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Entwertete Wertgemeinschaft

Westliche Wertegemeinschaft – schöner, hohler Begriff.

Es gibt bekanntlich die Achse des Bösen. Dagegen steht natürlich die Achse des Guten. Die marschierte zum Beispiel im bösen Irak ein, weil der böse Diktator Massenvernichtungswaffen herstellte, und um dort dem Volk Freiheit und Demokratie zu bringen. Der Diktator war zuvor ein Guter, während er mit der Unterstützung des Westens einen der grausamsten Angriffskriege der Neuzeit gegen den bösen Iran führte.

Die Massenvernichtungswaffen waren eine Propagandalüge, statt Freiheit und Demokratie brachte der Einmarsch in den Irak Chaos und Zerstörung. Dumm gelaufen für die Wertegemeinschaft, noch blöder für die Iraker.

Das böse Russland sicherte der guten Ukraine gegen die Rückgabe der sowjetischen Atomwaffen die territoriale Integrität zu. Um dann die Krim zu annektieren und schliesslich das Land zu überfallen. Die Achse des Guten sicherte Serbien nach den Jugoslawienkriegen seine territoriale Integrität zu, um dann den Mafiastaat Kosovo anzuerkennen.

Schöne Wertegemeinschaft. Dieser Wertegemeinschaft sind die Untaten der brutalen saudischen Scheichdiktatur, die Frauen und Oppositionelle unterdrückt, den Wahabismus überall auf der Welt verbreiten will und einen Dissidenten schon mal in einer eigenen Botschaft bestialisch abschlachtet, zerlegt und abtransportiert, völlig egal. Sie lässt es bei sanften verbalen Nasenstübern gegenüber der chinesischen Parteidiktatur bewenden, ist halt neben den USA die wichtigste Wirtschaftsmacht der Welt. Die unmenschliche Parteidiktatur von Nordkoreas Kim dem Dickeren hingegen wird immer wieder in harschen Worten kritisiert. Ist halt ein armer Wirtschaftszwerg, allerdings mit Atombomben.

Schöne Wertegemeinschaft.

Viele Linke, Palästinatuchträger, in vermeintlicher Solidarität mit den Erniedrigten und Unterdrückten dieser Welt, insbesondere derjenigen im Gazastreifen, lassen es zu, dass fanatische islamistische Fundamentalisten und andere Irre ihrer Freude über die Gräueltaten, die die Hamas in Israel begeht, freien Lauf lassen.

Selbstverständlich ist solcher Widersinn im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt, solange er nicht mit Gewaltaufrufen gegen Gesetze verstösst. Jeder darf sich öffentlich zum Deppen machen, jeder darf sich in den asozialen Plattformen als menschenverachtender Idiot outen, der das Massaker in Israel als «Geschenk» begrüsst. Nur sollte jeder auch die Konsequenzen solcher barbarischer Äusserungen tragen müssen.

Selbstverständlich muss auch jede Kritik an der völkerrechtswidrigen und von der UNO x-mal verurteilten Besatzungs- und Besiedlungspolitik Israels, am Versuch der aktuellen Regierung, den Rechtsstaat zu beschädigen, nicht zuletzt deshalb, damit der amtierende Ministerpräsident nach Ende der Immunität nicht in den Knast wandert, weiterhin möglich sein.

Wenn der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant eine «komplette Belagerung» des Gazastreifens ankündigt: «Kein Strom, kein Essen, kein Sprit, alles ist abgeriegelt. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir handeln dementsprechend», dann unterscheidet er sich bei allem gerechtfertigten Zorn nicht von den fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas. Denn auch dort leben keine menschlichen Tiere.

Was die Hamas machte und macht, sind bestialische und durch nichts zu rechtfertigende Gräueltaten, Kriegsverbrechen und völkerrechtswidrig. Wenn Israel Hunger als Waffe einsetzen will und durch das Abschalten des Stroms bewirkt, dass in Spitälern Zivilisten sterben, dann sind das auch Kriegsverbrechen. Beides muss als solches bezeichnet werden, was verdankenswerterweise der Staatsrechtler Oliver DIggelmann auch in aller Klarheit tut.

Jeder, der solche Kritik als Antisemitismus niederkeulen will, ist ein Gegner der freien Meinungsäusserung und ein Antidemokrat.

Aber dass sich die Regierungen der EU – und der Schweiz – nicht deutlicher und klarer positionieren, dass die Hamas in der Schweiz nicht sofort verboten wird, das ist ein weiteres Armutszeugnis dieser Wertegemeinschaft.

Jubelmanifestationen wegen den barbarischen Massakern an Zivilsten, an den Besuchern eines Musikfestivals sollten nicht verboten werden. Aber ihre Teilnehmer sollten alle rechtsstaatlich möglichen Konsequenzen tragen müssen. Niemandem ist ein Bekenntnis zu Israel oder gegen Judenhass abzufordern. Aber wenn wir eine Wertegemeinschaft sein wollen, vermisst man doch schmerzlich klare Worte der Politik und der Parteien. Vor allem von Politikern und Parteien, die noch vor Kurzem ein Verbot der Hamas in der Schweiz abgelehnt haben. Ein dünn-dümmliches «das muss überdacht werden» wie von Fabian Molina reicht da nicht.

Gearbeitet wird mit allen Mitteln der Propaganda. So kursiert in den asozialen Netzwerken ein Video, das angeblich nach den Massakern jubelnde Palästinenser in Zürich zeigen soll, die Fake-News-Schleuder «Breitbart» will sogar noch Hamas-Rufe gehört haben. Aber das Video ist zwei Jahre alt.

In Wirklichkeit ist diese Wertegemeinschaft weitgehend wertlos, einäugig, doppelzüngig, nimmt Anstand und Moral für sich in Anspruch, wendet das aber nur dort an, wo es ihr ins politische Machtkalkül passt.

Und wundert sich dann, dass die überwältigende Mehrheit der Staaten auf der Welt die Sanktionspolitik gegen Russland nicht mitträgt. Natürlich auch aus machtpolitisch-wirtschaftlichen Gründen. Aber auch deswegen, weil die westliche Wertegemeinschaft so einäugig auf Gebiete fixiert ist, die für sie wichtig sind. Die Ukraine als Schauplatz für einen Stellvertreterkrieg gegen Russland. Israel als Bastion des Westens im Nahen Osten, als Speerspitze gegen den Iran, gegen Syrien, inzwischen weniger gegen Saudi-Arabien.

Und all die anderen Orte auf der Welt, wo heute, jetzt, übelste Massaker, Vertreibungen, Metzeleien, Vergewaltigungen, Klitorisbeschneidungen stattfinden, die sind dieser Werkgemeinschaft schlichtweg scheissegal. Wozu sie nochmals aufzählen. Ein Massaker in Myanmar, ach ja, weit weg, keine Rohstoffe, was soll’s. Ein vernichtendes Erdbeben in Afghanistan mit Tausenden von Toten. Na und, das haben die Taliban halt davon.

Das ist kein  Whatsaboutism, das erklärt, wieso nicht nur in der fundamentalistisch-islamischen Welt die USA und Westeuropa keineswegs als vorbildliche Wertegemeinschaft wahrgenommen werden. Schlimmer noch: indem wir falsche Toleranz gegenüber Intoleranten zeigen, fanatisch-religiösen Amoks, die überall Antisemitismus wittern, fanatisch-religiösen Amoks, die Untaten gegen Ungläubige als vom Koran geforderte Heldentaten abfeiern, indem wir dem Platz in unserer permissiven Gesellschaft geben, versagen wir als Wertegemeinschaft nochmals.

Nein, Manifestationen jeder Art, auch der menschenverachtend-widersinnigen, müssen erlaubt bleiben, solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegen. Aber wo bleibt die massive und einhellige Verurteilung dieses Wahnsinns? Wo bleibt das klare Wort der Regierenden, der Politiker, der Parteien, der Meinungsträger? Nein, kein butterweiches «Entsetzen» über eine «Gewalteskalation». Sondern Massnahmen, die adäquat sind.

Ein Verbot aller islamistischen Organisationen. Ein Verbot aller palästinensischen Unterstützungsorganisationen für den Gazastreifen. Denn die Hamas ist nicht einfach eine von dort operierende Terrororganisation. Sie wurde gewählt und regiert das Gebiet.

Schliesslich führt angesichts dieser Gräueltaten kein Weg daran vorbei, die potenziellen Brutstätten islamistischen Wahnsinns zu verbieten. Also Koranschulen und Moscheen. Jeder Anhänger des Islams darf selbstverständlich seiner Religion weiterhin ungestört nachleben, gen Mekka beten, den Koran lesen, seinen mittelalterlichen Ratschlägen folgen. Aber es kann im Namen der Toleranz nicht länger toleriert werden, dass mitten in unserer Gesellschaft unkontrollierte Dunkelkammern existieren, die sicherlich auch für fromme und erbauliche Gebete und Gottesdienste verwendet werden. Aber eben auch als Brutstätten islamistischen Wahnsinns, Ausbildungsstätten für zukünftige Gotteskrieger missbraucht werden.

Kein Video der barbarsichen Hamas-Schlächter, in dem nicht der Ruf «Allah u Akbar» erschallt, Allah ist gross. Daher muss sein Einfluss in unserer Wertegemeinschaft, wenn sie so eine sein will, kleiner gemacht werden. Viel kleiner.

 

 

Religionsfeigheit

Die Züchtigungen sind doch nicht das Problem.

Tatzen, Schläge mit dem Lineal auf die Finger. Druck auf die Knöchel. Ohrfeigen. Sogar Prügel. Das waren lange Zeit akzeptierte Erziehungsmassnahmen in der Schule und auch zu Hause. Nach der Devise: «eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet

Die beste Anekdote, die ein Rundruf im Bekanntenkreis ergab: ein Lehrer will einem Mitschüler eine Ohrfeige geben. Der trägt aber Brille, der Lehrer befürchtet Verletzungsgefahr. Also befiehlt er dem Schüler: «Brille runter!» Der weiss aber, was ihm dann blüht, also weigert er sich. Der Lehrer befiehlt laut und lauter und schalmeit: «Keine Angst, ich tu dir nix.» Der Schüler knickt ein, zieht die Brille aus – und zack, kriegt eine schallende Ohrfeige.

Man mag dieses pädagogische Prinzip befürworten oder verachten. Dass allerdings Jahrzehnte später ein paar Zöglinge einer Privatschule mit Tränen in den Augen von körperlichen Züchtigungen berichten, die sie damals erlitten haben – und über die es wie immer keine einzige Strafuntersuchung gab oder gibt –, das ist verstörend. Dass auch von einer vertuschten Vergewaltigung die Rede ist, wobei nicht immer erwähnt wird, dass sie unter minderjährigen Schülern stattfand, der Täter rausgeschmissen wurde – typisch Elendsjournalismus.

Dass bei dem ganzen Gewese über diesen sozusagen historischen Skandal weiterhin kein Wort über das Schicksal von Hunderttausenden von Kindern verloren wird, die in Westafrika in meist kleinen Kakaofarmen schuften müssen, dort auch misshandelt und gequält und missbraucht werden, das ist der Skandal im Skandal.

So nebenbei, um da weiteren Missverständnissen vorzubeugen: solche Quälereien finden eher selten in Farmen statt, die von den angeblich bösen Transnationalen betrieben werden. Sondern in privaten Kleinunternehmen. Übrigens genau wie bei Minenarbeiten aller Art.

Dass das Zürcher Film Festival als Begründung für seine Kehrtwende und den Abbruch der Beziehung zur Schokoladefirma Läderach anführt, dass diese damaligen Qualen halt wie auch immer mit dem Namen verbunden seien, ist scheinheilig. Dass beim Festival Schoggi verteilt worden wäre, deren Herstellung zumindest fragwürdig ist, das hätte das ZFF einen Dreck interessiert.

Aber vom SRF angefangen traut sich niemand so recht, das eigentliche Problem beim Namen zu nennen. Sozusagen den Schoggi-Elefanten im Raum. Das Problem Religion. Das Problem religiöser Fanatismus. Den gibt es nicht nur bei fundamentalistischen Irren, die meinen alles, was im Koran stünde, sei bis heute wörtlich zu nehmen und ausserdem höchste Richtschnur für das Verhalten von allen.

Religiösen Wahn gibt es auch innerhalb der christlichen Kirche. In allen Farben, Spielarten und Ausprägungen. Jeder Sektenradar ist voll von solchen Erscheinungen. Aber statt dass Sektenexperten wie Hugo Stamm befragt werden, plustern sich Marketing- und Imageberater auf und benützen die Gunst der Stunde für Eigenwerbung. Allerdings meistens mit so absurden Ratschlägen «proaktiv werden!», dass sie sich damit wohl kaum neue Kunden generieren.

Aber der Fokus sollte doch hier liegen: Der evangelikale «Hof Oberkirch» war offenbar längere Zeit ein Ableger einer südafrikanischen Sekte namens «Kwasizabantu». Ihr Guru ist Erlo Stegen, mit dem Jürg Läderach offenbar eine enge Beziehung verbindet.

Läderachs religiöse Haltung kann man wohl dem Evangelikalismus zuordnen, der sich aus dem deutschen Pietismus speist. Diese spiritualistischen Bewegungen gehen von einer persönlichen Beziehung des Einzelnen zu Gott (sowie zu Jesus Christus als Herrn und Erlöser) und einer irrtumsfreien Autorität der Bibel aus.

Daher sind in dem Dok-Film über die Zustände in der Privatschule eigentlich die Szenen verstörend, in denen Läderach Senior verzückt und inbrünstig vom liebenden Jesus schwärmt.

Daran kann man ermessen, wie schwer es sicherlich seinen Söhnen gefallen sein muss, sich von dieser Religiosität ihres Vaters zu lösen und aus der Kirche auszutreten. Deutlicher als der aktuelle CEO Johannes Läderach kann man sich wohl kaum öffentlich von seinem eigenen Vater distanzieren. Deutlicher kann man zudem keine Zweifel an dessen eidesstattlicher Erklärung äussern, dass Läderach Senior niemals selbst körperliche Züchtigungen durchgeführt habe.

Dem steht zumindest eine klare Zeugenaussage im Dok-Film entgegen; offenbar hat Läderach Senior hier seine Drohung, gegen solche Behauptungen gerichtlich vorzugehen, bereits wahrgemacht. Wenn die Unschuldsvermutung noch etwas gelten würde, wäre er unschuldig.

Unbestritten ist es, dass es in dieser Schule aus frommen (oder vielleicht auch weniger frommen) Motiven zu körperlichen Übergriffen kam. Zudem habe ein Regime der Angst geherrscht, wie es in fanatischen religiösen Gruppen Gang und Gebe ist. Offensichtlich schickten hier Eltern ihre Sprösslinge hin, die ebenfalls unter diesen religiösen Wahnvorstellungen litten.

Geradezu absurd ist es allerdings, dass sich der Dok-Film und die anschliessende öffentliche Debatte auf die körperlichen Züchtigungen kapriziert. Dabei wären die Auswirkungen der Indoktrination mit fanatisch-fundamentalistischen Auslegungen der Bibel mindestens so interessant – und in den Auswirkungen sicherlich nachhaltiger.

Auch der aktuelle CEO Läderach hat diese Schule besucht, schickt seine eigene Kinder dorthin. Solange es allerdings nicht zu strafbaren Handlungen an dieser Schule kommt, ist das seine Privatangelegenheit. Anscheinend herrscht in der Schweiz Religionsfreiheit.

Es herrscht aber auch Religionsfeigheit. Gelegentlich darf islamischer Fundamentalismus kritisiert werden. Missbräuche in der katholischen Kirche sind auch immer wieder ein beliebtes Thema. Was sich aber im Bereich religiöser Wahn sowohl in der katholischen wie auch evangelischen Kirche (und um sie herum) abspielt, das wird nur mit spitzen Fingern angefasst. Normalerweise. Warum? Nun, Läderach Senior ist nicht der einzige einflussreiche und reiche Geschäftsmann, der etwas abseitigen religiösen Vorstellungen anhängt.

Natürlich sind auch Anhänger des jüdischen Glaubens weitgehend kritikbefreit, weil das sofort und gnadenlos mit der Antisemitismus-Waffe gekeult wird.

ZACKBUM ist gespannt, ob das Schicksal der afrikanischen Kinder bei der Schokoladenherstellung jemals thematisiert wird. Oder das Problem von religiösem Fanatismus innerhalb der christlichen Kirche. Wir können weder Wunder bewirken, noch haben wir seherische Kräfte. Sagen aber mutig: nie. Oder, als guter Seher lassen wir ein Hintertürchen offen: höchstens am Rande.

Die katholische Kirche singt inzwischen ein Hosianna nach dem anderen …

Taliban, ganz lieb und zahm

Sie wollen doch nur spielen. Diesmal ist alles anders und viel lockerer.

 

In eigener Sache: Das ist der 1000. Artikel auf ZACKBUM*

Schlimmer noch als das Desaster eines 20 Jahre lang andauernden Versuchs, in Afghanistan eine Zivilgesellschaft aufzubauen. Schlimmer noch als die katastrophale Fehleinschätzung über die Verteidigungskraft der afghanischen Armee. Schlimmer noch als die Ferndiagnosen vom Schreibtisch in Indien, Deutschland oder der Schweiz. Schlimmer als all das ist nur noch eins: wenn westliche Medien den fundamentalistischen Wahnsinnigen auf den Leim gehen.

Es ist natürlich verständlich, dass der westliche Afghanistan-Korrespondent oder -Spezialist oder -Analyst seiner Aufgabe mit genügend Sicherheitsdistanz nachgeht. Könnte ja sein, dass die Taliban doch nicht so nett sind, wie sie sich offiziell geben.

Netter Taliban spricht mit Frau, vor laufender Kamera!

Aber eigentlich sind sie so nett. Ein Taliban lässt sich sogar im TV von einer Frau (!) ohne Gesichtsschleier (!!) interviewen. Er kündigt an, dass Frauen selbstverständlich weiter zur Arbeit gehen dürften, auch in die Schule. Kein Ding, meint der nette Taliban.

Andere noch nettere Taliban kündigen an, dass man sogar darüber nachdenke, Frauen in die Übergangsregierung aufzunehmen. Westliche Hilfsorganisationen, die wagemutig in Afghanistan ausharren, berichten erfreut, dass man mit den neuen Machthabern durchaus zusammenarbeiten könne. Plünderungen, Massenvergewaltigungen, Zwangsehen, das alles sähen die Taliban überhaupt nicht gerne.

Fundamentalismus reloaded: diesmal wird alles viel netter

Zudem überschlagen sich die Taliban mit Ankündigungen, dass sie keine Rache nehmen wollten, eine Amnestie für alle Helfershelfer der ausländischen Besatzer gelte, auch für Regierungsangestellte, Armeeangehörige und alle, die etwas gegen die Taliban gehabt haben sollten.

Es fehlt nur, dass sich die bärtigen Kämpfer demonstrativ eine Mohnblume in die Maschinengewehre stecken, mit denen sie martialisch durch die Strassen von Kabul patrouillieren. Gibt’s nun also Fundamentalismus light? Kann man Afghanen im Allgemeinen und afghanischen Frauen im Speziellen ruhigen Gewissens empfehlen, ihr Schicksal in die Hände der gütigen Gotteskrieger zu legen?

Macht sich der Mann unnötig Sorgen um seine Familie?

Sind das alles unberechtigte Ängste, die von allzu vielen afghanischen Frauen und kompetenten Beobachtern oder Betroffenen geäussert werden? Sind diese Zeugnisse und Aussagen glaubhaft?

Wie lange darf Clarissa Ward sich das noch trauen?

Nein, ZACKBUM ist keinesfalls im Besitz der göttlich offenbarten Wahrheit, das unterscheidet uns schon mal von diesen Gotteskriegern. Aber kann man sich der «Liga maghrebinischer Gelehrter» mit Sitz in Genf anschliessen, die sich darüber freuen, dass «Allah unseren afghanischen Brüdern einen eindeutigen Sieg bescherte»?

Vergessen und Verzeihen für die Massaker und Greueltaten?

Soll man nun die Burka des Vergessens über all die Greueltaten legen, die die Taliban während ihrer Schreckensherrschaft ab 1996 begangen haben? Ihre unablässigen Attentate auf Bildungseinrichtungen von Frauen, ihr Gemetzel an Schülerinnen und Lehrerinnen, ihren Hass auf alles, was Afghanistan aus steinzeitlichen Stammeswelten ins 21. Jahrhundert führen könnte?

Selbstmordattentäter: 48 Tote bei Angriff auf Schule.

Über 50 Tote nach Bombenattentat auf Mädchenschule in Kabul.

Ihren nackten Terror gegen alles und alle, die islamistische Regeln, uralte Stammesstrukturen, menschenverachtendes Verhalten gegenüber Frauen kritisierten, gar etwas dagegen unternahmen, soll man das vergessen?

Während sich süssholzraspelnde Taliban medial über die dummen Westler lustig machen, reicht ein Blick auf den starken Mann der fundamentalistischen Irren, Hibatullah Achundsada:

Hibatullah Achundsada ist der Nachfolger von Akhtar Mansur,  der von den USA per Drohne erledigt wurde. Mansur seinerseits trat die Nachfolge des Blutsäufers Mullah Omar an. Also eine Linie von Garanten der Frauenrechte, weichgespülte Taliban ohne jeglichen brutalen Fanatismus.

Oder einfacher gefragt: würden Sie diesem Mann ihre 12-jährige Tochter anvertrauen?

Vielleicht fragt sich der eine oder andere, wieso der aktuelle Präsident Afghanistans so schnell Fersengeld gab und ins Exil abschwirrte, bevor die Taliban Kabul einnahmen. Wohl weil er nicht wie sein Vorgänger enden wollte, als die Fundamentalisten das letzte Mal die Macht übernommen hatten. Mohammed Nadschibullāh, der damalige gewählte und amtierende Präsident, hatte es nicht rechtzeitig aus Kabul heraus geschafft. Wikipedia erzählt sein Ende:

«Nach seinem Sturz versuchte Nadschibullāh, Kabul zu verlassen, wurde aber von Einheiten Raschid Dostums daran gehindert. Er suchte Schutz im UN-Hauptquartier von Kabul. Dort blieb er bis zur Eroberung Kabuls durch die fundamentalistischen Taliban, die ihn am 27. September 1996 abholten, folterten und ermordeten[1] und den Leichnam, aufgehängt an einer Betonplattform für Verkehrspolizisten, vor dem Präsidentenpalast zur Schau stellten.»

Zurschaustellung Nadschibullahs: Aber heute sind die Taliban ganz anders.

Keine Ahnung zu Afghanistan haben, das ist schon ein Armutszeugnis für die sogenannten Qualitätsmedien in der Schweiz. Diese Lücke kann der interessierte Zeitgenosse noch mit der Lektüre angelsächsischer Medien einigermassen schliessen.

Dass bislang weitgehend Berichte über Reaktionen Schweizer Muslims fehlen, ist ein gesondertes Armutszeugnis. Dass alle kompromisslosen Kämpferinnen gegen die Unterdrückung der Frau und für das Gendersternchen keinen Mucks machen, wenn es um die Behandlung ihrer Schwestern in Afghanistan und den Applaus von Gesinnungstätern in der Schweiz geht, das ist der schwarze Rand der Armseligkeit und Heuchelei.

Länder, in denen die Scharia angewendet wird.

Dass aber aus Unkenntnis die Schalmeienklänge der inzwischen PR-geschulten Taliban nur mit leisen kritischen Tönen kolportiert werden, mit zaghaften Zweifeln, aber durchaus von der Haltung «man muss halt mal schauen» begleitet werden, das schlägt wirklich dem Fass die Krone ins Gesicht.

 

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*JUBILÄUM: Das ist der 1000. Beitrag auf ZACKBUM

 

Seit dem 25. Juli 2020 wird hier Medienkritik betrieben. Innert eines Jahres ist ZACKBUM nicht nur zu einer vielgelesenen, kritischen Stimme im Mediensumpf geworden.

Es wurde auch immer einsamer; NZZ, «Schweizer Journalist», «Medienwoche», gar «Edito»: alle anderen kritischen Begleiter der Medien sind verkümmert, entmannt oder verschwunden.

Dabei war es nie so nötig wie heute, die immer noch entscheidend wichtigen Organe der öffentlichen Meinungsbildung zu beobachten, zu analysieren und zu kritisieren. Das werden wir weiterhin tun. Mit Spass und Biss. Unabhängig, unparteiisch, keiner Korrektheit verpflichtet.

Wir danken allen Lesern für ihre Treue, ihre Kommentare und ihre Anregungen. Wir spüren den Leidensdruck in der Branche; so viele Whistleblower tragen Informationen an uns heran; auch dafür besten Dank. Wir scheuen uns nie, nach Überprüfung all die kleineren und grösseren Sauereien ans Tageslicht zu befördern.