Politisch korrekte Farbenlehre
Man würde dem Wahnsinn ja gern aus dem Weg gehen, aber der steht mittlerweile förmlich überall. Neuestes Beispiel: Ein «Skandal» um Briefmarken.
Von Stefan Millius
Inzwischen reicht es bekanntlich nicht mehr, kein Rassist zu sein. Man muss neuerdings auch auf Schritt und Tritt erklären, dass man keiner ist und fortwährend Zeichen gegen Rassismus setzen. Proaktiv. Wer einfach so vor sich hinlebt und jeden Menschen lässt, wie er ist, schweigt ja gewissermassen trotz so viel Ungerechtigkeit auf der Welt. Damit ist er dann so etwas wie ein passiver Rassist.
Deshalb fand die spanische Post, sie müsse ein Signal aussenden, um zu zeigen, wie ernst es ihr ist mit der politisch korrekten Haltung. Das tat sie mit einer Briefmarkenserie, die grafisch nun nicht gerade eine Herausforderung war. Die Marken sind einfarbig, ohne Sujet – und symbolisieren die Hautfarben. Die hellste Briefmarke ist die teuerste und damit die wertvollste, mit der Marke im dunkelsten Farbton lässt sich die geringste Fracht spedieren.
Wer das liest, zuckt aus Erfahrungswerten heraus innerlich zusammen: Wie kann man eine dunkle Hautfarbe minderwertiger darstellen? Das kann ja nur in einem Shitstorm enden.
Leider um die Ecke gedacht
Gemach, sagt die Post in Spanien, das ist ja gerade der Witz an der Sache. Otto Normalverbraucher muss sich so zwingend Gedanken über rassistische Ungleichheiten machen, wenn er ein Paket frankiert und dafür viel mehr dunkle als helle Marken braucht. So wolle man «auf die Realität von farbigen Minderheiten aufmerksam machen».
Zeichensetzer Binswanger, wieso haben Sie hier nicht mitgemacht?
Da hat ein Marketingmensch offenbar um die Ecke gedacht. Mindestens 18 Mal. Und es ging gehörig schief. Denn die komplexe Botschaft hinter der hehren Absicht muss aufwendig erklärt werden. Das will niemand hören. Vom Twittermob verstanden wurde nur die verkürzte Version: Ach so, die spanische Post hält die dunkle Hautfarbe also für weniger wert als die helle! Rassistenpack!
Mit im Boot ist auch die Organisation «SOS racismo», die auch für Nichtspanischsprechende unschwer erkennbar Rassismus bekämpft. Auch dort hielt man das offenbar für eine gute Idee und darf sich nun durch wenig freundliche Zuschriften wühlen.
Auch umgekehrt ist nicht gefahren
Das provoziert das Gedankenspiel: Wäre es denn beklatscht worden, wenn man die Sache gedreht hätte? Also die dunklen Briefmarken die mit dem höchsten Wert gewesen wären? Kaum. Dann hätte es mit Sicherheit geheissen: «Die Post gaukelt mit ihrer Aktion etwas vor, das nicht der Realität entspricht und verharmlost damit das Problem!»
Auch die vereinten Methodisten sind dagegen. Alles wird gut.
Fazit: Nichts tun ist sträfliche Vernachlässigung der gesellschaftlichen Pflichten. Etwas tun ist meistens ein Schuss nach hinten, weil es nicht exakt dem Verhalten entspricht, dass die Aktivistenfront erwartet oder von dieser uminterpretiert wird. Ganz einfach, weil diese Leute eigentlich gar keine Signale gegen Rassismus sehen wollen, denn es ist wesentlich spannender, angebliche Rassisten an den Pranger zu stellen,
Wirklich risikofrei ist es eigentlich nur, in den sozialen Medien bei jeder möglichen oder unmöglichen Situation jemandem vorzuwerfen, er sei ein Rassist. Das ist nie verkehrt. Billiger kann man nicht beweisen, dass man zu den Guten gehört.