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Der Preis ist heiss

Zwei dubbelisichere Methoden, in die Medien zu kommen.

Attention ist die wichtigste Währung der Welt. In der Informationsflut Flagge zeigen, das ist (fast) unbezahlbar. Dafür gibt es zwei sichere Methoden.

Die erste ist eine Preisverleihung, natürlich an Medienschaffende. Aktuell erfolgreich praktiziert von «Private, das Geldmagazin». Noch nie davon gehört? Eben, das soll der seit 2002 vergebene «Medienpreis für Qualitätsjournalismus» ändern. Der hiess zunächst «Medienpreis für Finanzjournalisten», aber Qualitätsjournalismus tönt natürlich viel besser.

Dann braucht es noch eine Jury mit mindestens einem Aushängeschild (hier Franz Fischlin, Noch-«Tagesschau») und einen würdevollen Festakt (im «Baur au Lac»). Et voilà. Die Geehrten erscheinen zu Hauf, die Medien berichten. Die One-Man-Show «Private» (Erfinder, Herausgeber und Chefredaktor Dr. Norbert Bernhard) hat einen Volltreffer gelandet.

Sein Blatt hat ein einfaches Geschäftsprinzip. Es kostet Fr. 10.- für schlappe 36 Seiten – oder man kann es gratis per PDF im Internet lesen. Auf Seite 33 verrät «Private» sein Geschäftsmodell:

Artikel bezahlen, das kann man so oder so sehen. Es steht zu vermuten, dass nicht für die Inserate im Magazin, sondern auch für sämtliche Artikel von den Autoren oder ihren Firmen ein Obolus entrichtet wurde. Das reicht dann auch für die Ausrichtung eines Medienpreises, über den die Medien gerne berichten.

Medienpreis oder Ranking

Die zweite dubbelisichere Möglichkeit, in den Medien erwähnt zu werden, ist eine Rangliste. Zum einen «die besten, schönsten, geheimsten, wichtigsten» Irgendwas. Das Modell ist dermassen erfolgreich, dass das Erstellen von sogenannten «Listicals» zu einer eigenen Form im Banaljournalismus geworden ist. Wer ausloten möchte, bis in welche Tiefen das hinunterführt, muss nur einen Blick in «watson» werfen, der Schweizer Meister im Erstellen von Listen über Irgendwas.

Breite Aufmerksamkeit ist gewiss, wer zu Reizthemen eine Rangliste erstellt. Das «Tax Justice Network» (TJN) ist eine von vielen NGO, die sich dem Kampf gegen Steuerhinterziehung gewidmet hat. Mit ihrer zweijährlichen Liste schafft es das TJN regelmässig in die Medien. Darunter, was Wunder, Tamedia. Dort berichtet Redaktor Jorgos Brouzos über die neusten Ergebnisse. Was Wunder, die USA liegen auf Platz eins der Länder, bei denen es einfach ist, Schwarzgeld zu verstecken oder anzulegen.

Das ist nun eine längst bekannte und gähnlangweilige Erkenntnis. Denn die USA machen beim Automatischen Informationsaustausch (AIA) nicht mit. Teilnehmende Länder verpflichten sich, Finanzdaten von andernorts Steuerpflichtigen an die jeweiligen Ländern weiterzugeben. Aber doch nicht die Weltmacht USA. Die verlangt im Gegenteil mit ihrer Informationskrake FATCA von allen Ländern der Welt Auskünfte über alle Personen, die in den USA steuerpflichtig sind oder sein könnten. Und wehe, ein Finanzinstitut übersieht da etwas.

Wettkampf der Schwarzgeldbunker

Im sogenannten Steuerstreit zwangen die USA bekanntlich die Schweiz in die Knie; sie musste ihr Bankgeheimnis aufgeben. Was als grosser Triumpf im Kampf gegen Steuerhinterziehung gefeiert wurde, war in Wirklichkeit ein mit imperialistischen Mitteln geführter Streit um einen möglichst grossen Anteil am Kuchen nicht versteuerter Gelder. Den natürlich die USA gewannen.

Dort stehen bekanntlich nicht nur die grössten Schwarzgeldbunker der Welt, sondern auch die grössten Geldwaschmaschinen für Gelder jedweder kriminellen Herkunft. Drogen, Menschenhandel, Blutdiamanten, Sklaven- und Kinderarbeit: die USA verwandeln schmutzige Einkünfte in blütenweisse Finanzen.

Im sogenannten «Financial Secrecy Index» folgt die Schweiz, zusammen mit Singapur, auf dem zweiten Platz. Die British Virgin Islands und Guernsey kommen auf die Plätze 9 und 10, Grossbritannien und die Cayman Islands auf 13 und 14. Diese relativ milde Platzierung hat sicherlich nichts damit zu tun, dass das TJN seinen Hauptsitz in London hat.

Bei einem Preis entscheidet eine Jury über die Preisträger. Ein Index ist soviel wert wie die Kriterien, die zu seiner Erstellung verwendet werden. Beim TJN sind es gleich 20. Transparenz eines Finanzplatzes ist das Stichwort. Dazugehört beispielsweise, mit wie vielen Ländern ein AIA-Abkommen abgeschlossen wurde. Um so mehr, desto besser. Allein, schon dieses Kriterium ist bei näherer Betrachtung fragwürdig. Ist ein AIA mit einem Unrechtsstaat wie Saudi-Arabien etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Wer garantiert, dass in teilnehmenden Unrechtsstaaten diese Daten nur zu Steuerzwecken verwendet werden? Nicht zum Beispiel zum Trockenlegen von Finanzquellen für regierungskritische Organisationen oder NGO?

Absurde Kriterien führen zu absurden Ergebnissen

Noch absurder ist, dass dann diese Kriterien mit dem jeweils verwalteten Offshore-Vermögen multipliziert werden. Wenn also beispielsweise die Schweiz viel ausländisches Geld anzieht, weil das Land als stabil und sicher gilt, was ja positiv ist, schlägt das dann auf die Rangliste von Schwarzgeldbunkern durch.

Wer einen Blick auf das Team von TJN wirft bemerkt, dass es sich um ein bunt zusammengewürfeltes, internationales Netzwerk von weitgehend unbekannten Mitarbeitern handelt. Wie transparent TJN in eigener Sache ist, erkennt man daran, dass der letzte publizierte Geschäftsbericht von 2020 stammt …

Neben diesem Bericht macht das TJN gerne immer wieder Schlagzeilen, indem es gigantische Zahlen veröffentlicht, wie viel Geld weltweit angeblich steuerfrei und versteckt angelegt ist. Es handle sich um Dutzende von Billionen Dollar. Auf solche Zahlen kommt man mit dubiosen Kriterien, die zudem noch dubioser mit anderen Zahlen multipliziert werden.

Ähnlich wissenschaftlich wäre es, den feuchten Finger in die Luft zu halten und je nach Windrichtung Zahlen zu nennen. Chillfaktor mal Windgeschwindigkeit, multipliziert mit der Intensität der Sonnenbestrahlung in einer durchschnittlichen Woche – et voilà, so misst man den Klimawandel.

Also eigentlich so lachhaft wie der «Medienpreis für Qualitätsjournalismus». Wie qualitätsvoll der ist, beweist Tamedia mit seiner Berichterstattung über diese Rangliste von Schwarzgeldbunkern.

Qualitätspreise für Qualitätsarbeit

Gegen Schluss gibt Bouzos dann noch einem Kritiker das Wort, dem Sprecher einer weiteren NGO namens Alliance Sud. Der darf unwidersprochen behaupten, dass die Schweiz mit vielen Entwicklungsländern keine Abkommen zum AIA abgeschlossen habe. «Steuerhinterzieher aus diesen Ländern hätten auf Schweizer Banken nach wie vor kaum etwas zu befürchten. «Sie verstecken hier Geld vor dem Fiskus ihrer Heimatstaaten, die diese dringend im Kampf gegen die Nahrungsmittelkrise bräuchten, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hat»».

Dass die meisten Entwicklungsländer keine Rechtsstaaten sind, sondern beherrscht von Willkür, Potentaten, korrupten Funktionären und zu jeder Schandtat bereit, das erwähnt Brouzos allerdings nicht. Dieser Qualitätsjournalist.

Bekäme in einem dieser Länder die herrschende Clique Informationen über die Finanzquellen einer NGO wie Alliance Sud, dann wäre es ihr ein Leichtes, das abzuwürgen. Aber soweit über die ideologische Brille hinaussehen, das geht im hochstehenden Qualitätsjournalismus natürlich nicht. Wir hoffen daher für Brouzos, dass er auch mal den Qualitätsmedienpreis gewinnt. Denn ausser ihm hat ihn schon so ziemlich jeder Wirtschaftsjourni gekriegt …

 

 

 

CS: Wer war’s?

Das ist doch die einzig interessante Frage. Deshalb wird nichts dazu gesagt.

Die Credit Suisse hat bestätigt, dass es sich bei den geklauten Kontodaten um Informationen über ihre Kunden handelt. Das ist oberpeinlich und müsste zu Massenentlassungen in den zuständigen Abteilungen führen.

Datendiebstähle sind schwierig zu lokalisieren, da in Wirklichkeit nur eine Kopie vorhandener Datensätze hergestellt wird, das Original also unverändert bleibt. Meistens haben Banken keine sauberen Daten-Audit-Trails, also Zugriffe werden nicht sauber protokolliert. Zudem ist die Frage, wie viele Kopien solcher Kundendaten sowieso schon aus verschiedenen Gründen innerhalb und ausserhalb der Bank herumschwirren.

Wichtiger noch ist aber die Frage: wer war das? Es gibt nur vier Möglichkeiten.

  1. Der Insider

Ein CS-Mitarbeiter, vielleicht aus dem Bereich Compliance, will der Bank aus unbekannten Motiven eine reinbrennen. Dazu sammelt er nach nur ihm bekannten Kriterien Kundendaten. Sobald er bei 30’000 Betroffenen angelangt ist, stellt er das ein und verschenkt seine Beute an die «Süddeutsche». Rache? Moralische Entrüstung? Misslungene Bereicherungsabsicht? Als U-Boot von einer dem Schweizer Finanzplatz nicht wohlgesonnenen Macht in die CS eingespeist? Opfer einer Erpressung?

  1. Die Datenverbindung tropft

Es ist ein altbekanntes Problem. Wer Daten von A nach B transportieren will, schafft das nie absolut abhörsicher. Es ist ein ewiger Kampf zwischen Verschlüsslern und Codeknackern, der von beiden Seiten immer hochgerüsteter geführt wird. Der Einsatz von Quantencomputern mit ihrer brachialen Rechenkraft gibt mal wieder den Knackern einen Vorteil. Allerdings sprächen wir hier im wahrsten Sinne des Wortes von Big Data. Wer könnte mit welchen Programmen aus diesen Datenfluten signifikante Beispiele herausfischen?

  1. Der Zulieferer war’s

Banken haben seit vielen Jahren fahrlässig wenig Geld in die Aufrüstung der IT-Infrastruktur investiert. Viel zu langfristig für die auf Quartalsgewinne fixierten Managerheinis. Viele pensionierte Programmierer verdienen sich bis heute ein nettes Zubrot damit, dass nur noch sie Uralt-Programme verstehen, auf die x-mal Neues draufgepatcht wurde. Hier muss häufig mit Klarnamen gearbeitet werden. Auch die Zulieferer aus der Nähe (bspw. Polen) oder der Ferne (bspw. Indien), wohin immer mehr auch heikle Daten übermittelt werden, könnten die Quelle sein.

  1. Der AIA war’s

Eine hübsche Theorie geht dahin, dass im Rahmen des Automatischen Informationsaustausches eine nie gekannte Menge an Kundenklardaten zwischen den teilnehmenden Ländern ausgetauscht werden. Und natürlich auch von anderen Ländern abgefangen werden könnten. Mit AIA und Swift wäre es in erster Linie den USA möglich, die bekanntlich nicht am Informationsaustausch teilnehmen, aus solchen Daten plus Transaktionsdaten als eine Art Big Data Mining eine Kollektion von ihnen unliebsamen Kontenbesitzern zusammenzustellen.

Kann man den Kreis der Verdächtigen noch weiter einengen?

Sollte es zutreffen, dass die SZ tatsächlich keinen Cent für diesen Datenraub bezahlt hat, stünde das im Widerspruch zu einer Einzeltäterthese. Denn wie auch immer, diese Datenmenge kann nur über einen längeren Zeitraum und unter Inkaufnahme persönlicher Gefährdung gewonnen worden sein. Bei Entdeckung würde nicht nur der sofortige Rauschmiss, sondern strafrechtliche Verfolgung und allenfalls Schadenersatzansprüche in Multimillionenhöhe drohen.

Schliesslich kann es durchaus sein, dass einer der wenigen von diesem Datenklau betroffenen wirklichen Gangster es überhaupt nicht lustig findet, so ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt worden zu sein. In solchen Kreisen ruht man normalerweise nicht, bis man den Übeltäter identifiziert – und entsorgt hat.

All diese Risiken soll jemand (oder eine kleine Gruppe) auf sich nehmen, um dann aus moralischer Entrüstung diesen Datenschatz gratis wegzugeben? Das ist doch sehr dünn als These.

Welche Hintergedanken hat eine anonyme Quelle?

Jeder Anfänger im Journalismus weiss, dass man einer Quelle, die anonym bleiben möchte, mit höchster Vorsicht zu begegnen hat. Vor allem deswegen, weil man weder sicher sein kann, dass die Informationen akkurat und vollständig sind, noch, welche Motive den Täter antreiben.

Der Aspekt potenzielle Gefährdungen plus Aufwand plus Risiko ohne Entgelt schliesst eine moralisch motivierte Täterschaft eigentlich aus. Bleibt also nur eine Täterschaft, die es gewohnt ist, einfach für ihre Arbeit bezahlt zu werden – unabhängig von den Resultaten. Ob es um Industriespionage geht, um das Sabotieren von Konkurrenten, das Manipulieren von politischen Entscheidungen, das ist diesen Hackern im Staatssold herzlich egal.

Es ist ihnen auch egal, wie lange sie dafür brauchen und wie lange sie herumprobieren müssen, bis sie die entsprechenden Filterprogramme entwickelt haben. Also spricht vieles dafür, dass die Täterschaft in einer staatlichen Organisation zu suchen ist, wohl am ehesten in den USA.

Was ist denn deren Motivation? Keinesfalls Moral oder Ethik. Sondern knallhartes Kalkül. Alles, was dem immer noch grössten Vermögensverwalter der Welt schadet, nützt den anderen. Was in dieser Kriegsführung noch fehlte, war ein direkter Angriff auf den Finanzplatz Schweiz. Der sich sowieso noch bis heute von den verheerenden Folgen des Schleifens des Bankgeheimnisses erholen muss. Von den Folgen dieses Kunden- und Mitarbeiterverrats.

Der Datenklau ist in der Wirkung verheerend

Denn unabhängig von der Ergiebigkeit des Materials – alleine die Tatsache, dass der zweitgrössten Bank der Schweiz eine solche Menge an Kundendaten abhanden kommen kann, sorgt dafür, dass sich viele Besitzer einer Bankverbindung mit der CS reiflich überlegen, ob ihnen das sicher genug erscheint.

Denn neben unedlen Motiven gibt es auch durchaus eine ganze Reihe von edlen, wieso man sein Geld bei einer Schweizer Grossbank anlegen möchte. Zum Beispiel, weil es dort sicher ist und diese Kundenbeziehung – im Rahmen des gesetzlich Erlaubten – vertraulich und diskret abgehandelt wird. Denn welchem tapferen Kritiker der Schweizer Gesetze, die solche kriminellen Aktivitäten sanktionieren, würde es wohl gefallen, wenn er plötzlich seinen Namen in der Zeitung läse – als einer der 30’000 verabscheuungswürdigen Kunden der CS.

Obwohl er doch eigentlich ein völlig unbescholtener Bürger ist. Wie so viele der in der Vergangenheit medial Beschuldigten, Vorverurteilten und Gekreuzigten.

Die Ballon-Geheimnisse

Pumpen, bis er platzt: das Prinzip aller Leaks, Papers und nun Secrets.

Die Trompetentöne erinnern immer an Jericho: Die Credit Suisse sei ein «Geldspeicher für korrupte Politiker, verurteilte Betrüger und mutmaßliche Folterknechte.»

Und gleich nochmal,weil’s so schrecklich ist:

«Die internen Aufzeichnungen aus der Bank belegen, dass die Credit Suisse über Jahrzehnte und über den gesamten Erdball hinweg brutalen Machthabern, korrupten Politikern, Kriegsverbrechern und anderen Kriminellen Zugang zu blickdichten Schweizer Konten ermöglicht hat, auf denen diese ihren teils illegitimen Reichtum sicher parken konnten.»

Wussten wir doch. Skrupellose Schweizer Gnome, ihre geldigierige Amoral hinter biederem Aussehen verbergend. Dabei tropft aus den Safes in den tiefen Kellern der Bahnhofstrasse jede Nacht Blut, erschrecken die Nachtwächter, wenn wieder mal die Schreie von Folteropfern aus Schliessfächern quellen.

Es ist und bleibt eine verdammte Sauerei, das ist die Message, die Schweizer Banken, zumindest die Credit Suisse, haben nichts gelernt; alle Versuche, das Aufbewahren von Geldern aus krimineller oder ungeklärter Herkunft zu unterbinden, waren umsonst, selbst der Automatische Informationsaustausch nützt nicht wirklich.

Geldwäschereigesetz, «besondere Sorfaltspflichten», PEP (politically exposed persons), alles Show. Dahinter sitzt immer noch der ethikbefreite Schweizer Banker in ehrwürdig getäfelten Räumen, serviert Sprüngli und ist servil zu Diensten, wenn ihm grössere Summen anvertraut werden. Seine Flexibiltät wächst mit der Anzahl Nullen. Sieben sind schon mal gut, acht ist fantastisch, und wird sogar das Wort Milliarde in den Raum gestellt, wäre er auch bereit, seine Krawatte zu lockern und auf dem Tisch Salsa zu tanzen.

Weltweit wird über den Finanzplatz Schweiz abgeledert

Die Empörung weltweit ist gross. Stellvertretend dafür darf Nobelpreisträger Joseph Stiglitz abledern: «Zugleich sollten sich Länder wie die Schweiz dafür schämen, dass sie einen Rechtsrahmen geschaffen haben, der solch ein System gedeihen lässt.»

Immerhin fügt er am Schluss, nachdem er sich ausführlich über die Schweiz erregt hat, hinzu: «Wie viele Geschichten, wie viele Enthüllungen wird es noch brauchen, bis die Schweiz, die USA, das Vereinigte Königreich und andere Länder ihre Gesetze zum Bank- und Immobiliengeheimnis und zu all den anderen Aktivitäten ändern, die Geldwäsche erleichtern und Verbrechen und Korruption fördern

In seiner Philippika entgeht ihm hier aber ein nicht unwichtiges Detail: Fast alle Offshore-Finanzplätze der Welt wurden von Skandalen erschüttert, die auf gestohlenen Kundendateien beruhten. Panama, Singapur, fast alle kleinen karibischen oder pazifischen Inseln. Und immer wieder die Schweiz in Sachen Steuerhinterziehung. Oder Beihilfe zum Verstecken von Blutgeldern. Nun noch selbst dabei erwischt, mit blutigen Händen in diesem Sud zu rühren.

Aber: Es gibt keine einzige Enthüllung über die beiden anderen von Stiglitz aufgeführten Geldparadiese. Man kann es nicht oft genug sagen: In den USA stehen die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, die lateinamerikanische Drogenmafia regelt dort ihren Finanzhaushalt. In diversen Bundesstaaten kann man bis heute Briefkastenfirmen gründen, ohne dass der Benficial Owner, der wirtschaftlich Berechtigte, angegeben werden muss. Dicht gefolgt werden die USA von Grossbritannien. Deutschland und Frankreich sind die Geldwäschereiparadiese in Europa. Holland ermöglicht es transnationalen Monstern, weitgehend steuerfrei davonzukommen. In der EU wurden bislang alle Versuche, mehr Transparenz bei Holdingstrukturen und Finanzvehikeln zu schaffen, abgeschmettert.

Es ist ein Konkurrenzkampf der Finanzplätze

Das heisst nun nicht: die auch, wieso dann wir nicht. Das heisst aber eindeutig: auch hier herrscht Konkurrenzkampf unter den grossen Geldanlagetöpfen. Und da spielen neben den Grossmächten USA und Grossbritannien eben Zwerge wie Panama, Singapur oder die Schweiz eine herausragende Rolle. So ist die Eidgenossenschaft immer noch die grösste Vermögensverwalterin der Welt.

Trotz allen bisherigen Attacken mittels gestohlener Kundendaten hat sich daran (noch) nichts grundlegend geändert. Ausser der ungebrochenen Lust der Medien, immer wieder einen Riesenballon aufzupumpen.

Diesmal handelt es sich offenbar um Angaben zu rund 30’000 Kunden der CS. Deren Konten wurden bis zurück in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts eröffnet; laut CS sind 90 Prozent bereits geschlossen oder im Prozess der Schliessung.

Abgesehen von vielen venezolanischen Mitgliedern der korrupten Führungsclique des Landes sind mal wieder erstaunlich wenig wirklich schlimme Finger unter den bislang veröffentlichten Kontobesitzern. Die CS hat weltweit rund 2 Millionen Kunden. Angenommen, bei allen 30’000 CS-Benützern handle es sich um ausgemacht Schweinebacken. Das wären dann 1,5 Prozent. Realistischer dürfet wohl sein, nach den sehr spärlichen Angaben über einzelne Personen, zu denen auch die üblichen Potentaten und Könige gehören, bei denen die illegale Herkunft der Gelder noch zu beweisen wäre, gehen wir vielleicht eher und grosszügig von 3000 aus. Das wären dann 0,15 Prozent.

Nun ist Vermutung und Nachweis in einem Rechtsstaat noch nicht das Gleiche. Nehmen wir also an, am Schluss, das wären aber viele im Vergleich zu den vorherigen «Enthüllungen», bleiben 300 verurteilte Straftäter übrig. Womit wir bei 0,015 Prozent wären.

Nicht signifikanter Bodensatz

Einen solchen Prozentsatz kann man mit Fug und Recht als nicht signifikant bezeichnen. Als fast unvermeidlichen Toleranzfehler. Als Bodensatz, der in jeder Bank ans Tageslicht gespült werden könnte, wenn man deren Kunden bis in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückverfolgt. Denn zu diesen Zeiten musste zum Beispiel auch Al Capone, der Duce oder Adolf Hitler ihren Finanzhaushalt irgendwo regeln.

Und welche Bank in der Schweiz hätte dem Ehrendoktor der Universität Lausanne verweigert, ein Konto zu eröffnen?

Es ist vorhersehbar, dass auch dieser Ballon sehr hässlich zusammenschnurren wird, piekst man ihn mit genaueren Analysen an. So wird es dann bald einmal heissen: Panama Papers? Pandora Papers? Swiss Leaks? Suisse Secrets? War da mal was?