Wenn Angegriffene zurückschlagen
Klagen kann eigentlich jeder. Nur sollte er auch?
Der «Spiegel» macht darauf aufmerksam, dass die Mitglieder der deutschen Bundesregierung schon über 1500 Strafanzeigen gestellt haben. Wegen Beleidigung oder gar Morddrohungen. Einsame Rekordhalter sind die beiden Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock. Der selten unfähige (ist erlaubt) Wirtschaftsminister stellte ganze 805 Anzeigen, die selten unfähige (auch erlaubt, trotz Frauenbonus) Aussenministerin 513. Dahinter kommen andere Minister mit lediglich 30 oder 20 Strafanzeigen.
Nun ist der schöne Satz «ich klag› dich ein» oder «ich zeig dich an» dem Deutschen im Blut, in der DNA verwurzelt. Niemand hält sich so sklavisch an Verbotsschilder (Betreten des Rasens verboten), niemand denunziert mit solcher Lust den Mitmenschen, der sich nicht daran hält – wie der Deutsche.
Vor allem dank der vermeintlichen Anonymität des Internets gibt es immer mehr Wutbürger, die ihren Trieben freien Lauf lassen und hemmungslos beschimpfen, beleidigen, gar bedrohen. Verbrecher, Krimineller, das geht leicht von der Hand, «dich sollte man erschiessen, ich weiss, wo du wohnst, ich kenne den Schulweg deiner Kinder», das ist dann schon weniger lustig.
Natürlich sind die überwiegende Mehrzahl dieser Amoks Maulhelden, die solche Tiraden als Triebabfuhr brauchen. Hier kann man dem Internet eine gewisse psychohygienische Funktion nicht absprechen. Nur selten werden solche Verbalinjurien als tatsächlich gefährlich eingestuft. Polizeischutz wird äusserst selten gewährt, denn das ist aufwendig und teuer. Das versuchte Messerattentat von Solingen, bei dem ein Polizist starb, beweist allerdings, dass vor allem in Kreisen fundamentalistischer Wahnsinniger eine erhöhte Gewaltbereitschaft vorhanden ist.
Der Schweizer Satiriker Andreas Thiel, der sich kritisch mit dem Koran auseinander gesetzt hatte, stand nach dem Attentat auf «Charlie Hebdo» eine ganze Weile unter Personenschutz, weil ernstzunehmende Morddrohungen gegen ihn ausgesprochen wurden.
Allerdings ist die Situation in der Schweiz offenbar entschieden entspannter als in Deutschland. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) registrierte 2023 ganze 290 Drohungsmeldungen. Das waren sogar 238 weniger als 2022; während der Corona-Panik waren es hingegen 1215 Meldungen gewesen.
Natürlich irren sich die üblen Gesellen häufig, wenn sie meinen, das Internet biete ihnen vollständige Anonymität. Das Gegenteil ist der Fall, es braucht schon eine gewisse Geschicklichkeit, um den Absender zu verschleiern. Und da die meisten Amoks nicht gerade Genies sind …
Das Fedpol ergriff auch Massnahmen: «In 62 Fällen stufte die Behörde die Drohungen als so gravierend ein, dass sie Massnahmen ergriff. Dazu zählten die Ermahnung von Gefährdern, Strafanzeigen oder sogenannte Grenzziehungsbriefe, in denen die Behörden Personen verdeutlichen, dass sie sich an der Schwelle zur Strafbarkeit bewegen», schrieb «watson», und dann stimmt es hoffentlich auch.
Wirkliche Übergriffe gibt es in der Schweiz tatsächlich sehr selten. Das Massaker im Zuger Kantonsparlament vom Jahr 2001 mit 14 Toten und 15 zum Teil Schwerverletzten ist bis heute die unselige Ausnahme. 2011 wurde der damalige SVP-Nationalrat Hans Fehr auf dem Weg zur Albisgüetlitagung von mehreren schwarz vermummten Mitgliedern der linksradikalen Szene mit Faustschlägen und Fusstritten traktiert. Der Journalist Alex Baur wurde am 1.-Mai-Fest in Zürich ebenfalls von Linksradikalen attackiert, der Essstand seiner peruanischen Frau verwüstet.
Aber das sind Ausnahmen. Die meisten Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, nicht nur Politiker, sind die Zielscheibe von üblen verbalen Attacken, inklusive Drohungen. Das erlebt jeder, der vor allem eine kantige Meinung äussert. Auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat eine kleine Sammlung von Drohschreiben und Beschimpfungen; Linksautonome beklebten einmal sein halbes Wohnquartier mit einem Schmähflugblatt, in dem sie die Nachbarschaft darauf aufmerksam machen wollten, welch Unmensch, welch krimineller Rassist hier ihr bislang unerkannter Nachbar sei.
Das sind die üblichen Kleckereien aus den Sumpfgebieten des Fanatismus, über die man normalerweise kommentarlos hinweggeht. Ausser, man will daraus Kapital schlagen und Mitleid erregen. Darauf spezialisiert ist ein Politik-Pin-up, das schon mal behauptete, es bekomme bis zu 100 (an deren Stellen bis zu 20) Hassmails jeden Tag. Dazu aufgefordert, vielleicht ein paar Beispiele vorzuzeigen, sendete es das Pausenzeichen. Inzwischen versucht es sich schon wieder mit dieser Mitleidsnummer.
Noch schlimmer als das Wüten solcher Idioten ist der Versuch, ihre verbalen Blutgrätschen zu missbrauchen, um Mitleid zu erregen.