Schlagwortarchiv für: Direct Mailing

Wie vertrottelt sind die Internet-Nutzer?

Das kann man messen.

Denn es gibt immer wieder neue Wellen solcher Inserate:

Die Bauart ist immer die gleiche. Ein Promi, eine knackige Schlagzeile, das Ganze kommt daher, als sei es eine Meldung des «Blick». In Wirklichkeit handelt es sich schlichtweg um den Versuch, am Ende diejenigen, die so blöd sind, draufzuklicken, zu einer Zahlung für einen angeblich todsicheren Anlagetipp zu bewegen.

Ein ähnliches Werbemittel ist Direct Mailing, im Internet eher kostengünstig. Daher ist auch die überwiegende Mehrzahl aller Mails, die weltweit versendet werden, Spam. Abfall, der untaugliche Versuch, den Empfänger zu überreden, den Inhalt zu lesen und im besten Fall sogar den Call to Action zu befolgen.

Je nachdem, wer misst, reden wir hier von Rücklaufquoten von 1 Promill oder bis zu vier Prozent.

Auch hier gilt: den nächsten Dummen findest du immer. Deshalb sind auch Ankündigungen, dass ein afrikanischer Prinz oder George Soros  beschlossen hätten, dich, ja, genau dich, mit ein paar Hunderttausend oder besser noch ein paar Millionen zu bedenken, immer noch im Umlauf. Wer darauf reinfällt, wird mit inzwischen dank KI ziemlich guten Antworten daran herangeführt, dass das Geld eigentlich schon auf dem Empfängerkonto gelandet sei, es gebe da leider nur noch ein klitzekleines Problem, das aber mit 2000 $ kinderleicht zu lösen sei. Fällt jemand darauf rein, wird der Betrag gesteigert, bis der Trottel dann endlich aufgibt.

Im Internet ist allerdings bei Spam Sex immer noch die unbestrittene Nummer eins. Auf Facebook und anderen asozialen Plattformen wollen ständig lüsterne Frauen deine Bekanntschaft machen, selbst auf LinkedIn greift das um sich. Und bei Spam-Mails sind ebenfalls unendlich viele scharfe Weiber ganz heiss auf dich. Damit du dem Ansturm auch gewachsen bist, gibt es jede Menge Angebote von potenzsteigernden Mittelchen, oder wieso nicht gleich eine garantiert wirksame Penisverlängerung?

Aber diese Schrottinserate wie oben spielen auf einer anderen Klaviatur.

Besonders peinlich ist, dass man ihnen in (fast) allen Medien begegnet. Das hat seinen einfachen Grund darin, dass die Medienhäuser immer noch so blöd sind, sich von Google die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Anstatt ihre Inserate selbst zu bewirtschaften (und selbst zu kassieren), lagern sie Werbeplätze ihrer Online-Auftritte an Google aus, die werden dann mit von Google geliefertem Werbeschrott bespielt. Woran Google am meisten verdient, das Medium im Vergleich Peanuts.

Während aber die Kommentarspalten übersorgfältig kontrolliert und moderiert werden, behaupten die Medienkonzerne, dass sie auch hier alles Mögliche täten, aber leider, leider, sei es nicht möglich, dem Leser diese Fake-Inserate zu ersparen.

Ach, vielleicht zur Sicherheit: nein Nemo wollte das Land nicht verlassen. Leider.

Werbung: Nur für starke Nerven

Dramatische Einbrüche im Print-Bereich.

Wer auf die Entwicklung der Zahlen im Bereich Werbung schaut, braucht starke Nerven. In den vergangenen Jahren ist der klassische Werbemarkt, also alles, was gedruckt wird, in Zeitungen, Zeitschriften, auf Plakate und im Direct Mailing, deutlich geschrumpft.

Jahr für Jahr um rund 200 Millionen Franken, alleine zwischen 2017 bis 2019 von 2,2 Milliarden auf 1,85 Milliarden. Spiegelverkehrt verzeichnet der Online-Anteil jedes Jahr einen kräftigen Zuwachs. Er hat schon längst den Print-Werbemarkt eingeholt und überholt; 2019 wurden hier rund 2,3 Milliarden umgesetzt.

Wegen Corona geht’s steil nach unten

Das war vor Corona. In den Monaten des Lockdowns verzeichnete der Printmarkt Rückgänge von bis zu 40 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr. Das ist nicht mehr dramatisch, das ist existenzbedrohend. Schon 2019 musste die Presse im Vergleich zu 2018 einen Rückgang von 10 Prozent verkraften. Besonders dramatisch wurde die Publikums-, Finanz- und Wirtschaftspresse getroffen: minus 17 Prozent.

Recht stabil blieb hingegen online. Allerdings nur, wenn man den Anteil berücksichtigt, der nicht von Google und Facebook abgeräumt wurde. Alleine im Bereich Search explodierte der Umsatz von 2,3 auf 2,65 Milliarden Franken. Nur schon diese Steigerung um 366 Millionen ist mehr als alle sonstigen Schweizer Online-Einnahmen; die belaufen sich auf lediglich 234 Millionen im Jahr 2019.

Print-Werbung schenkt beim Medium ein

Print-Werbung hat für den Anbieter einen unschlagbaren Vorteil. Wer auf Papier inserieren will, tut das direkt (oder über einen Mediaplaner) bei dem oder den Organen, wo er’s für sinnvoll erachtet. Wer also im Tages-Anzeiger inseriert, braucht dafür die Print-Ausgabe, zu online kommen wir noch.

Das wiederum bedeutet, dass sich hier der Mittelsmann, also die heutzutage meistens ausgelagerte Akquise, nur einen kleineren Prozentsatz als Kommission abschneiden kann. Ganz anders zum Beispiel bei Google Ads. Wer via Google werben will, also indem Google die Werbung auf Webseiten spült, der nimmt in Kauf, dass der Mittelsmann den Löwenanteil abgreift; für denjenigen, der diese Ads zeigt, bleiben nur Krümel vom Kuchen.

Noch genialer ist das Angebot von Google, wenn man in der Suchmaschine selbst inserieren will. Während im Print der Preis fix ist, gilt hier pay per click oder pay per view. Das heisst, der Inserent kann bestimmen, was ihm ein Klick wert ist. Er setzt also eine Obergrenze und gibt zum Beispiel an, dass er zehn Rappen für jeden Klick zahlt.

Google bietet als einzige Dienstleistung dafür an, dass das Inserat dann gezeigt wird, wenn seine Keywords gesucht werden. Also wer beispielsweise nach einem Schreiner in Zürich sucht, sollte dann oberhalb der Trefferliste die Werbung eines Zürcher Schreiners sehen. Zudem stellt Google gratis ein Analyse-Tool zur Verfügung, mit der man die eigene Webseite durchleuchten kann.

Im Internet ist nichts gratis

Natürlich ist es nicht wirklich gratis, denn die so analysierten Daten füttern die grosse Krake Google mit weiteren Informationen. Die Schweizer Medien sind nun in einen perfekten Sturm geraten. Printinserate seit Jahren im Rückwärtsgang, nun noch durch Corona im Galopp nach unten.

Online floriert zwar, aber da sahnen internationale Platzhirsche ab und lassen für Schweizer Medienhäuser nur noch Brosamen übrig. Was ist den grossen Verlagen in der Schweiz bislang als Gegenwehr eingefallen? Die Kurzfassung: nichts.

Etwas ausführlicher: sparen, bis es quietscht. Zentralredaktionen aufbauen. Kooperationen mit deutschen Medien eingehen. Das Angebot eindampfen. Journalisten entlassen. Die Schlagzahl erhöhen, wie schnell und wie viele Storys der überlebende Journi online stellen muss. Jede Form von Schleichwerbung zulassen, die als Native Ad, sponsored content, «in Zusammenarbeit mit» und allen denkbaren Floskeln versehen.

Der Patient ist komatös

Kompetenz wegwerfen, Praktikanten und Kindersoldaten einstellen, die Kopfblätter mit Agenturmeldungen und Einheitsbrei abfüllen. Das Korrespondentennetz ausdünnen. Eigenleistungen und Recherchen aufs Minimum beschränken. Sich am Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen beteiligen. Skype und Google als verbleibende Recherchetools verwenden.

Mit anderen Worten: einen komatösen Kranken als gesunden Springinsfeld verkaufen wollen. Dabei den zahlenden Konsumenten schamlos für dumm verkaufen; er bekomme von der Schrumpfredaktion in dem Schrumpfumfang qualitativ hochstehenden Journalismus. Das ist etwa so, wie wenn drei Männer um einen VW rumstehen, brum, brum sagen und behaupten, das sei jetzt ein Bugatti.