Die Gesinnungs-Guillotine
Ein unbedachter Satz genügt heutzutage. Mangels Kopf ab folgt die soziale Hinrichtung.
Es ist ein Beispiel aus Deutschland, das sich in der Schweiz jederzeit wiederholen kann. Da gibt es den Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann. Dessen aktive Karriere ist längst beendet; wie viele andere auch erwarb er die Trainerlizenz und tritt als Experte am TV auf.
Trat. Es ist bekannt, dass Fussballspieler, dazu gehört auch der Torwart, nicht zwischen der Weiterentwicklung der Quantenphysik oder dem Balltreten geschwankt haben. Kopfballduelle oder das mutige Hineinhechten gegen den anstürmenden Stürmer, das hinterlässt Spuren.
Gerade Lehmann war bekannt dafür, dass er prima Paraden immer mal wieder mit schweren Fehlern würzte. So einer ist ihm gerade wieder passiert, allerdings nicht im Tor oder als Trainer. Sondern auf WhatsApp. Da haute Lehmann ohne Rücksicht auf Verluste raus:
«Ist Dennis eigentlich euer qotenschwarzer?»
Damit beleidigte er seinen Kollegen und Experten beim TV-Sender Sky, Dennis Aogo. Damit nicht genug, diese Blutgrätsche schickte er auch noch versehentlich an Aogo. Volldepp, Eigentor. Aogo liess das nicht ungenützt verstreichen und veröffentlichte die Nachricht an ihn. Sauber versenkter Treffer, wenn auch aufgelegt.
Das war der Anfang vom Ende
Allerdings hagelte es dann nur so in Lehmanns Tor hinein, wobei natürlich dieser Tor selber dran schuld ist. Schliesslich versuchte er noch verzweifelt, zu retten, was heutzutage nicht mehr zu retten ist:
«In einer privaten Nachricht von meinem Handy an Dennis Aogo ist ein Eindruck entstanden für den ich mich im Gespräch mit Dennis entschuldigt habe. Als ehemaliger Nationalspieler ist er sehr fachkundig und hat eine tolle Präsenz und bringt bei Sky Quote.»
Etwas spät für heutige Geschwindigkeit, aber immerhin. Sich zuerst persönlich entschuldigt, dann die Entschuldigung veröffentlicht. Samt Lobeslied auf den «Quotenneger». Aber das Urteil war natürlich längst gefällt. Rassistische Nachricht, da gibt es kein Pardon mehr.
Wenn das Internet hetzt, dann heucheln die Chefs. Wer schon mal dabei war, wie abschätzig in Redaktionskonferenzen über jeden und alles gesprochen wird; gibt es eine Überschwemmungskatastrophe in Afrika, sagt sofort einer: oh je, nicht schon wieder Neger mit ihren Füssen im Wasser. So ist halt der Talk, um möglichst abgebrüht rüberzukommen.
Ausgeladen, gefeuert, persona non grata
Aber hier bei Lehmann? Den rettet nichts mehr. Sky hat sich sofort von ihm distanziert, wird nicht mehr eingeladen. Seinen Job im Aufsichtsrat von Herta BSC Berlin ist er auch los. Das habe der Hauptinvestor des Fussballclubs so verlangt. Dabei handelt es sich um den Bankrotteur und mehrfach gescheiterten Unternehmer Lars Windhorst. Vorbestraft wegen Veruntreuung im Zusammenhang mit seiner Privatinsolvenz.
Alles vergeben und vergessen, Windhorst hat ja nur diverse Investoren um ihr Geld gebracht und es veruntreut. Das gibt ihm natürlich die moralische Autorität, sich vom «Rassisten» Lehmann eiskalt zu distanzieren.
Einmal «Quotenneger» geschrieben und dann noch blöderweise direkt an den geschickt. Natürlich hat es Lehmann dafür verdient, kräftig abgewatscht zu werden. Wegen der Verwendung dieses Ausdrucks, wegen der völligen Umnachtung, das an den «Quotenneger» abzuschicken.
Aber was macht Lehmann nun? Ohne Auftritte, ohne Posten, geächtet. Für lange Zeit wird an ihm hängenbleiben: Lehmann? Lehmann? Das war doch der mit dem «Quotenneger». Resozialisierung, Nachsicht, Vergebung? Bei einem kriminellen Bankrotteur ja. Der hat wenigstens nicht öffentlich das N-Wort verwendet.
Und was sagt eigentlich der so Beschimpfte? Der hat inzwischen ähnliche Probleme. Denn Aogo sagte doch tatsächlich auf Sky «trainieren bis zum Vergasen». Hui: «Dieses Wort darf man selbstverständlich in überhaupt keinem Zusammenhang verwenden», kroch er in der «Bild»-Zeitung, dem Organ der gehobenen Moral, zu Kreuze,
«das war ein großer Fehler, ich kann mich dafür nur aufrichtig entschuldigen».
Ein solches Eigentor kann inzwischen auch in der Schweiz jederzeit passieren. Ob Quotenneger, vergasen oder Auschwitz: die Liste der verbotenen Wörter wird täglich länger.