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Dumm gelaufen

Das EU-Parlament verweigert Ungarn Milliarden. Wegen Korruptionsverdacht.

Ein schlechter Tag für alle Euro-Turbos in der Schweiz. Während die EU zum ersten Mal in ihrer Geschichte einem Mitgliedsland zugesagte Unterstützungszahlungen in Milliardenhöhe verweigert, platzt im EU-Parlament der wohl grösste Korruptionsskandal aller Zeiten.

Eine der viel zu vielen Vizepräsidentinnen, plus weitere Betroffene, haben ihre bequemen Sessel im EU-Monster in Brüssel und Strassburg gegen eher unbequeme Pritschen in Gefängniszellen vertauscht. Natürlich gilt auch hier die Unschuldsvermutung, aber es sprechen doch deutliche Indizien dafür, dass sie sich ihre Lobyydienste für Katar unziemlich bezahlen liessen.

Unziemlich deswegen, weil Beeinflussung des zahnlosen Parlaments eine der Hauptbeschäftigungen in den beiden Tagungsorten ist. Insgesamt 25’000 Lobbyisten treiben hier ihr Unwesen, laut Lobbycontrol verpulvern sie dabei jährlich 1,5 Milliarden Euro. Immer wieder zeigte sich das EU-Parlament «besorgt» über mögliche Korruption und gekauften Einfluss. Geschehen ist bis heute – genau nichts.

Wie steht es denn mit Reaktionen aus der Szene der Schweizer Euro-Turbos? Da hört man bislang – genau nichts. «Foraus»: Sendepause. «Operation Libero»: hat zwar  eine «Europa-Initiative in den Startlöchern» und braucht «500’000 Franken zum Loslegen». Aber zum Korruptionsskandal fällt auch hier kein Wort. Vielleicht muss sich Sanija Ameti den Vorfall zuerst schöntrinken, politisch gesehen.

Die SP fordert immer mal wieder den EU-Beitritt, steht schliesslich verschämt im Parteiprogramm. Die Partei fordert und verurteilt dies und das, aber auch hier: kein Ton zum Korruptionsskandal. Christa Markwalder, die auch nach ihrem Rücktritt bei der Nebs (Neue Europäische Bewegung Schweiz) immer für einen Eu-Beitritt weibelt: Sendepause.

Und die Europäische Bewegung selbst, präsidiert von Eric Nussbaumer (SP)? Schweigen, tiefes Schweigen.

Schliesslich «Vorteil Schweiz», die mit grossem Trara und Geld des Milliardärs Hansjörg Wyss und des Millionärs Jobst Wagner ins Leben gerufene Bewegung für eine Entkrampfung des Verhältnisses zur EU, ausdrücklich als Gegenkraft zu Christoph Blocher gegründet? Ist im Internet nicht mehr auffindbar.

Oder Witzveranstaltungen wie RASA (Raus aus der Sackgasse)? Unauffindbar.

Es ist immer wieder verblüffend, wie mit peinlichem Schweigen auf unangenehme Nachrichten reagiert wird. Oder Krokodilstränen vergossen werden in Organen, die sich für eine angeblich weltoffene Schweiz in der EU und gegen eine angebliche abgeschottete Schweiz ausserhalb der EU starkmachen. «Super-GAU für die Glaubwürdigkeit», schimpft nun Tamedia. «Jetzt kann sich Urban die Hände reiben», fäustelt der «Blick».

Immerhin gibt es eine gute Nachricht. Bei solchen Befürwortern engerer Beziehungen zur EU muss man sich über die Gefahr eines EU-Beitritts keine Sorgen machen.

Wumms: Peter Rásonyi

Wie sehr darf man sich von seiner Herkunft leiten lassen?

In der Affäre Djokovic (erinnert sich noch jemand an das unglaubliche Geschrei?) durfte vor allem bei Tamedia über den Serben hergezogen werden, dass es eine Unart hatte. Besonders ausfällig wurde ein Schreiber mit kosovarischem Hintergrund; Enver Robelli teilte ganz übel (und unkontrolliert) aus.

Der Auslandchef der NZZ ist der Sohn ungarisch-deutscher Eltern und wurde 1966 in Zürich geboren. Es steht zu vermuten, dass eine Flucht nach dem ungarischen Aufstand von 1956 zur Familiengeschichte gehört.

Damit soll Peter Rásonyi nun nicht eine quasi genetisch bedingte Russlandfeindlichkeit unterstellt werden. Es ist aber dennoch auffällig, dass er bei osteuropäischen Themen ziemlich ranzig wird. Wenn er die EU dafür lobt, «schnell und entschlossen gegen Lukaschenko gehandelt» zu haben, vergisst er nicht, «dessen Schutzmacht Russland» zu erwähnen.

Obwohl zur ungarischen Vergangenheit – neben Faschismus – auch ein Aufstand gehört, ist Rásonyi anderswo strikt gegen solchen zivilen Ungehorsam. Die LKW-Blokaden in Kanada seien «unverhältnismässig», befindet er, nie um einen guten Ratschlag verlegen: «Die Regierung sollte härter dagegen einschreiten

Den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz begleitete Rásonyi mit einem ganzen Geschwader an Ratschlägen, Vorgaben und Handlungsanweisungen. Da wäre man bei der NZZ mit dem immer noch besten Netz an Auslandkorrespondenten um eine Spur mehr Differenziertheit dankbar.