bau- und begriffsgeschichtliche Auslegeordnung, ca. 1400–2022» ging an die Professur «Geschichte der modernen Welt» der ETH Zürich. Auftragnehmer war Prof. Harald Fischer-Tiné. Die Kosten für die Studie betrugen 33 000 Franken.»

Es bleibt die Frage, wieso Fischer-Tiné den Auftrag weitergegeben hat und wie viel er sich von den 33’000 Franken abgriff.

Aber wie auch immer, da scheint eine gewisse Ordnung zu herrschen. Prof. Joseph Jung kassierte für sein 319 Seiten umfassendes Werk über ein paar Holzköpfe in der Aula des Schulhauses Hirschengraben 113’000 Franken. Das Machwerk von Schär ist rund zweidrittel kleiner, also entsprechend weniger Kohle.

Allerdings konnte man Jung keine handwerklichen Schnitzer bei der Untersuchung dieses Schnitzwerks auf allfällig rassistischen Gehalt nachweisen.

Ist hingegen jemand wie Schär wirklich dafür qualifiziert, sich auf Kosten des Steuerzahlers mit Professorengehalt auf eine ordentliche Professur vorzubereiten – und dann anschliessend auch noch Professor zu werden?

Wenn jemand sein Handwerk nicht beherrscht, wie soll er es dann unterrichten? Wenn jemand nicht weiss, wie man korrekt historisch forscht, wie soll der dann Forschung betreiben? Wenn jemand alles durch eine ideologische Brille sieht, wie erkenntnisfördernd ist dann sein Arbeit?

Vor allem aber: wenn sich jemand kritischem Dialog verweigert und berechtigte Fragen nicht beantwortet, ist er nicht alleine dadurch schon disqualifiziert?

 

Völlig durchgedreht

Holzköpfe aller Orten in Zürich. Nicht nur im Schulhaus Hirschengraben.

319 Seiten umfasst ein «Gutachten» des sogenannten «Atelier Jung». In Auftrag gegeben hatte das die Stadt Zürich, genauer der Stadtzürcher Schulvorsteher Filippo Leutenegger. Zu untersuchen war, ob Figurenköpfe in der Aula «rassistisch» seien, diskriminierend oder nicht. In diesem wunderprächtigen Raum symbolisieren acht Paare eine «Galerie der Völker».

Die Wurzel dieses Wahnsinns ist der Bericht «Möglichkeiten zum Umgang mit kolonialen Spuren im Stadtraum», der im März 2021 verfasst wurde. Dahinter steht die Projektgruppe «Rassismus im öffentlichen Raum» (RiöR). Dieser Haufen von Grossinquisitoren unterschied doch tatsächlich zwischen

  1. Objekte, die entfernt werden sollten
  2. Objekte, die aufgearbeitet werden müssen
  3. Objekte, die kontextualisiert werden können.

Diese Dunkelkammer wurde von anderen Dunkelkammern bestückt:

  • PRD – Fachstelle für Gleichstellung / Integrationsförderung

  • GUD – Tiefbau- und Entsorgungsdepartement

  • SD – Sozialdepartement

  • SID – Sicherheitsdepartement (z. B. Stadtpolizei)

  • SSD – Schul- und Sportdepartement

  • Städtischer Ombudsmann

  • Denkmalpflege, Kunst, Archivierung, Liegenschaftenverwaltung (weitere Querschnittsfunktionen)

Wer masste sich diese Entscheidungsgewalt an, der schon einige Mohrenköpfe in der Stadt Zürich zum Opfer fielen? Hochqualifizierte Fachleute natürlich.

Unter der Leitung von Christof Meier (Bereichsleiter Integrationsförderung PRD) schlugen zu:

  • Shelley Berlowitz – Fachstelle für Gleichstellung (PRD)

  • Susann Birrer – Stadtpolizei (SID)

  • Michael Bischof – Integrationsförderung (PRD)

  • Myriam Fojtu – Stabsstelle Departementssekretariat (GUD)

  • Beat Haas – Inventarisation Denkmalpflege (HBD)

  • Pierre Heusser – Stadt-Ombudsmann

  • Anja Huber – Stadtarchiv (PRD)

  • Sara Izzo – Fachstelle Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) (TED)

  • Beat Kessler – Sozialdienst Liegenschaften Stadt Zürich (FID)

  • Selin Öndül – Schulamt (SSD)

  • Vithyaah Subramaniam – Integrationsförderung (PRD)

  • Bea Troxler – Departementsstab (SD)

Natürlich verwendeten sie niemals den Begriff Rassismus oder forderten Kopf ab. Heutzutage heisst das «kontextualisieren» oder «kritisch diskutieren». Sobald sich ein «Betroffener» oder gar ein Haufen Betroffener zu Wort meldet und seinem Unwohlsein Ausdruck verleiht, beginnt die sensibilisiert-woke Stadtregierung sofort mit Hyperventilieren und fordert ein «Gutachten» an.

Im Fall der problematisierten Köpfe kam der Historiker Joseph Jung zum Handkuss, bzw. sein «Atelier Jung». Der war Privatdozent an der ETH Zürich, Chefhistoriker der Credit Suisse sowie Geschäftsführer verschiedener Stiftungen. Seit 2015 ist er Geschäftsführer und einzig aufgeführter Mitarbeiter der Einzelfirma «Atelier Jung», steuergünstig in Zug domiziliert. Das sich natürlich auf «ein Netzwerk» abstützt, auf was denn sonst.

Dieses Riesenwerk hat der bislang nicht als Rassismus-Experte aufgefallene Jung (dafür als Autor des lesenswerten Buchs «Das Laboratorium des Fortschritts») mit einem Dr. phil. Matthias Frehner verfasst. Der ist Publizist, Kurator, Spezialist für Eisenplastik und Raubkunst. Ebenfalls völlig unbeleckt vom Thema Mohrenköpfe gestern und heute.

Zur grossen Erleichterung aller Beteiligten kam das mit wissenschaftlichem Gelaber aufgeblasene Gutachten zum Schluss, dass es sich bei diesen Figuren nicht um den Ausdruck von Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit handle. Sie seien «nicht diskriminierend». Uff. Andererseits: «Die Figurenköpfe basieren auf einem rassistischen Weltbild.» Ja was denn nun?

Daher wird eine – Überraschung – «Kontextualisierung» empfohlen. Mit Infotafel, QR-Codes, dazu Unterrichtsmaterialien, Workshops, Ausstellungen. Das übliche Gedöns, wenn man nicht so weit gehen möchte, diese kunsthistorisch wertvollen Bestandteile des Gesamtkunstwerks dieser Aula einfach abzuhacken.

Der NZZ ist aufgefallen, dass eine menschliche Fratze, die über dem Eingang des Schulhauses die Besucher anblickt, «für die Schulbehörden der Belle Époque der künstlerischen Freiheit zu viel war. Das Bildnis musste vorübergehend abgedeckt werden – wie die «Mohren»-Inschriften gut 130 Jahre später.»

Besser kann man diesen absurden Bildersturm nicht der Lächerlichkeit preisgeben.

Man könnte sich über den woken Wahnsinn lustig machen. Wenn der Zürcher Steuerzahler nicht dafür kräftig bluten müsste. Laut Jung hat das Gutachten 113’000 Franken gekostet. Er hält sich für das Thema Mohrenkopf qualifiziert, weil einer seiner «Forschungsschwerpunkte ist seit vielen Jahren das 19. Jahrhundert. Neben ganz unterschiedlichen Fragestellungen ist die Kulturgeschichte das übergreifende Thema».

Seine Wackelposition begründet er so: «Vereinfacht gesagt, sind nicht die Figurenköpfe (der Völker) das Problem – diese sind egalitär, gleichwertig in der Platzierung und Ausarbeitung, es gibt keine Karikaturen, alle sind exotisch typisiert usw. Das Problem ist der Zeitgeist: das rassistische Weltbild (Imperialismus, Kolonialismus) und damit die Einteilung der Menschen in Rassen (nach Hierarchien und mit entsprechenden Diskriminierungen).»

Schön, dass der rassistische Zeitgeist des 19. Jahrhunderts entlarvt wurde. Denn heute sind wir weiter: es gibt offenbar keine Rassen mehr. Denn nur schon das Eingeständnis ihrer Existenz wäre – rassistisch. Das muss dem Stadtzürcher Steuerzahler doch über 100’000 Franken wert sein. Darüber kann er dann im Stau in aller Ruhe nachdenken.

 

Der Artikel erschien zuerst auf «Inside Paradeplatz».

Sklaven der Schwarzweiss-Sicht

Immer wieder für Fake News gut: Alfred Escher, Zürich und die Sklaven auf Kuba und anderswo.

Wenn sich Autoren mit eher leichtem Rucksack an schwere Themen wagen, kommt aus der dadurch entstehenden Kollision meistens beschädigte Ware zum Vorschein.

Der «Tages-Anzeiger» (Artikel hinter Bezahlschranke) bietet gerade eine volle Dröhnung, was herauskommt, wenn Gesinnung über Sinn oder Unsinn triumphiert.

Da wäre mal die Kolumne von Babara Bleisch. Die Philosophin greift darin weit nach oben und will abrechnen: «Kant, Voltaire oder Hegel seien eben «Kinder ihrer Zeit» gewesen, heisst es, um ihre rassistischen und frauenfeindlichen Aussagen zu entschuldigen.» Aber so leicht entkommen die Denker Rächerin Bleisch nicht: «Das Argument verfängt nicht.»

Angstfreies Denken führt nicht immer zu überzeugenden Resultaten

Denn, so gründelt sie, «Kind seiner Zeit», «so dachte man damals halt», das stünde ja nur für «die Angst davor, frei zu denken», sei gar «selbstverschuldete Unmündigkeit», um mal Kant gegen Kant in Stellung zu bringen. Womit Bleisch mal kurz rund 200 Jahre Erkenntnistheorie in die Tonne haut.

Überhaupt seien die Schriften von Kant, Voltaire, Hegel «teilweise gespickt mit sexistischem, rassistischem oder antisemitischem Gedankengut», weiss Bleisch, verzichtet aber auf jeden Beleg dafür. Also wenn ohne Angst frei gedacht wird und dabei solcher Unsinn herauskommt, kann davon nur dringlich abgeraten werden.

Jetzt ist das dunkle Geheimnis gelüftet: Zürich im Sklavenhandel

Ebenfalls auf Treibsand, vermeintlich historisch abgestütztem Gefilde wandelt der «Tages-Anzeiger», und mit ihm eigentlich die gesamten Deutschschweizer Medien, bei der Berichterstattung über die «Verwicklung Zürichs in den Sklavenhandel» (Artikel hinter Bezahlschranke).

Nachdem das «Magazin» vor drei Jahren die Fake News in die Welt setzte, Alfred Escher habe von Sklaverei profitiert, steht natürlich auch sein Denkmal vor dem Zürcher Bahnhof nicht mehr ganz sicher auf seinem Sockel.

Für den Hobby-Historiker David Sarasin von der Lokalredaktion des Tagi steht fest, dass «für viele hundert Jahre die Verknüpfungen der Stadt Zürich mit dem Sklavenhandel und der Sklaverei weitgehend im Dunkeln» gelegen seien. Aber seitdem man wisse, dass «der Vater von Alfred Escher in Kuba eine Plantage mit 80 Sklaven besass», habe sich das geändert.

Historische Tatsachen ändern sich nicht, nur ihre Interpretation

Was sich allerdings nicht ändert, ist die historische Tatsache, dass der Vater von Alfred Escher keine Plantage mit 80 Sklaven auf Kuba betrieb. Was sich auch nicht ändert, ist die historische Tatsache, dass sich sowohl sein Vater wie Alfred Escher schon erfolgreich vor Gericht gegen entsprechende Verleumdungen zur Wehr setzten.

Was sich schliesslich nicht ändert, ist die weitere Tatsache, dass beide schon ziemlich lange tot sind und sich gegen diesen Unsinn nicht mehr wehren können. Aber diese Fake News nahm – Überraschung – die Zürcher Stadtpräsidentin Corinne Mauch zum Anlass, das Historische Seminar der Uni Zürich damit zu beauftragen, der Sache mal auf den Grund zu gehen. Der Bericht liegt nun vor, und er zeige, «wie mannigfach die Stadt mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte verbunden war».

Muss die Geschichte Zürichs umgeschrieben werden?

Es rauschte mal wieder gewaltig im Blätterwald; «Wie Zürich von der Sklaverei profitierte», empört sich srf.ch, «Zürich hatte «vielfältige und relevante Verbindungen» zur Sklaverei», übernimmt «watson» der Einfachheit halber den Titel der SDA-Meldung. «Zürich profitierte vom Sklavenhandel», weiss selbst «zentralplus».

Das ist ja furchtbar; muss nun die Geschichte Zürichs umgeschrieben werden? Haben die Zürcher, schon lange bevor in ihren Banken an der Bahnhofstrasse Blutgelder afrikanischer Potentaten gelagert wurden, die deren Vorfahren durch Sklavenhandel angehäuft hatten, auch selber von Sklaverei und Menschenhandel profitiert? Gab es denn sogar Handelsplätze in Zürich, wo schwarze Sklaven wie Tiere vorgeführt und verkauft wurden?

Lachhafte Erkenntnisse von Gesinnungshistorikern

Gemach, so schlimm war’s dann nicht. Denn bei aller Mühe der Historiker, das grelle Licht der Anklage ins Dunkel leuchten zu lassen, haben sie nur geradezu lachhafte «Verknüpfungen» zu Tage gefördert. So habe die Stadt Zürich 1727 Anteile an der South Sea Company erworben. Gemeinhin ist dem Historiker dieser Name wegen der South Sea Bubble geläufig, einer der ersten Wirtschaftsblasen, deren Platzen viele Investoren ruinierte.

Diesem Schicksal entging Zürich immerhin, aber mit dieser Geldanlage sei Zürich «an der Verschleppung von 36’494 Afrikanerinnen und Afrikanern finanziell beteiligt» gewesen. Noch schlimmer trieb es die halbstaatliche Bank Leu, denn sie investierte in die Compagnie des Indes. Die verschleppte von 1720 bis 1750 insgesamt 42’467 Sklaven nach Amerika, haben die Historiker ausgerechnet. Allerdings räumen sie ein, dass Bank Leu erst «einige Jahre später bei der Firma einstieg». Aber das ist sich gleich, Sklavenhandel ist Sklavenhandel, basta.

Noch kühner ist die nächste Verknüpfung, nämlich in Form des Ankaufs dänischer Staatsanleihen. Denn, was Bank Leu natürlich hätte verhindern müssen, mit diesem Geld kaufte die dänische Krone dann zwei karibische Inseln, auf denen Sklaven arbeiteten.

Bunte Tücher aus Zürich im Sklavenhandel

Geht’s noch absurder? Aber immer. Zürich war ein bedeutender Hersteller von sogenannten Indienne-Stoffen. Diese bunten Tücher wurden nach Frankreich und in andere Länder exportiert. Wo ist da die Verknüpfung? Geduld, hier kommt sie: diese Tücher wurden dann nach Afrika verschifft und dort gegen Sklaven eingetauscht.

Muss man noch erwähnen, dass die Baumwollspinnerei Escher, Wyss & Cie. von Alfred Eschers Vater gegründet wurde? Na und? Also bitte, wie urteilt der Tagi: «Es ist ein Nachweis dafür, dass die hiesige Industrie mit der atlantischen Wirtschaft und damit mit der Skalverei verbunden war.» Vor lauter Erregung verwechselt der Autor hier Sklaverei mit skalpieren, wobei das die Ureinwohner der USA mit den Weissen, aber das ist wieder eine andere dunkle Geschichte.

Auf jeden Fall entstand aus der Spinnerei die Maschinenindustrie, und die trug ja bekanntlich «massgeblich zum Schweizer Wohlstand bei», weiss der Tagi. Interessant, da muss der Historiker und ehemalige Leiter der Alfred-Escher-Stiftung, Joseph Jung, in seinem gerade erschienenen Standardwerk «Das Laboratorium des Fortschritts. Die Schweiz im 19. Jahrhundert», zu völlig falschen Schlussfolgerungen, Einsichten und Herleitungen gekommen sein.

900 Zürcher waren Helfershelfer bei irgendwas

Gut, dass das nun zurechtgerückt wird. Und mit anklagenden Gesten auf «900 Zürcher» gezeigt wird, die zwischen 1638 und 1794 «bei der Unterwerfung, Kolonialisierung und Verwaltung von Gebieten Afrikas und Asiens mithalfen». Pfuibäh, sie «halfen bei der Unterwerfung von Sklaven», ist sich der Tagi mit den Historikern einig. Man fragt sich allerdings, wie viele der tapferen Ankläger in den Medien tatsächlich die 56 Seiten dieses Berichts gelesen haben.

In solchen Fällen ist es üblich, sich zu schämen. Daher schäme ich mich dafür, an diesem Historischen Seminar der Uni Zürich Geschichte studiert zu haben. Sagenhaft, wie das inzwischen runtergewirtschaftet wurde. Denn dieser «Bericht», so gelehrt mit umfangreichen Fussnoten und ausführlicher Bibliographie er auch daherkommt, müsste wegen methodologischen, strukturellen, ahistorischen und argumentativen Fehlern selbst als Seminararbeit zurückgewiesen werden.

Wir müssen einen Ausflug in die Psyche machen

Diese «Beweise», diese hergewürgte «Verknüpfung» Eschers, Zürichs in Sklaverei und Sklavenhandel ist dermassen absurd, dass man sie eigentlich nur psychopathologisch erklären kann.

Offensichtlich leiden diese Forscher – und die Berichterstatter in den Medien – unter dem Diktum, dass die Schweiz für grosse Verbrechen einfach zu klein sei. Also möchte man wenigstens einen Grund haben, wieso sich die Schweiz, Zürich, die Nachfahren Eschers, die SKA, der Gotthardtunnel sich schuldig fühlen und schämen müssen.

80 Sklaven auf einer Plantage auf Kuba, über deren Lebensumstände nichts bekannt ist. Angeblich 900 Zürcher, die irgendwelche Funktionen in Afrika und Asien ausübten. Investitionen in Firmen, die wie eigentlich alle Handelsgesellschaften damals auch in Sklavenhandel verwickelt waren.

Nullsummenspiel: Was man in die Geschichte trägt, holt man aus ihr heraus

Wie es der damaligen Mentalität und Auffassung entsprach. Der es auch entsprach, Tiere so zu halten, dass ein heutiger Tierschutz Amok laufen würde. Der es auch entsprach, Frauen als unmündige, zu keiner eigenen Entscheidung fähige Wesen anzusehen. Der es auch entsprach, Blaublüter als durch Geburt und Herkunft über dem Pleps stehende Menschen zu sehen. Der es auch entsprach, Hexen zu verbrennen, Folter als probates Mittel zur Erlangung von Geständnissen anzuwenden.

Alles aus heutiger Sicht gesehen Abscheulichkeiten. Aber die Geschichte der Sklaverei wäre unvollständig ohne die Erwähnung, dass es weisse Männer waren, die ihr Ende forderten, durchsetzten und dafür sogar einen Bürgerkrieg führten. Während die schwarzen Sklavenhändler in Afrika diesem Geschäft schon lange vor der Kolonialisierung nachgingen und auch dazu gezwungen werden mussten, es aufzugeben.

Angesichts all dieser Barbareien ist es schichtweg lächerlich, ja geradezu unverschämt gegenüber den Tätern und Opfern, mit diesen dünnen Beispielen eine Verwicklung Zürichs in Sklavenhandel und Sklaverei und daraus eine bis heute auf uns lastende Schuld herbeizufantasieren.

Völlig verrutschte Perspektiven

Was ist von «Historikern» zu halten, die einen solchen Stuss schreiben: «Sein 200. Geburtstag im Jahr 2019 wurde durch neue Forschungen des Historikers Michael Zeuske überschattet, die belegen, dass der Onkel Alfred Eschers, Friedrich Ludwig Escher, über knapp drei Jahrzehnte die Kaffeeplantage Buen Retiro auf Kuba mit über 80 Sklavinnen und Sklaven betrieb.» Bei der Bedeutung Eschers für die moderne Schweiz ist das ungefähr so absurd, wie wenn man schreiben würde, Gedenkfeiern für den US-Revolutionär Thomas Jefferson, der in der Unabhängigkeitserklärung der englischen Kolonien unsterbliche Worte über unveräusserbare Rechte des Menschen fand, seien überschattet worden von der Tatsache, dass er nicht nur Sklaven hielt, sondern sich auch mit Sklavinnen fortpflanzte.