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Hubert Wetzel regelt die Welt

Und der Tagi bringt seinen Stuss ungefiltert.

Wetzel muss mal wieder ganz streng werden: «Macron hat aussenpolitisch seinen Bankrott erklärt». Wetzel ist kein Freund differenzierter Analysen. Als USA-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung» unkte er schon 2020: «So sterben Demokratien».

Wie das? Nun: Trump habe «offensichtlich» keine Ahnung, wie Wahlen in den USA funktionieren, behauptete er. Aber weil der «(zumindest rechtlich) volljährig» sei, ein Brüller, könne er bedauerlicherweise vor Gericht ziehen. Gut, dass wenigstens Wetzel wusste, wie dort Wahlen funktionieren. Und wir können aufatmen, bislang ist die US-Demokratie noch nicht gestorben.

Inzwischen sitzt er in Brüssel und kläfft von dort aus den französischen Präsidenten an. Der habe ein autorisiertes Interview gegeben: «Man muss daher annehmen, dass Macron wirklich der Ansicht ist, die «grösste Gefahr» für Europa sei, von Amerika in einen Konflikt mit China gezogen zu werden, der «nicht der unsere ist»

Interessante Idee, allerdings: «Er meint es also offenbar ernst. Allerdings fällt es schwer, den französischen Präsidenten auch ernst zu nehmen.» Abgesehen davon, dass es noch schwerer fällt, Wetzel ernst zu nehmen; wieso denn das?

Nun, wenn Wetzel auf dem Kriegspfad ist, hält ihn weder Ochs noch Esel auf: «Macron verwendete dafür das dümmste und staubigste Argument aus der gaullistischen Mottenkiste – dass die Europäer sich aus der vermeintlich ewigen amerikanischen Bevormundung lösen müssten. Mit seinem Interview hat der französische Präsident einen Keil in Europas Beziehung zu den USA getrieben und zugleich einen Graben quer durch Europa aufgerissen. So viel Schaden mit ein paar Sätzen anzurichten, muss man erst mal schaffen.»

Dann bekommt Wetzel aber irgendwie Angst vor seiner eigenen Courage: «Macrons Analyse ist dabei gar nicht falsch.» Ja was denn nun?

Wetzel versucht es mit einem eingesprungenen doppelten Rittberger: «Die feste Anbindung an Amerika ist eine Voraussetzung für Europas Stärke, kein Hindernis – Macron torpediert mit seinen Äusserungen sein eigenes Ziel.»

Beim Lesen leidet man mit, so wie wenn der Eisläufer statt auf den Kufen brutal auf dem Hintern landet. Wenn sich Europa fest an die USA bindet, das zeigt ja gerade der Ukraine-Konflikt, dann wird es zum Helfershelfer und zum Hauptbetroffenen der US-Machtpolitik degradiert – und von China nicht für voll genommen, wie die bewusst würdelose Behandlung der EU-Chefin von der Leyen beweist, die gleichzeitig mit Macron in China war und demonstrativ als Besucherin in der zweiten bis dritten Bedeutungsstufe behandelt wurde. Was sie sich im Übrigen klaglos gefallen liess.

Wetzel nimmt Anlauf zum letzten Sprung ins Nichts: «Emmanuel Macron galt vor seinem Besuch in Peking schon als innenpolitisch gescheiterter Präsident. Jetzt hat er auch aussenpolitisch seinen Bankrott erklärt

Sagen wir so: Wetzel galt schon vor diesem Kommentar als gescheiterter US-Kommentator. Jetzt hat er noch europäisch seinen Bankrott erklärt.

Einer wird gewinnen

Früher war das eine Rätselsendung. Ist es heute noch.

Bekanntlich gibt es bei den französischen Präsidentschaftswahlen zwei Möglichkeiten. Garantiert. Entweder gewinnt der Amtsinhaber Emmanuel Macron – oder die Herausforderin Marine Le Pen.

Aus dieser Konstellation kann man nun leider nicht viel Prognostisches wagen. Also man könnte schon, aber den meisten Prognostikern sitzt noch der Schrecken in den Knochen, als sie bei der sicheren Siegerin Hillary Clinton krachend danebenlagen.

Bis heute wissen die Medienschaffenden nicht, ob sie die blöden Amis beschimpfen oder bemitleiden sollen. Die Ursachenforschung, wieso sich die US-Wähler nicht an die sicheren Prognosen und Analysen gehalten haben, dauert bis heute an. Inklusive Fall Relotius.

Verständlich also, dass man sich nun hier zurückhält. Man belässt es bei ein wenig Etikettenkleberei. Macron ist der Mann der Mitte, sein Hauptproblem sei seine Arroganz. Bei Le Pen ist es noch einfacher: ist und bleibt eine «Rechtspopulistin«, die Kreide gefressen hat.

Ansonsten herrscht aber vorsichtiges Abwägen. Macron liege in Führung, der Wahlkampf sei aber «kein Spaziergang«. Le Pen sei ihm «auf den Fersen«. Natürlich haben wir wieder einmal «ein gespaltenes Land«.

Da Macron eher teflonartig agiert und auch die Narrative der Journalisten bezüglich Russland bedient, konzentriert sich das Trommelfeuer auf Le Pen. Dabei wird vor allem herausgestrichen, dass sie Sprengpotenzial für die EU habe, sollte sie gewählt werden. Und eine Putin-Versteherin ist sie sowieso, liess sich sogar von einer russischen Bank einen Kredit geben.

Natürlich ist sie nebenbei eine Rechtsradikale, Rassistin sowieso oder schlicht «die gefährlichste Frau Europas«, wozu sie der SoBli ernannte. Aus all dem muss man schliessen, dass eigentlich nur Volldeppen Le Pen wählen können.

Das kleine Problem dabei: das werden wohl mindestens 40 Prozent aller Franzosen sein. Auch da gibt es zwei Möglichkeiten: entweder ist fast jeder zweite Franzose rechtsradikal, Rassist, Putin-Versteher und Gegner der EU – oder die Schweizer Kommentatoren verzeichnen ein wenig das Bild der Präsidentschaftskandidatin.

Das alles nur deswegen, weil der simple Satz «einer wird gewinnen» nicht ausreicht, um neben der Ukraine ein paar Spalten zu füllen. Aber: wie meist mit Ausnahme des NZZ-Lesers: Wer kann denn spontan und schnell die fünf wichtigsten Wahlversprechen Macrons und Le Pens aufzählen? Oder welche Vorschläge sie haben, was Frankreich tun könnte, um den Krieg in der Ukraine zu beenden?

Eher nicht? Nun, da erhebt sich mal wieder die Frage, wieso man denn freiwillig dafür bezahlen soll, dass Redaktoren und Korresponden dafür bezahlt werden, die Welt so hinzuschreiben, wie sie ihrer Meinung nach ist – oder sein sollte. Ähnlichkeiten mit der Realität sind meist zufällig und keinesfalls beabsichtigt.