Trau, schau, wem
Der falsch dargestellte russisch-ukrainische Krieg: Wie man sich ein unverzerrtes Bild machen kann.
Von Felix Abt
Wie wir alle wissen, sind fast alle westlichen Journalisten und sogenannten „Militärexperten“ Parteisoldaten im Ukraine-Krieg und verbreiten die jeweilige Parteilinie, was in den meisten Fällen bedeutet: das von Washington diktierte transatlantische Narrativ. Wären ihre „Berichte“ und „Analyse“ eingetreten, dann hätten die Russen mit ihrer „Bourbaki-Armee“ schon vor zwei Jahren von der Ukraine und der dahinterstehenden NATO vollständig besiegt worden sein müssen. (Zum Begriff “Bourbaki-Armee”: Nach der katastrophalen Niederlage in der Schlacht an der Lisaine gegen die Deutschen im Jahr 1871 sahen sich die französischen Truppen mit strengen Winterbedingungen, schwerem Mangel an Lebensmitteln und Vorräten und einer niedrigen Moral konfrontiert; viele Soldaten litten an Erfrierungen, Hunger und Erschöpfung. Diese Niederlage zwang die vom General Charles Denis Bourbaki kommandierte Armee zu einem demütigenden Rückzug über die Schweizer Grenze, wo sie schließlich Asyl fand).
Der geneigte Leser der Propagandamedien mag sich daher fragen, wie er sich ein möglichst objektives Bild von den kriegerischen Ereignissen in der Ukraine (und Russland) machen kann.
Am besten ist es, die einschlägigen offiziellen Originalinformationsquellen sowie andere Originalquellen aus dem Kriegsgebiet selbst zu suchen. Dazu gehören zum einen die Informationsbulletins der Verteidigungsministerien: Sowohl das ukrainische als auch das russische Verteidigungsministerium geben regelmäßig solche Bulletins heraus. Darüber hinaus geben ukrainische Oberbefehlshaber auch Erklärungen und Interviews für in- und ausländische Medien ab, während russische Generäle eher schweigen und sich auf ihre militärische Arbeit konzentrieren.
Natürlich kann man sich nicht auf deren Zuverlässigkeit verlassen, aber sie zeigen bestimmte Trends auf und können durch andere Quellen bestätigt oder widerlegt werden. Die Ukrainer veröffentlichen häufiger, bunter und emotionaler als die Russen, die sparsamer, nüchterner und langweiliger sind. Vergleicht man beides direkt, so stellt man fest, dass die Russen den Propagandakrieg schon lange verloren haben. Die Ukrainer und die NATO hingegen haben sich damit den Nachteil geschaffen, dass sie sich weitgehend von der Realität abgewandt haben und ihre Militärpolitik oft von falschen, irrationalen oder auf Fehlinformationen beruhenden politischen Entscheidungen geleitet wird.
Ironie ist, wenn ein inkompetenter US-General, der seiner Geliebten
Militärgeheimnisse anvertraut hatte, einen kompetenten Gegner als „inkompetent“ bezeichnet
und die Mainstream-Medien dies auch noch glauben.
Fakt und Fake unterscheiden
Zum anderen bieten sich als Informationsquellen die jeweiligen ukrainische, russischen und sonstigen militärischen Blogger auf Telegram an. Diese analysieren die offiziellen ukrainischen und russischen Berichte und vergleichen sie mit Informationen aus anderen Quellen. Dazu gehören insbesondere die Beiträge ukrainischer und russischer Soldaten von der Front. Es gibt mehr Berichte von ukrainischen Soldaten, die oft ungeschminkt über die Veränderungen an der Kriegsfront berichten. Dort erfährt man auch von ihren Problemen wie Soldatenmangel, fehlende Munition und Übermüdung. Der Grund für ihre starke Präsenz ist, dass ukrainische Soldaten – im Gegensatz zu ihren russischen Kontrahenten – ihre Mobiltelefone mit an die Front nehmen dürfen. In ihren Videos zeigen sie zum Beispiel, wie sie russische Panzer und Infanterie mit Drohnen angreifen und wir erfahren dabei ganz nebenbei, dass diese Panzer im Vergleich zur Vorwoche zehn Kilometer vorgerückt sind. Wenn ihre Handyvideos geolokalisiert sind, weiß man, dass dies es ein Fakt und kein Fake ist.
Aber auch von den russischen Telegram- und sonstigen Kanälen lässt sich vieles lernen, wenn sie zum Beispiel die Fehler der Kommandeure kritisieren, die durch schlecht vorbereitete Gegenoffensiven das Leben russischer Soldaten opferten. Dass diese Berichte zutreffend waren, kann man im Nachhinein oft erfahren, wenn die verantwortlichen Offiziere aus ihrer Verantwortung entlassen werden.
Fülle von Informationen
Generell lassen sich die Blogger, die im Allgemeinen recht gut informiert und auf dem neuesten Stand sind, in drei große Gruppen einteilen.
Da sind erstens die pro-ukrainischen Blogger. Unter diesen gibt es sowohl zuverlässige als auch unzuverlässige. Man findet relativ schnell heraus, ob jemand unzuverlässig ist – wenn etwa dort getätigte Aussagen später wiederholt durch Fakten widerlegt werden. Manchmal herrscht auch ein paar Tage lang Funkstille, wenn die ukrainischen Militärbehörden den Bloggern befehlen, zu schweigen.
Dann gibt es die neutralen Blogger, die von sich zumindest explizit behaupten, unparteiisch zu sein. Ich habe nur wenige Wochen gebraucht, um herauszufinden, dass sich die meisten von ihnen fast ausschließlich auf ukrainische Quellen stützen. Dennoch kann man auch von ihnen nützliche Informationen erhalten.
Und als drittes sind schließlich die pro-russischen Blogger, die quasi das Spiegelbild der pro-ukrainischen Blogger sind. Das bedeutet, dass man auch hier herausfinden muss, welche von ihnen nützliche Informationen liefern, im Gegensatz zu denen, die hauptsächlich desinformieren.
Insgesamt liefern all diese Blogger in ihrer Gesamtheit eine Fülle von Informationen, die eine recht gute Einschätzung der Lage ermöglichen. Zusätzlich gibt es auch noch einige hervorragende Analysten auf YouTube, die sich selbst als neutral bezeichnen und die sich durch das Dickicht der Frontberichte wühlen und täglich ihre Erkenntnisse mitteilen.
Dazu gehört etwa ein junger amerikanischer Militäranalyst mit seinem YouTube-Kanal “Weeb Union”. Ein belarussischer Militäranalyst namens Dima bietet dasselbe auf seinem Kanal “Military Summary”. Der britische Analyst Alexander Mercouris durchforstet täglich ukrainische, russische und westliche Medien sowie Telegram-Kanäle, um ein umfassendes Bild zu vermitteln, das auch geopolitische Aspekte berücksichtigt, die den Krieg beeinflussen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass vor allem Telegram, aber auch YouTube und Rumble eine Fülle von aktuellen und ziemlich genauen Informationen liefern. Das Beste daran ist, dass es die „Berichterstattung“ der Mainstream-Medien völlig überflüssig macht.