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Licht und Schatten

Die traditionelle Doppelnummer vor dem 1. August ist da.

Randvoll mit interessantem Lesestoff und dramatischen Abstürzen. Das fängt schon beim Cover von Michel Comte an:

Der Titel ist gut, einige der aufgeführten Namen sind gut, das Foto des «Starfotografen» ist unterirdisch. Genauso das Editorial von Roger Köppel. Dann passiert einige Seiten lang nichts, oder nur Vorhersehbares:

Ob damit das Siegerlied von Conchita Wurst «Rise like a Phoenix» gemeint ist?

Nur in der «Weltwoche» ist dann allerdings möglich, dass Christoph Mörgeli darauf hinweist, dass ein kritischer Kommentar des SoBli-Chefredaktors Reza Rafi über das Verbot des Magazins «Compact» in Deutschland in der freien EU nicht gelesen werden kann. Stattdessen erscheine die Meldung: «Die Nutzung dieses Inhalts ist in ihrem Land gesperrt». Ein Skandal, der keiner wird.

Die üblichen Sticheleien gegen unliebsame Politiker wie Biden oder Cassis, dann darf sich Mirna Funk darüber beschweren, dass sie in den Berliner Promischuppen «Borchardt» ausgeführt wurde, der Treffpunkt für Möchtegerns. Sie schreibt huldvoll: «Er hatte ein Date mit mir gewollt, und ich hatte ihm dieses Date gewährt.» Aber dann, oh Schreck: «Doch dann kam die Rechnung. Die wollte er teilen.» Wollte sie nicht, er zahlte. Sie lud ihn danach noch «auf einen Kaffee» zu sich nach Hause ein, er wollte nicht.

Aus so einem Pipifax kann man natürlich eine Abhandlung über das mangelnde «Gespür für chivalry» basteln; Karl Kraus nannte das Locken auf einer Glatze drehen. Zwei verschwendete Seiten.

Dann ein britisch zurückhaltender Vergleich zwischen Trump und Harris. Trump: «Sein Bericht über das Attentat auf sein Leben wahr ehrlich, ergreifend, unvergesslich.» Ob Douglas Murray damit die frömmlerische Attitüde des Heuchlers Trump meint, dass der Gottes Hand verspürt haben will? Dagegen Harris: «… vorgetäuschte Hysterie, der fast hyperventilierende Ton … Stimmlage, die man vielleicht in einem Kindergarten verwenden würde». Auch diese Seite hätte man auf zwei Sätze einschrumpfen können: «Ich mag Trump. Harris nicht

In der langen Reihe von Vaterfiguren, die Köppel verehrt, darf Josef Ackermann nicht fehlen. Der endete unrühmlich als Boss der Deutschen Bank, die seinen ungehemmten Ausflug ins US-Zockerbanking fast nicht überlebte. Als CDOs bereits am Absaufen waren und die Finanzkrise eins auslösten, machte der böse Spruch die Runde, ob es denn noch Käufer dafür gebe: «yes, the stupid Germans». Mit seiner unbedachten Victory-Zeichen-Geste machte er sich zum Posterboy der hässlichen Fratze des Gierbankers. Auch seine nächste Station bei einer Versicherungsgesellschaft endete sehr unrühmlich. Dann war er noch VR-Präsident der weltberühmten Bank of Cyprus.

Aber für Köppel ist er «einer der erfolgreichsten Schweizer Bankmanager». Der führte ja auch Jubel-Lobes-Interviews mit dem Totalversager Urs Rohner. Hier fragt er doch tatsächlich: «Was können wir persönlich und unser Finanzplatz von ihm (Ackermann, Red.) lernen

Statt vier Seiten zu verschwenden, hätte auch ein Wort genügt: nichts.

Geht’s noch tiefer? Dafür braucht es nur einen Namen: Tom Kummer. Der kann immer. Immer tiefer. Diesmal macht er (ZACKBUM schwört, das ist keine Erfindung) «Ferien mit Mutter». Gut, dann kommen noch vier Jubelseiten über Michel Comte.

Und dann, es findet kein Ende, «Brief aus Moskau». 10 Seiten! Köppel! Ehrlich, ZACKBUM schaffte nicht den rettenden Sprung ins anschliessende Feuilleton von Daniel Weber und gab hier erschöpft auf. Aber immerhin blieben uns so zwei weitere Kummers erspart. «Will Smiths Wiederkehr» (leider wohl ohne Fake-Interview) und ««Palestine Queen», aufreizend entspannt» über Bella Hadid.

So hat alles etwas Gutes, auch im Schlechten.

Die WeWo dreht auf

Roger Köppel weiss, was antizyklisch bedeutet.

Ganze 218 Gramm bringt die aktuelle Ausgabe Nr. 33 der «Weltwoche» auf die Küchenwaage. Für das Gewicht eines anständigen Entrecôtes legt man am Kiosk 9 Franken hin.

Eigentlich könnte man den Kalauer wagen «frisch gestrichen». Aber der wäre etwas irreführend. Denn die WeWo ist tatsächlich grafisch neu aufgemöbelt worden. Allerdings mit Anleihen an das im Archiv vorhandene Mobiliar, und das ist gut so.

Die WeWo kommt klassischer daher, eleganter, arbeitet mit Freiraum und nur dezent eingesetzten Bildern oder Illustrationen. Da sie ein Blatt des Wortes ist, macht auch das völlig Sinn.

Der Heftumfang ist eine erste Ansage

Aber sie hat sich nicht nur aus dem eigenen Archiv bedient. Natürlich will jedes Wochenmagazin, das etwas auf sich hält, auch ein paar Anleihen beim New Yorker oder dem Atlantic machen. Hier ist es die Marotte des New Yorker, über das ganze Heft kleine Cartoons zu verstreuen, Witzzeichnungen, die ja nicht den geringsten Zusammenhang mit dem sie umgebenden Artikel haben dürfen.

Kann man machen, muss man nicht machen. Aber, das Heft umfasst 82 Seiten, und wenn das nicht nur den Gratulationsinseraten geschuldet ist, ist das schon mal die erste Ansage, die über Formales hinausgeht. Also frisch gestrichen und ausgebaut. Ein klares Signal in den Jammer- und Elendsjournalismus hinein.

Es ist nicht das einzige. Neben einem neuen Design verspricht der Herausgeber, sicher in enger Absprache mit dem Besitzer und dem Chefredaktor, «mehr Kultur und neue Autoren». Ausserdem soll auch eine gute Portion gute Laune mit an Bord sein. Das ist lobenswert, denn manchmal kam die WeWo doch etwas verkniffen daher, vor allem, wenn sie in den politischen Infight geht.

Köppel als Trüffelschwein des Journalismus

Aber, das war und ist das Wichtigste, die WeWo ist ein Autorenblatt. Nur wenige bornierte Autoren wollen auf keinen Fall in diesem Magazin erscheinen und fürchten Köppel und seine Mannschaft als die dunkle Seite der Macht, der man sich ja nicht hingeben dürfe.

Und hier hat Köppel mal wieder einen guten Treffer gelandet. Er holte sich schon von der «Basler Zeitung» die beiden quirligsten Schreiber, als das Blatt Bestandteil des Einheitsbreis aus dem Hause Tamedia wurde. Und nun kann er stolz die Verpflichtung von Daniel Weber vermelden.

Der ehemalige Chefredaktor von NZZ Folio figuriert neu als Herausgeber von mindestens zwölf Seiten Literatur und Kunst. Unterstützt wird er dabei neu vom Jungredaktor Anton Beck. Als hätte der Zufall die Feder geführt, startet Weber den neuen Kulturteil gleich mit einer Rezension des biografischen Gewaltswerks über Karl Kraus. Der mit seiner «Fackel» bis heute das unerreichte Mass aller Dinge ist, wenn man sich nicht einfach als Handwerker versteht. Musik, Kino, Kunst und Klassik, ein starkes, neues Stück in der WeWo.

Auch das Gefäss «Leader» wurde wiederbelebt, ein Dossier für Führungsfragen. Schliesslich auch mehr «Leben heute», also Anregungen für Genuss und Spass im Konsumrausch.

Es ist und bleibt ein Autorenblatt

Treu bleibt sich die WeWo mit ihrer Fähigkeit, den richtigen Autor fürs Thema zu finden und zu überzeugen.

Daher ist es völlig klar, dass nur Peter Rothenbühler über den Wechsel des Anchorman des Westschweizer Fernsehens nach Paris schreiben sollte. Jan Fleischhauer ist der richtige Mann für ein Porträt von Markus Söder. Nur Thilo Sarrazin kann in eigener Sache über seinen Rauswurf aus der SPD räsonieren.

Dazu die üblichen Fundstücke, wer weiss schon, dass auch der Sohn von Peter Ustinov ein hellwaches Multitalent ist. Linus Reichlin ist die richtige Wahl, wenn «Blick TV» kritisch gewürdigt werden soll. Nur die WeWo kommt auf die Idee, mal zu fragen wer eigentlich dieser Vermögensverwalter und Aktionär ist, der dem Murdoch-Sprössling den Einstieg in die Messe Schweiz verweigern will. Und wenn Peter Rüedi zum Nachruf auf Werner Düggelin ansetzt, dann kommt das Stück bei Tamedia noch armseliger als vorher schon daher.

Gut, das war die Lobhudelei, wo bleibt das Kritische? Nun, zunächst: Roger Köppel ist der einzige mir bekannte Chefredaktor deutscher Zunge, der es zulässt, dass man ihm in seinem eigenen Blatt an den Karren fährt. Ich weiss das, ich hab’s schon gemacht.

Widerstand regt an, nicht auf

Auch das macht sicherlich den Charme der WeWo aus. Die politischen Präferenzen des SVP-Nationalrats Köppel sind ja nicht unbekannt. Aber er lässt auch die Gegenrede zu, vorausgesetzt, sie hat ein gewisses Niveau. Das ist kein Feigenblatt vor finsteren, rassistischen, hetzerischen Absichten. Denn was viele missverstehen: Köppel ist ein Mann mit Wumm und Energie, ein überdurchschnittlicher Formulierer, ein Chefredaktor, der mehr Antworten als Fragen hat.

Letzteres ist bedauerlich, aber: Köppel ist kein Ideologe. Sicherlich hat er eine Mission, aber er sieht sich nicht im Besitz der einzigen Wahrheit, er meint nicht, dass nur er zwischen richtig und falsch, gut und böse unterscheiden könnte. Trifft er auf Widerstand oder Widerspruch, dann regt ihn das an. Andere regt das auf, sie wollen nicht verunsichert werden.

Also insgesamt eine kleine Oase, keine Wohlfühloase, sondern eine das Hirn anregende Oase. Knirscht irgendwo der Sand zwischen den Zähnen beim Durchblättern? Nun, mit Verlaub, der Ausbau der Kolumnitis, musste das wirklich sein? Schon länger war man froh, dass Tamara Wernli immer der Hinweisgeber war, dass das Heft nun fertig ist und man es wohlgemut zuschlagen kann.

Aber jetzt auch noch «Zeitzeichen» eines Werbers, eine wöchentliche Kolumne des Wirtschaftschefs, dem noch nie jemand eine elegante Schreibe vorgeworfen hat. Und dann auch noch Katharina Fontana; also die Stelle der Quotenfrau ist doch schon vergeben und gleich doppelt besetzt.

Hält die WeWo die Pace?

Was beunruhigt: Mit dieser Neugeburt hat die WeWo den Ball ganz schön weit ins Spielfeld geworfen. Köppel ist bekanntlich kein Kurzstreckenläufer, aber man fragt sich schon, ob es gelingen wird, das Woche für Woche einzulösen. Als Leser wünscht man es sich.

 

Packungsbeilage: ZACKBUM.ch-Redaktor René Zeyer publiziert gelegentlich in der «Weltwoche».