Die nächste Peinlichkeit im Fall Vincenz

Immerhin die NZZ bleibt dran.

Eigentlich sind die Meinungen im Medienzirkus gemacht. Die Rückweisung der Anklage der Staatsanwaltschaft durch das Obergericht Zürich wurde entweder als Klatsche gegen den Ankläger interpretiert oder als Arbeitsverweigerung des Obergerichts kritisiert. Worauf man sich wieder anderen Themen zuwandte.

Der NZZ hingegen ist eine Kleinigkeit in der beleidigten Begründung der Staatsanwaltschaft aufgefallen, wieso sie gegen diesen Entscheid vors Bundesgericht zieht. Obwohl das Obergericht in seiner Begründung so klar wie möglich und auch für den Laien verständlich erklärte, dass seiner Meinung nach hier kein Rekurs möglich sei.

Denn Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel will bekanntlich seine nicht gerade von Erfolg gekrönte Karriere nicht mit einer letzten Ohrfeige beenden. Denn eine Rückweisung einer Anklageschrift kommt äusserst selten vor, Bezeichnungen wie «zu ausschweifend und unpräzise» tun wirklich weh.

Nun machte es die Staatsanwaltschaft aber noch schlimmer. Denn sie meinte gegenüber den Medien, diese Rückweisung sei falsch, denn man habe die Anklage extern «prüfen lassen, um auf Nummer sicher zu gehen». Wie bitte? «Auf Anfrage der NZZ bestätigt die Behörde, man habe eine Fachperson «zur Qualitätssicherung» engagiert. Um wen es sich dabei handelte und wie hoch das Honorar ausfiel, will die Staatsanwaltschaft nicht offenlegen.»

Die Honorarfrage ist das eine, der Bezug einer externen «Fachperson» das andere, Fragwürdige. Von der NZZ konsultierte Strafrechtsprofessoren bezeichnen das als «nicht nachvollziehbar» oder schlichtweg ein «No-Go». Aus mehreren Gründen.

Weder ein Gericht noch eine Staatsanwaltschaft sollten sich in ihren Kernbereichen von Aussenstehenden beraten lassen. Ausser, sie wollten damit andeuten, dass sie ihr Metier nicht beherrschen. Schlimmer noch: «Deshalb muss die Staatsanwaltschaft protokollieren, wenn Externe an der Erstellung der Anklageschrift beteiligt sind – schon nur um sicherzustellen, dass keine schützenswerten Informationen nach aussen fliessen.»

Auch die Angeklagten müssten natürlich wissen, wer da alles an der Anklageschrift herumgefummelt hat. Nach diesem weiteren Klecks auf der Weste sagt ein früherer Gerichtspräsident: «Solange der Staatsanwalt Jean-Richard keine genauen Angaben zur externen Begutachtung macht, stellt sich die Frage, ob er den Fall nicht besser an eine Kollegin oder einen Kollegen abgeben sollte.»

Auf der anderen Seite würde dadurch noch mehr Zeit vergehen, bis es zu einer neuerlichen Anklage, Gerichtsverhandlung und irgendwann einem abschliessenden Bundesgerichtsurteil käme.

Damit entwickelt sich der Fall Vincenz endgültig zu einer Justizgroteske. Angefangen bei einer überlangen Untersuchungshaft, über eine von Spesenbetrug zur ungetreuen Geschäftsbesorgung hochgezwirbelten Anklageschrift, begleitet von ständigen Durchstechereien von besonders saftigen Spesendetails zwecks Diskreditierung des Angeklagten, bis hin zum drakonischen Urteil des Bezirksgerichts mit einer 1200-seitigen Begründung.

Wenn die Zürcher Justiz das Vertrauen der Öffentlichkeit verspielen will, dass hier kompetent, zeitgerecht und unbezweifelbar Recht gesprochen wird, dann gelingt ihr das in vorbildlicher Weise. Gut, dass wenigstens die NZZ dranbleibt. Während Tamedia, CH Media (vom «Blick» ganz zu schweigen) das Thema schlichtweg verpennt haben.

5 Kommentare
  1. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Auf die Frage, warum es vor Bezirksgericht zu einer Verhandlung kommen konnte, die das Obergericht dann ohne weiter darauf einzutreten schlicht kassiert hat, gibt es immer noch keine Antwort. Da liegt der Hase im Pfeffer oder auch der Staatsanwalt mit dem langen Namen.

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  2. Manfred
    Manfred sagte:

    Nach all den endlosen Peinlichkeiten im Zusammenhang mit der BA/FIFA wird jetzt der Prozess gegen einen Bankenchef, der zum Schaden seines Unternehmens Frontrunning betrieb und dabei noch seine Spesen unkontrolliert wie ein Autokrat verwendete, platzen. Fazit: Die Schweiz kann Wirtschaftsprozesse ab einer gewissen Komplexität nicht abwickeln, schon gar nicht in einer vernünftigen Zeit. Fehlt nur noch, dass sich Herr Vincenz öffentlich zu kleine Handschuhe anzieht.

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      ‹Die Schweiz kann….›
      ???
      ‹Diese Schweiz› will nicht.
      Der Herr Kirschke schreibt schon in die richtige Richtung.
      Unsere Oberen sind zu einer fetten, total korrupten, jedes Schamgefühls entledigten Filzokratie ausgewachsen.
      Kann auch nicht gut kommen für die trägen, denkfaulen, verwöhnten unteren Etagen.
      Abwärts macht nur beim Velo fahren Spass.
      Und beim Sprung ins Bodenlose wenn ein Fallschirm mit dabei ist.

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  3. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Es ist schon klar, dass der Staatsanwalt mit dem langen Namen fachliche Unterstützung braucht. Aber offensichtlich ist diese Fachperson, Honorar unbekannt, etwa gleich unfähig, wie sein Auftraggeber.
    Beratungsmandate, wie wir sie in der Politik und Wirtschaft und nun auch in der Justiz antreffen, sind oft eine Form von Korruption.

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