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Kevin Spacey: unschuldig

Dennoch hat der Schauspieler «alles verloren».

Der zweifache Oscar-Preisträger hatte in «House of Cards» die Rolle seines Lebens gefunden. Frank Underwood katapultierte die Darstellung eines skrupellosen, aber gefühlvollen und genialischen Politikers in eine neue Dimension, die alles hinter sich liess, was in diesem reichen Genre vorher existierte.

2017 endete das alles abrupt, als im Rahmen der aufkommenden #metoo-Bewegung Vorwürfe über sexuelle Übergriffe gegen den homosexuellen Spacey bekannt wurden. Netflix beendete sofort die Zusammenarbeit, Spacey wurde sogar aus einem bereits fertig abgedrehten Film herausgeschnitten. «Alles Geld der Welt» wurde von Ridley Scott mit Christopher Plummer an Stelle von Spacey nachgedreht, ein grosser schmutziger Fleck auf der Weste dieses ansonsten genialen Regisseurs.

Die ersten Vorwürfe lagen 30 Jahre zurück; schnell meldeten sich weitere angebliche Opfer. Nicht nur in den USA, auch in England wurden Vorwürfe erhoben, da Spacey einige Jahre künstlerischer Direktor des «Old Vic» Theaters in London gewesen war.

In den darauffolgenden Jahren bekam Spacey keine Gelegenheit mehr, sein überragendes schauspielerisches Talent unter Beweis zu stellen. Er wurde zum Posterboy der #metoo-Bewegung, neben dem verurteilten Sexualstraftäter Harvey Weinstein wurde er als zweites, noch nicht verurteiltes Monster durch den Dreck gezogen. Wie bei solchen Anschuldigungen bis heute üblich, wurde auf die Unschuldsvermutung gespuckt.

2020 reichte ein angebliches Opfer Strafanzeige ein, wegen eines Vorfalls, der sich 1986 ereignet haben sollte. Sie wurde mangels Beweisen abgeschmettert. Dann fordere es in einem Zivilprozess 40 Millionen Dollar Schmerzensgeld. Abgeschmettert. Sämtliche weitere Klagen oder Anschuldigungen in den USA waren substanzlos.

Daraufhin konzentrierte sich die Meute der Vorverurteiler auf den Prozess in England. Hier habe der Schauspieler sicherlich nicht den gleichen Einfluss wie in den USA, hier werde endlich die Gerechtigkeit siegen, ein weiteres übergriffiges Monster werde seine gerechte Strafe erhalten.

Freispruch auf ganzer Linie.

Aber die ungerechte Strafe hat Spacey schon längst bekommen. Sieben Jahre Schauspielerleben gestohlen. Vom Olymp des angesehenen Hollywood-Stars in die Hölle des Sexualtäters. Horrende Kosten, kaum Einnahmen. Alle Prozesse gewonnen, alles verloren.

All diese pathetischen Weiber und ihre schleimigen Helfershelfer in den Gazetten, die sich das Maul zerreissen, aber nie vergessen, scheinheilig «es gilt die Unschuldsvermutung» dazuzuschmieren, all die kommen wieder mal straflos davon.

Schon wieder einen Unschuldigen erledigt, durch den Schlamm gezogen, erniedrigt, vorverurteilt. Mal eine Einsicht, eine geknirscht Entschuldigung, eine Selbstreflexion, dass es im öffentlichen Diskurs doch nicht so weitergehen darf? Wo jeder Mann gekeult werden kann, wenn es irgend jemandem einfällt, von einer Kussattacke von vor unzähligen Jahren zu schwadronieren, mit der frau aber erst heute an die Öffentlichkeit gehen könne, weil so traumatisiert. Aber leider ist alles verjährt, und oh Schreck, die sorgfältige Untersuchung des Vorfalls erweist: nichts dran, nicht belegbar, alles Unsinn, alles eine miese Masche, um in die Schlagzeilen zu kommen.

Dagegen ist nach wie vor kein Kraut gewachsen. Aber immerhin mehren sich die Stimmen, die ein Ende von diesen Hetzjagden fordern. Und vor allem, dass willige Helfershelfer in den Medien endlich in die Schranken gewiesen, abgemahnt und dann entlassen werden.

Wir könnten hier gerne Namen nennen, aber die Prozesskasse ist leider gerade leer.

Denunziationsmaschine #metoo

Kevin Spacey nochmals freigesprochen.

Francis Underwood wäre das nicht passiert. Mit der Verkörperung dieser Figur in «House of Cards» hatte Spacey wohl die Rolle seines Lebens gefunden. Er hob die Darstellung eines skrupellosen, intelligenten, mit allen Wassern gewaschenen Machtpolitikers auf eine neue Ebene. Er spielte nicht Underwood, er war seine Figur. Er machte den Zuschauer zu seinem Komplizen, wenn er mit charismatischer Bösartigkeit direkt in die Kamera sprach und seine machiavellistischen Schachzüge erläuterte.

Das hätte noch gut und gerne eine Weile so weitergehen können, wenn ihm nicht #metoo passiert wäre. Die Protagonistin der Bewegung musste sich schnell einmal selbst Missbrauchsvorwürfen erwehren. Und natürlich brachte sie Schweinebacken wie Harvey Weinstein zur Strecke, der den unseligen Hollywood-Brauch der Castingcouch weiterhin gepflegt hatte.

Wobei hoffnungsfrohe Schauspielerinnen ihm unfreiwillig, aber auch freiwillig zu Willen waren, um ihre Karriere zu befördern. Schnell aber wurden die Vorwürfe immer absurder und reichten in die tiefste Vergangenheit zurück. So musste sich Dustin Hoffman für einen möglichen Vorfall entschuldigen, der sich 1985 zugetragen haben sollte.

Auch Kevin Spacey sah sich unter anderem damit konfrontiert, dass er 1986 einen damals 14-Jährigen unsittlich berührt haben sollte. Der hatte 2017, als #metoo auf ihrem Höhepunkt war, diesen Vorwurf erhoben. Bei einer Party in Manhatten in Spaceys Apartement sei der zu ihm ins Schlafzimmer gekommen, habe ihn wie eine Braut hochgehoben und sich schliesslich quer über ihn gelegt. Dafür wollte das vermeintliche Opfer 40 Millionen Dollar Schadenersatz.

Die Jury brauchte dann nicht einmal eine Stunde, um Spacey von diesem Vorwurf freizusprechen. Dazu beigetragen hatte die Ausführung seiner Anwältin, dass es für den geschilderten Tathergang eine nicht vorhandene Wand und eine ebensolche Türe gebraucht hätte, denn Spaceys damalige Wohnung war eine Loft ohne eigenes Schlafzimmer. Zudem habe der 14-Jährige damals an einem Theaterstück mitgewirkt, in dem genau so eine Szene gespielt wurde.

Damit sind in den USA alle Vorwürfe gegen Spacey erledigt. Allerdings warten in England noch weitere Prozesse auf ihn. Die Zwischenbilanz ist auf jeden Fall ernüchternd. Natürlich hat #metoo den Blick auf Übergriffe geschärft, die unter Ausnützung von Abhängigkeitsverhältnissen, der jugendlichen Unerfahrenheit oder mit Hilfe des Nimbus der Berühmtheit begangen wurden.

Natürlich gibt es in all diesen Fällen eine Grauzone, wo ein Nein nicht als nein gemeint ist und ein Ja nicht als ja. Die Grauzone, dass zwischen Erwachsenen im gegenseitigen Einverständnis so ziemlich alles stattfinden kann. Die Grauzone, dass im Nachhinein einer der beiden Beteiligten aus welchen Gründen auch immer zur Erkenntnis gelangt, dass seine Teilnahme doch nicht freiwillig und einverständig erfolgte.

Allerdings ist Spacey bis heute so unschuldig wie alle Leser von ZACKBUM, die keinen Eintrag im Strafregister haben. Nur ist seine Karriere zerstört worden, hat er die Rolle seines Lebens verloren, wurde sogar in der allgemeinen Hysterie aus einem schon abgedrehten Film herausgeschnitten, als sei er ein Aussätziger, dessen Anblick man keinem Kinogänger zumuten könnte.

Wie meistens bei ins Hysterische umschlagenden Bewegungen übernimmt natürlich der Mob keinerlei Verantwortung für die Zerstörung von Karrieren und Existenzen. Denn gerade Vorwürfe, die sich auf Ereignisse beziehen, für die es normalerweise nur zwei Zeugen gibt, gerade Vorwürfe, die sexuelle Übergriffe zum Thema haben, bleiben an allen Betroffenen kleben. Seien sie schuldig oder unschuldig.

Deshalb müssten sie eigentlich mit grossem Verantwortungsbewusstsein erhoben werden. Im Wissen darum, dass vor allem ein Prominenter damit häufig seine Karriere beenden muss. Das ist aber auch bei Nicht-Prominenten der Fall. Man stelle sich nur vor, wie oft schon ein Vorgesetzter (seltener auch eine Vorgesetzte) wegen eines unbedachten Worts oder sogar wegen eines erfundenen Vorfalls aus Amt und Würden gejagt wurde.

Denn noch verächtlicher als ein sexueller Übergriff ist seine Erfindung als Waffe.

Richter Ratlos

Ungeheuerliches im Zürcher Obergericht.

Thomas Hasler vom «Tages-Anzeiger» ist ein sehr erfahrener Gerichtsreporter. Als solcher braucht er eine Akkreditierung am Gericht. Das ist der einzig vorstellbare Grund, wieso er nicht mit scharfen Worten eine Ungeheuerlichkeit kritisiert, die im Obergericht stattfand. Das gilt auch für Tom Felber von der NZZ, der ebenfalls schon im Titel ein skandalöses Zitat bringt: «Ein «Drittklass-Freispruch»».

Seien Sie nicht allzu stolz auf diese Urteilsbegründung …

Darum geht es: Das Bezirksgericht Meilen hatte im September 2020 über einen Mordfall geurteilt. Eine 73-jährige Ärztin war im August 2016 in ihrer Villa in Küsnacht zu Tode gekommen. Viele Indizien wiesen auf Mord hin, allerdings wurde die Obduktion der Leiche durch eine Schlamperei der Zürcher Rechtsmedizin viel zu spät durchgeführt, so dass Zweifel blieben.

Aber es gab genug Indizien, um einen heute 39-Jährigen wegen Mordes zu 19 Jahren zu verurteilen. Der aber schweigt bis heute eisern und teilte dem Gericht nur mit, dass er es nicht gewesen sei. Als Auftraggeberin des Tötungsdelikts geriet schnell die heute 48-jährige Tochter der Ärztin in Verdacht. Sie war damals drogenabhängig und stand in Gefahr, enterbt zu werden. Das brachte ihr vier Jahre Untersuchungshaft ein, in der auch sie immer ihre Unschuld beteuerte.

Sie war in der ersten Instanz freigesprochen worden und hatte eine Entschädigung von 200’000 Franken für die U- und Sicherheitshaft erhalten. Die Staatsanwaltschaft wollte das nicht so stehen lassen und forderte auch vor dem Obergericht eine Freiheitsstrafe von 18,5 Jahren wegen Anstiftung zum Mord. Die Tochter soll dem damals mit ihr Liierten 300’000 Franken dafür versprochen haben.

Aber auch die zweite Instanz erkannte auf Freispruch. Im Zweifel für den Angeklagten, und die Indizien reichten nicht aus, um über jeden vernünftigen Zweifel erhaben den Mordauftrag zu beweisen. Das ist gerichtlicher Alltag.

Dann aber wurde es aschgrau: «Seien Sie nicht allzu stolz auf den 3.-Klass-Freispruch», zog der Gerichtspräsident Christoph Spiess vom Leder. Das Urteil sei auf Messers Schneide gestanden, was sich in einem 2:1-Mehrheitsentscheid für Freispruch ausgedrückt habe. Einmal in Fahrt, fuhr Spiess fort:

«Sie sind in den Fall verstrickt und haben mit dem Tod der Mutter zu tun. Aber wir wissen nicht wie.»

Es habe ein dichtes Indiziennetz gegeben, aber das sei leider nicht eindeutig gewesen.

Damit nicht genug der Philippika: Die Tochter habe eindeutig ein Motiv gehabt: «Sie werden freigesprochen, auch wenn Sie nicht sauber sind», donnert der Richter, als wolle er eine moderne Fassung des «zerbrochnen Krugs» geben. Deshalb sei es dem Gericht «schwergefallen», der Tochter 200’000 Franken Genugtuung zuzusprechen. Zustände wie am Dorfgericht von Richter Adam. Nur nicht so lustig.

In unserem Rechtsstaat gibt es für einen Angeklagten nach der Gerichtsverhandlung zwei Zustände. Schuldig oder nicht schuldig. Es gibt keine Schuld- oder Freisprüche erster, zweiter oder dritter Klasse. Laienbeobachter möchten gerne zwischen einem Freispruch wegen erwiesener Unschuld und seinem kleinen Bruder «aus Mangel an Beweisen» oder wegen «im Zweifel für den Angeklagten» verschiedene Klassen unterscheiden.

Richter Spiess führt nebenbei das Sekretariat der «Schweizer Demokraten» und blödelte auch schon auf Tiktok herum:

Letztes Jahr erhob sich die Frage, ob Spiess sich damit der Würde seines Amtes angemessen verhalten habe. Hier kann man noch sagen, dass im Privaten schlechter Geschmack nicht strafbar ist. Auch etwas abseitige politische Orientierung ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber einen Freispruch mit dieser Begründung eigentlich in einen Schuldspruch verwandeln, das ist ein starkes Stück.

Denn eigentlich sagt Richter Gnadenlos: Sie sind’s gewesen, aber leider können wir’s Ihnen nicht nachweisen und müssen Sie contre coeur freisprechen. Dass Sie auch noch Geld kriegen, tut uns weh, als käme es aus unserem Portemonnaie.

Wildwest im Rechtsstaat – und keiner protestiert.