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Es darf gelacht werden

Für Ostblock-Nostalgiker: Das Tagi «Qualitätsmonitoring».

Sowohl in der «Pravda» wie im «Neuen Deutschland» und bis heute noch in «Granma» und «Rondong Sinmun» war und ist die Welt noch in Ordnung. Es gibt nur Lobenswertes über die Leistung der Partei, der Werktätigen, der Künstler, der Wissenschaftler, der Bauern und vor allem der Führer zu berichten.

Da werden ständig Pläne übererfüllt, die Zufriedenheit aller steigt in kaum mehr zu überbietende Höhen, Probleme und Rückschläge existieren nicht. Oder wenn, dann sind sie gelöst oder Versuche des Klassenfeinds, den Gang des Proletariats ins Paradies zu behindern.

Seit einigen Jahren gibt es in der Schweiz einmal jährlich eine Schriftensammlung, die sich erfolgreich bemüht, all diesen Organen nachzueifern. Das ist das «Qualitätsmonitoring» von Tamedia, das 2022 «zum sechsten Mal stattfand

Verantwortet wird das vom ehemaligen Tagi-Chefredaktor Res Strehle, der vielleicht nostalgisch seine linksradikale Vergangenheit mit dieser Huldigung kommunistischer Staatmedien aufleben lassen möchte. Man könnte sich nun, wenn man Masochist ist, den gesamten Bericht antun. Man kann es auch bei seiner Zusammenfassung bewenden lassen:

«Die jährliche Qualitätsanalyse attestiert den Tamedia-Redaktionen professionelles Handwerk.»

Konkreter: Dabei «ergaben sich wie schon im Vorjahr … keine gravierenden handwerklichen Fehler der Redaktionen

Wer noch eine Überdosis Eigenlob braucht: «Das Bestreben, ein vielfältiges Angebot für ihr Zielpublikum zu schaffen, war bei allen Redaktionen erkennbar und wurde in der Regel professionell umgesetzt.»

Gnadenlos setzen wir noch einen drauf: «Positiv wurde aus Expertinnensicht die Fusion der Berner Redaktionen «Bund» und «Berner Zeitung» beurteilt. Die Chefredaktionen und Nachrichtenchefs schafften es, die unterschiedliche Identität der beiden Titel zu wahren.»

Ach, da hätten wir noch einen Knaller ganz am Schluss, denn natürlich äussert sich auch der Big Boss Pietro Supino: «Verleger wie Journalist/innen müssen der regelmässigen Auseinandersetzung mit der publizistischen Qualität ihrer Medien einen hohen Stellenwert einräumen.»

Das ist sicherlich alles korrekt und richtig, nur muss ZACKBUM bei diesem Zitat von Supino leider eine klitzekleine Korrektur anbringen: Natürlich müsste es «Verleger/innen» heissen, lieber Herr.

Allerdings würde schon eine gelegentliche und oberflächliche Lektüre von ZACKBUM gewisse Zweifel an dieser Darstellung einer heilen Tagi-Welt wecken. Aber statt hier mit unzähligen Gegenbeispielen zu langweilen:

Wie kann Tamedia, Pardon, der Coninx-Clan, ernsthaft glauben, dass der Bericht des pensionierten Wendehalses Strehle, der dafür bezahlt wird, Puderzucker auf alles zu blasen, irgend jemanden beeindruckt? So wie schon das Protestschreiben von 78 erregten Tamedia-Frauen im Bericht 2021 kein Thema war, ist der Roshani-Skandal, die Sparrunde von sagenhafte 70 Millionen Franken, die Skelettierung der Redaktionen, die Übernahme grosser Teile des Inhalts von der «Süddeutschen Zeitung» in München, die teilweise hirnrissigen Kommentare und das Gebolze gegen Kritiker der Corona-Massnahmen, die einseitige Parteinahme im Ukrainekrieg, die unverfrorene Kritik an Grundsätzen des Rechtsstaats, ist all das kein Thema.

Oder kurz: Qualitätsmonitoring? Was für eine Qualität, was für ein Monitoring?

Gute Vorsätze, Teil 2 Tamedia

Pause von der «News-Pause» und Eigenlob.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Für ein aus Geldgier des Besitzerclans fast zu Tode gespartes ehemaliges Qualitätsmedium ist diese neue Rubrik eine gefährliche Ansage:

Pause wovon?

Auch der Tagi kann da noch einen drauflegen. Wenn man schon wirkungslosen Bauchnabel-Journalismus betreibt, gönnt man sich auch diese Schlagzeile: «Journalistische Good News: Was unsere Berichterstattung bewirkt hat». Zunächst einmal: auf  die Orthographie ist keine Einwirkung festzustellen.

Aber was hat denn nun die Berichterstattung bewirkt? Mal der Reihe und der Bedeutung nach. Schweizer Kunden könnten neuerdings auf «ausländische Webseiten» des Reiseveranstalters TUI und des Möbelhändlers Kare zugreifen, «dank der Berichterstattung der «SonntagsZeitung»». Wahnsinn.

Und in der Tat. tui.com bietet zum Beispiel 7 Nächte im Hotel Mare Monte auf Kreta für 420 € an, Flug inkl. Auf der Schweizer Webseite kostet das gleiche Hotel CHF 441. Allerdings für nur drei Nächte. Länger hält man es dort allerdings wohl auch nicht aus …

Weitere Wirkungen? Bitte sehr: «Zu Jahresbeginn startete unsere Sportredaktion ein Grossprojekt: «Fit in acht Wochen». Das Ziel: Starthilfe für eine bessere Fitness und Gesundheit im Jahr 2022. Ernährungs- und Fitnessexperten standen mit Rat und Tat zur Seite. Es gab Speisepläne, Einstufungs- und Abschlusstests.» Nochmals Wahnsinn, nur: was hat das schon wieder mit Qualitätsjournalismus zu tun?

Oder das hier: «Gastro-Spezialistin Claudia Schmids böse Kritik am italienischen Zitruslikör Limoncello löste bei einer Italozürcherin mehr als einen Abwehrreflex aus: Auf unsere Polemik kündigte sie an, einen Qualitätslimoncello aus frischen Biozitronen aus Sizilien produzieren zu lassen. Der Chiarello-Limoncello soll ab Frühling 2023 erhältlich sein.» Wahnsinn, oder sagten wir das schon. Trinken wir uns dann schön.

So geht das dann weiter und weiter, bis sich der Tagi auch noch mit fremden Federn schmückt: «Im Mai 2020 machten die Tamedia-Zeitungen die Affäre publik. … Nach jahrelangem Mauern und Kritik an der Berichterstattung des «Tages-Anzeigers» zum Fall Maisano kam es zur Kehrtwende: Im Interview mit dieser Zeitung sagt der neue Spitalratspräsident, dass es damals Mängel gab und die Mortalität zu hoch war.»

Der Fall war zwar anderweitig publik gemacht worden, aber wer denkt schon ans Langzeitgedächtnis von ZACKBUM.

Also lautet der gute Vorsatz von Tamedia fürs Jahr 2023: In der Pause von der News-Pause ist Platz für schales Eigenlob. Das mag der Leser sicher.

Der Marathon

Nur eine Zahl, aber eine Leistung.

Wir sind auf ZACKBUM eher sparsam mit Eigenlob. Aber für eine runde Zahl machen wir eine Ausnahme. Das hier ist der 2000. Artikel, der seit dem 25. Juli 2020 auf ZACKBUM erscheint.

Wir verkündeten damals die Rückkehr der Medienkritik, und in der seither vergangenen Zeit ist es immer einsamer auf diesem Gebiet geworden. Die NZZ entledigte sich ihres langjährigen Medienkritikers und sparte dann auch gleich das Gefäss ein. Der «Schweizer Journalist» denaturierte zur «Journalist:in», und so ist der Inhalt auch. Tamedia bedient das Gefäss nur von Fall zu Fall mit dem Blick durch die Gesinnungsbrille, bei CH Media fäustelt gelegentlich ein eingewechselter Schreiber.

Also eine USP für ZACKBUM, aber darüber kann man sich nicht freuen. Wir freuen uns hingegen, dass wir in der Branche zwar fleissig gelesen, aber verkniffen ignoriert werden. Von der Chefetage bis zum Fussvolk nimmt man unsere Artikel zur Kenntnis. Souveräne Vertreter der Branche melden sich gelegentlich mit Lob und Tadel, andere Exemplare machen die Faust im Sack und denken vergeblich «na warte».

Wir profitieren von einer in der heutigen Medienlandschaft einmaligen Stellung: wir sind niemandem verpflichtet. Haben keine Rücksichten zu nehmen. Müssen nicht als Mietmaul, Büttel oder Lohnschreiber auftreten. Diese Freiheit kostet zwar, so ist uns der Zugang zu den Mainstream-Medien verbaut, aber diesen Obolus entrichten wir gerne für die damit mögliche Freiheit.

Neben dem Niedergang der Medienkritik ist in diesen zwei Jahren auch ein deutlicher Niedergang der Medien zu verzeichnen. Die Berichterstattung über Corona hat dem sowieso nicht hochstehenden Image der Medienschaffenden einen schweren Schlag versetzt. Je mehr sie in die Bedeutungslosigkeit absinken, desto lauter und krampfhafter wird ihre Kommentarsucht, ihre Rechthaberei und Besserwisserei, der unselige Hang, den Leser nicht informieren, sondern belehren zu wollen.

Das setzt sich nahtlos in die Berichterstattung über den Ukrainekrieg oder den aufkommenden Sparwahn fort.

Es gibt exogene Faktoren, die das Geschäftsmodell Newsvermittlung problematisieren. Aber im Wesentlichen sind die Probleme hausgemacht. Wer meint, minderwertigen Inhalt, zum Skelett gesparte Redaktionen und Gesinnungsjournalismus zu exorbitanten Preisen verkaufen zu können, ist nicht ganz dicht.

ZACKBUM wird, die anhaltende Lust des Autors vorausgesetzt, auch mit den nächsten 2000 Artikeln den Trauermarsch bis zum Friedhof begleiten. Trost spenden dabei nur fremdsprachige Medien, vor allem angelsächsische. Sie zeigen dem deutschen Jammertal, was heutzutage alles möglich ist.

Trotz unseren Dichtern und Denkern leben wir vielleicht in der falschen Sprachwelt.

Auch wenn wir gelegentlich an ihnen verzweifeln, danken wir dennoch unseren Lesern, Unterstützern und Kritikern ganz herzlich. Ohne sie wäre das hier alles gar nicht möglich.