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Zwei Tiefflieger

Wie sich Journalisten auch lächerlich machen können.

Ein Thema haben wir bei der Aufzählung vergessen, wie Journalisten sich öffentlich und peinlich entblössen können. Wenn sie über kulturelle Erlebnisse berichten. Da trifft im schlimmsten Fall ein niedriger Horizont auf künstlerische Weiten. Ein tiefergelegter Geschmack auf anspruchsvolle Kost. Gerade haben wir zwei Beispiele dafür überlesen müssen. Wir wollten über beide Protagonisten nicht mehr schreiben. Aber eben …

Tamara Wernli, die zusammen mit Anabel Schunke in der «Weltwoche» das Gnadenbrot des Frauenbonus verspeist, hat einen Film gesehen. Sehen heisst nicht verstehen:

«Blonde» zeichnet als Literaturverfilmung das Leben eines der ersten weiblichen Superstars der Leinwand nach. Das findet Wernli gar nicht gut: «Der Film zeigt eine hilfsbedürftige und psychisch völlig labile Marilyn, die beinahe einen Vormund braucht und mit tränengefüllten Rehaugen von Szene zu Szene taumelt, von der Welt benutzt und missbraucht

Kann man so sehen, muss man nicht so sehen. Vielleicht könnte man sich auch bemühen, den Film zu verstehen. Aber Wernli will mit feministischem Besteck sezieren. Sie gesteht dem Regisseur Andrew Dominik zu, dass er fiktional «Figuren nach eigenem Empfinden interpretieren» könne. Tut er zwar nicht, denn er lehnt sich an eine fiktionale Biographie an. Das erspart ihm den Vorwurf nicht: «Aber was, fragt man sich, mag der Zweck sein hinter dieser einseitigen Darstellung des Kultstars als überfordertes Geschöpf ohne Talent, eigenen Ambitionen und Durchsetzungsvermögen

Keine Ahnung, welchen Film Wernli gesehen hat, «Blonde» kann’s kaum gewesen sein. Denn der ist cineastisch anspruchsvoll, vielleicht ein Mü zu lang, aber alleine die Todesszene ist hochstehend gefilmt, die verwischten Erinnerungen, die Verwechselungen von Realität und Trauma, das Leiden der Norma Jean an der Kunstfigur Monroe, ihre Begegnung mit Henry Miller. Augenfutter, würde Wolfram Knorr sagen.

Wernli hingegen kennt keine Scham und errötet nicht wie ihre Schuhe, während sie diesen Satz schreibt:

«Die Andeutung, die sich durch den ganzen Film zieht, dass sie eigentlich nie berühmt sein, sondern einfach nur ein normales Leben führen wollte, lässt mich als einstige aspiring actress mit Hollywood-Vergangenheit aber wirklich lachen.»

Da schweigt des Medienkritikers Höflichkeit, bloss: it’s hopeless, bei solchem Narzissmus.

Wir wollten, bei Gutenberg, den Namen hier nie mehr erwähnen. Aber wir müssen Erich Maria Remarque gegen Philipp Loser in Schutz nehmen. Zunächst gibt Loser damit an, dass er doch tatsächlich die «New York Times» liest. Bravo. Da könnte er lernen, wie Journalismus nicht in kurzen Hosen, sondern unter Erwachsenen so geht. Tut er aber nicht. Stattdessen dient ihm das nur als angeberische Einleitung hierzu: «Krieg ist Horror. War er schon immer. Niemand hat das so eindrücklich beschrieben wie Erich Maria Remarque in dem Roman «Im Westen nichts Neues», der vor fast hundert Jahren erschienen ist.»

Niemand? So eindrücklich? Wie bemerkte der unerbittliche Marcel Reich-Ranicki so richtig: der Roman zeuge von «ungewöhnlicher literarischer Begabung wie von provozierender Effekthascherei». Das Werk sei «klassische Gymnasiumslektüre», räumt Loser ein, womit er auch noch erwähnt hätte, dass er ein solches besuchte. Aber da kommt man eben nicht wirklich in Kontakt mit grosser Literatur.

Tolstoi «Krieg und Frieden», Wassili Grossman «Leben und Schicksal», John Dos Passos «Drei Soldaten», Arnold Zweig «Der Streit um den Soldaten Grischa», Louis-Ferdinand Céline «Kanonenfutter», Ludwig Renn «Krieg», Ernest Hemingway «Wem die Stunde schlägt», Thomas Pynchon «Die Enden der Parabel», Denis Johnson «Ein gerader Rauch». Ein Auszug aus der grossen Liste von wahrlich bedeutenden Kriegsromanen.

Aber Loser hat’s lieber einfach, das entspricht mehr seinem Pennäler-Gemüt und seinen intellektuellen Fähigkeiten. Die er so zum Ausdruck bringt:

«Man liest diese einfachen Sätze, die vor fast hundert Jahren geschrieben wurden, und denkt an die jungen Ukrainer, die in einem Krieg kämpfen, den sie nie wollten. An die jungen Russen, die in einen Krieg geschickt werden, den viele von ihnen nie wollten.»

Es gibt die Banalität des Bösen. Und es gibt die Banalität des Blöden. Man fragt sich, was schlimmer ist.

 

Dichtung und Wahrheit, Teil 2

Die Geschichte hinter der Geschichte von Raubkunst.

Hier geht’s zum ersten Teil.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden. Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Die Brissago-Inseln wurden 1949 von Emden an den Kanton Tessin für 600’000 Franken verkauft. Die Gemälde verblieben in der Obhut Schweizer Kunsthändler, darunter Werke von van Gogh, Renoir, Monet und anderen. So wurde beispielsweise der Monet vom Kunsthändler Fritz Nathan für 35’000 Franken an einen reichen Schweizer Waffenfabrikanten verkauft, im Jahre 1941.

Dieser Monet war Teil eines Raubes aus der Sammlung des Waffenhändlers; das Gemälde wurde aber 8 Tage nach dem Diebstahl im Jahre 2008 unversehrt wieder aufgefunden. Damals forderte ein Nachkomme des längst Verstorbenen Verkäufers die Rückgabe des Werks.

Die Verhandlungen dauerten bis 2012, wobei die Stiftung, als Rechtsnachfolgerin des Käufers, diese Forderung zurückwies und Vergleichsverhandlungen abgebrochen wurden. Die Stiftung sagt, dass auf ihre Bitte um Stellungnahme zu ihrer Position niemals eine Antwort erfolgte.

Der Sohn des damaligen Kunstberaters des Verkäufers erinnert sich, dass der Verkäufer immer mit Respekt vom Käufer sprach und niemals die Ansicht äusserte, dass er möglicherweise unter Ausnützung seiner damaligen Lage über den Tisch gezogen worden sei.

Dennoch melden sich nun seine Erben erneut und fordern die Rückgabe des Gemäldes. Die Wahrheit ist, dass solche Forderungen längst verjährt sind. Die Wahrheit ist auch, dass es angesichts der Raubzüge, die von den Nazis auf den Kunstbesitz von Juden geführt wurden, angesichts der Tatsache, dass Juden auf der Flucht sich von Kunstwerken trennen mussten, um die Flucht selbst und den Lebensunterhalt bestreiten zu können, angesichts der Tatsache, dass diese Notlage auch skrupellos ausgenützt wurde, hier eine Schwebung zwischen Dichtung und Wahrheit entstanden ist.

Bei all diesen Forderungen nach Restitution sollte abgeklärt werden, ob damals ein angemessener Preis bezahlt wurde, ob der Verkäufer über den Betrag frei verfügen und ihn auch ins Ausland transferieren konnte und ob der Verkauf unter Zwang oder in einer Notlage erfolgte.

Naturgemäss gehen hier die Auffassungen der Erben der damaligen Käufer und der Nachkommen der damaligen Verkäufer häufig auseinander.

Wie viele Wahrheiten gibt es?

Allfällige Wahrheiten müssen aus einem Gespinst aus Dichtung, Verlorengegangenheit und bis heute aufgeladenen Begrifflichkeiten herausgeschält werden. Schon alleine die Frage, ob ein «angemessener» Preis bezahlt wurde, führt in unendliche Verwicklungen.

Im Kapitalismus bestimmt sich der Preis eines Wertgegenstands, und das ist auch ein Kunstwerk, nach Angebot und Nachfrage. Der sollte im besten Fall um einen sogenannten inneren Wert oszillieren. Der ist bei einem Gebrauchsgegenstand, einer Immobilie, einer Fabrik einigermassen festzulegen. Auch bei Schmuck oder Edelmetallen gibt es Anhaltspunkte. Bei einem Kunstwerk ist es entschieden schwieriger.

Befand sich in diesem konkreten Fall der damalige Besitzer in einer Notlage, musste er unter Zwang verkaufen, wo er doch nachweislich Millionär war? Brauchte er schnell Liquidität, um seine Reise nach Chile zu finanzieren, wo er doch über bedeutende Bargeldreserven in Dollar auf US-Banken verfügte?

Wie soll man heute das Verhalten der Stiftung bewerten, wo doch beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland lange Jahre die Rückgabe von in Hitlers Sammlung gelangter Gemälde verweigerte, mit der putzigen Begründung, dass die beiden Bellotto-Bilder doch als legale Erwerbungen der Nazis gälten.

Verschwindet die Wahrheit über dieses eine Gemälde hinter dem gewaltigen Unrecht, das dem Stammvater der Familie angetan wurde, der zwar einen Teil seines Vermögens in die Schweiz rettete, aber gewaltigen Besitz in Deutschland und in von den Nazis okkupierten Ländern zurücklassen musste – der ihm schlichtweg gestohlen wurde?

Zwei seiner Urenkel leben in Deutschland und reiben sich bis heute an der Unwilligkeit deutscher Behörden, diesen Fall aufzuarbeiten. Schliesslich sei ihr Urgrossvater Max Emden doch trotz diesen Raubzügen der Nazis ein vermögender Mann geblieben, der sich ein luxuriöses Leben mit Frauen, Bediensteten und vielen Gästen in einer Villa auf einer eigenen Insel leisten konnte, behaupten deutsche Beamte eiskalt.

Auch der Nachkomme war finanziell gut gestellt

Schliesslich habe doch auch ihr Grossvater Hans Erich Emden noch über genügend Vermögen verfügt, um sich in Chile niederlassen zu können, ohne in materielle Bedrängnis zu geraten. Und schliesslich sei es doch bei allen Verkäufen in der Schweiz mit rechten Dingen zu und hergegangen. Von Ausnützen einer Notlage, von Fluchtkunst, von Mundraub könne nicht die Rede sein.

Schliesslich hätten sich doch auch in Deutschland fast alle Profiteure des arisierten Eigentums irgendwie herausgeschwätzt.

Der «Spiegel» schrieb 2017: «Mitte der Neunzigerjahre reiste Hans Erich Emden ein letztes Mal ins ungeliebte Deutschland, er besichtigte damals sein altes Elternhaus in Klein Flottbek, dieses weitläufige Anwesen, das schon lange niemand mehr Sechslinden nennt, und in dem seit Jahrzehnten eine private Schule untergebracht ist. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wo einst sein Kinderzimmer war, wie er auf dem Poloplatz nebenan gespielt hatte. Davon, dass in den 1930er-Jahren die Luftwaffe das Gebäude übernommen hatte, hatte er gehört.»

In seinem grossen Bericht über diese Familie schreibt das Hamburger Nachrichtenmagazin auch:

«In den Achtzigerjahren überwies das Ausgleichsamt in Bremen Hans Erich Emden in Chile für zwei verlorene Warenhausgrundstücke in Danzig und Stettin 40.000 Mark.»

Die wieder in Deutschland lebenden Urenkel berichten, dass all dieses Unrecht vor allem an ihrem Vater, dem ältesten Sohn von Hans Erich, dem damaligen Alleinerben, zehre.

War Remarques Bemerkung, als die Nazis sich die verbliebenen Besitztümer unter den Nagel rissen, zynisch oder zutreffend? «Er leidet unter der Millionärskrankheit: Er hat Angst, arm zu werden», schrieb der Schriftsteller, der häufig Gast auf der Insel war. Als der Tycoon 1940 mit erst 65 Jahren starb, fügte er kalt hinzu:

«Das hat er nun von seiner Angst gehabt!»

Was ist mit all den Besitztümern geschehen, wieso wurde kaum etwas entschädigt? War der reiche Begründer der Familie nicht jüdisch genug, weil er schon in seiner Jugend zum christlichen Glauben übergetreten war? Lebte er zu mondän als reicher Aussteiger mit 17-jähriger Geliebten im Tessin?

Zynische Rechtfertigungsversuche von Deutschland

Deutsche Rechtfertigungsversuche des damaligen Unrechts sind an Zynismus kaum zu überbieten. Während er damals als Jude behandelt wurde, seine Vermögenswerte aufgrund gegen Juden gerichteter Gesetze gestohlen wurde, stellte sich die Bundesrepublik später auf den Standpunkt, dass er als Nicht-Jude keinerlei Anrecht auf Wiedergutmachung habe. Zudem sei er ja gar nicht mehr deutscher, sondern Schweizer Staatsbürger gewesen.

Die «taz» verläuft sich in ihrer Beschreibung einer Dokumentation rettungslos in Dichtung und Wahrheit: «Vor der Abreise vertraute Hans Erich Emden eines der teuersten Bilder der Sammlung seines Vaters, das „Mohnfeld bei Vétheuil“ von Claude Monet, einem Vertrauten der Familie an. Der verkaufte es für den Spottpreis von 30.000 Schweizer Franken an den in der Schweiz lebenden deutschen Waffenhändler Emil Bührle – und steckte den größten Teil des Erlöses auch noch in die eigene Tasche.»

Verschwindet die Wahrheit hinter Absicht und Begierde?

Das scheint nun eindeutig mehr Dichtung als Wahrheit zu sein. Aber wie steht es mit den wiederbelebten Ansprüchen dieses ältesten Sohnes, der via ein Schweizer Online-Magazin schwerste Beschuldigungen über die damalige Behandlung durch die Stiftung erhebt und von seinem Anwalt ausrichten lässt: «Ich kann Ihnen versichern, dass die Ansprüche der Emden-Erben auf das ‹Mohnblumenfeld› keineswegs zurückgezogen werden. Faire und gerechte Lösungen sind das Ziel, die, wo immer möglich, mit einer Rückgabe einhergehen sollen

Ist das das Ziel oder hat der Sohn des damaligen Beraters von Hans Erich Emden recht, der abschätzig urteilt, dass es den beteiligten Anwälten doch nur ums Geld ginge und dass die Forderung nach einer Rückgabe in diesem Fall «absurd» und sogar unanständig sei?

Im Pulverdampf des Gefechts über längst vergangene Taten – oder Untaten? – verschwindet die Wahrheit hinter Dichtung, Absicht und Begierde.

Fortsetzung folgt: Auf der Suche nach Gerechtigkeit

 

Dichtung und Wahrheit, Teil 1

Bührle und kein Ende. Eine Suche nach der Wahrheit hinter dem Geschrei.

Wer kann das viele, viele Jahre später noch unterscheiden? «Auch Leben ist eine Kunst», war der Sinnspruch von Max Emden. Das Nachleben der von ihm erworbenen Kunstwerke ist dagegen ein Trauerspiel.

Es begab sich und trug sich zu: Es war einmal ein deutscher Millionär. In seinen besten Zeiten war er der Kaufhauskönig Europas mit über 6000 Angestellten und Geschäften an bester Lage in vielen Grossstädten. Er lebte hoch im Norden und wurde dem Dreck einer Hafenstadt, auch der Engstirnigkeit der Menschen Hamburgs überdrüssig.

Also verkaufte er den Grossteil seiner Beteiligungen, die ihn reich gemacht hatten, und wanderte gegen Süden aus. Er suchte Ruhe und Beschaulichkeit; die fand er im Tessin. Genauer auf zwei Inseln im Lago Maggiore. Die waren idyllisch und einsam genug, also kaufte er sie 1927 für 600’000 Franken, was damals eine hübsche Stange Geld war.

Um die Beschaulichkeit mit Behaglichkeit zu verbinden, liess er auf einer der Inseln eine schöne, klassizistische Villa mit 30 Zimmern errichten. Das war dann genug Platz für seine Familie und seine Kunstsammlung, die er an den zahlreich vorhandenen Wänden aufhängte.

Die Inseln boten auch genug Privatsphäre, dass er dort ein Leben als Aussteiger, Freigeist, Polospieler, Golfer und Liebhaber des Schönen und der Schönen führen konnte. Als Frühhippie, im Geiste des nahegelegenen Monte Verità.

Allerdings berichten viele Zeitzeugen, dass immer eine Aura von Melancholie und zurückhaltender Trauer um ihn war.

Bald kamen die braunen Zeiten in Deutschland

1931 liess er auf einer grossen Auktion aus seiner Sammlung Gemälde deutscher und französischer Meister des 19. Jahrhunderts, Möbel, Teppiche, Bronzen, deutsches Silber, Fayencen versteigern.

Die dunkelbraunen Zeiten, die in Deutschland anbrachen, machten die Inseln zu seinem Hauptwohnsitz; 1934 erwarb er das Bürgerrecht der Gemeinde Ronco. Illustre Gäste beherbergte er in seiner Villa, darunter Aga Khan, den König von Siam oder den berühmten Schriftsteller Erich Maria Remarque.

Als die braune Pest damit begann, seine in deren Einflussbereich verbliebenen Besitztümer zu arisieren oder schlichtweg zu stehlen, setzte er die Verkäufe seiner in die Schweiz verbrachten Kunstwerke fort, um seinen Finanzhaushalt zu stabilisieren. Denn Villa, Bedienstete, Boote, Polo, Frauen, das Leben, das war alles nicht ganz billig.

Zwei dieser damals verkauften Gemälde gelangten in die Sammlung Adolf Hitlers. Da die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsnachfolge des Dritten Reichs angetreten hatte und sich ungern von jeglichem Besitz trennte, dauerte es bis 2019, dass die beiden Gemälde an die Nachkommen des Sammlers restituiert wurden.

Die in Deutschland enteigneten Besitztümer sind bis heute ein ungelöster Skandal

Bis heute ist aber die Enteignung seiner Besitztümer in Deutschland und im Einflussbereich der braunen Pest ein Verbrechen, das ungesühnt bleibt. Er war nicht nur der Kaufhauskönig der damaligen Zeit, sondern der bedeutendste Grundbesitzer in Hamburg, höchstwahrscheinlich sogar im ganzen Deutschen Reich.

Glücklicherweise hatte er seine Kaufhäuser, darunter das KaDeWe in Berlin oder Oberpollinger in München, noch rechtzeitig verkauft. Er blieb aber im Besitz der Grundstücke, bis ihm die abgepresst oder schlichtweg gestohlen wurden.

Als der Lebemann 1940 plötzlich starb, wurde sein einziger Sohn Alleinerbe. Der war nicht mit ins Schweizer Bürgerrecht aufgenommen worden und wurde daher staatenlos, als ihm der deutsche Schurkenstaat seine Staatsbürgerschaft entzog.

Aber der Sohn besorgte sich einen haitianischen Pass und beschloss, nach Chile auszuwandern; von dort stammte seine Mutter. Dabei liess er die beiden Inseln und einige Kunstwerke in der Schweiz zurück, die verkauft werden sollten.

Der Sohn und Erbe war finanziell gut gepolstert

Dringlichen Finanzbedarf schien er nicht zu haben, denn er verfügte insgesamt über ein Vermögen von rund 1,8 Millionen Franken. In Dollar umgerechnet wurden seine Kunstwerke auf 75’000 $ geschätzt, hinzu kam auf diversen New Yorker Bankkonten ein Guthaben von über 130’000 Dollar, jederzeit liquide.

In Chile gründete der Sohn mit diesem Vermögen eine eigene Firma. Da ihm als möglicherweise «feindlichem Ausländer» zweimal Visa-Anträge in die USA verweigert wurden, überwachten die US-Behörden seinen Geldverkehr genau. Da entsprechende Archive vorhanden sind, lässt sich belegen, dass er seine in Chile gegründete Firma Pre-Unic mit einer Kapitalbasis von 133’000 US-Dollar ausstattete und daraufhin weitere 135’000 Dollar für Investitionen und seinen Lebensunterhalt aus seinem Vermögen in den USA und anderswo bezog.

Das war rund eine Million CHF zum damaligen Umrechnungskurs. Zudem geht aus einem Schriftwechsel mit seiner damaligen Verwalterin in der Schweiz hervor, dass Olga Ammann eine Offerte der SBG (heutige UBS) für den Ankauf von drei Kunstwerken zurückwies; der Preis erschien ihr zu niedrig, und es herrschte offenbar Einverständnis zwischen ihr und Emden, dass diese Verkäufe langsam und bedächtig abzuwickeln seien, keine Eile oder Not bestünde.

Fortsetzung folgt: Der Enkel will Genugtuung