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Die NZZ und Köppel

Endlich mal ein Lob: was für ein Porträt.

ZACKBUM hatte schon fast aufgegeben, daran zu glauben, dass es im heutigen Elendsjournalismus noch möglich ist, ein beeindruckendes Porträt über eine Reizfigur, einen Konkurrenten zu schreiben.

Wenn da Konzernjournalist Philipp Loser ans Gerät geht, kommt nur Dreck heraus. Das gilt auch für Andreas Tobler oder gar die Scheuklappen-Schreiber der «Republik». Ob die sich an Lebrument oder an Projer vergreifen: es ist Elend und Dummschwätzerei, womit sie die flüchtenden Leser quälen.

Als müsste die NZZ nochmals unterstreichen, welche Abgründe inzwischen hier klaffen, hat sich Samuel Tanner an Roger Köppel versucht. Versuchung gelungen. Es ist keine unkritische Eloge geworden, aber auch kein wäffelnder Verriss. Es ist das geworden, was ein Porträt sein muss. Sein sollte: der Versuch, einem komplexen, in der Öffentlichkeit stehenden und durchaus konfliktiven Menschen auf 12’000 Anschlägen gerecht zu werden. «Porträt des Politikers, Publizisten, Pyrotechnikers», stabreimt die NZZ. Dafür ein erstes Bravo.

«Pyrotechniker», schon das kann man abschmecken, das hat Körper, Fülle und Abgang. Brandstifter steckt drin, aber eben veredelt, hier ist kein Zeusler am Werk, sondern ein eleganter Techniker des Feuers, des Feuerwerks.

Für ein gutes Porträt braucht es, daran erinnert die NZZ so nebenbei, eigentlich nur drei Dinge. Aufmerksame Beobachtung, Reflexion und informiert aus dem Vollen schöpfen können. Ach ja, und schreiben sollte man auch können, klug schreiben, verdichtet schreiben, analytisch und konzis. Also alles Ingredienzien, von denen die meisten übrigen Lohnabhängigen, die sich Journalisten schimpfen, nicht mal gehört haben. Oder wenn, dann haben sie’s schnell wieder vergessen.

Schon der Einstieg bei Tanner setzt die Tonhöhe: «Am Firmament von Roger Köppel gibt es einen Fixstern: die Faszination für Stärke.» Den ganzen Text hindurch bemüht sich Tanner, sein Objekt der Beobachtung zu charakterisieren: «Es ist eine Publizistik des absoluten Relativismus, die auch hinter einen Kriegsführer ein Aber setzt

Was angenehm auffällt: Der Autor des Porträts hält mit seiner Einschätzung des Porträtierten und Beobachteten nicht zurück. Aber die kleinen Details von Begegnungen, eine gemeinsame Autofahrt, die werden nicht wie bei Schmähporträts verwendet, um im Nachhinein fertigzumachen (so wie die Kleinschreiber der «Republik» aus einem zweistündigen Gespräch mit ihrem Feind, dem NZZaS-Chef Jonas Projer, nur ein Winzzitat und die Beobachtung, dass er eine teure Uhr trage, dem Leser präsentieren), diese Details werden hier verwendet, um Leben und Farbigkeit in eine Feinrasterung zu bringen:

«Die Frage, was ihn antreibe, findet Köppel uninteressant: «Immer diese Psychoanalyse», schreibt er in einer ersten SMS. Er ziehe Sachfragen vor, «die schweizerische Neutralität und deren Preisgabe», wie er es formuliert. «Dieser Objektträger-Journalismus, der mit zoologischer Verwunderung auf eine andere Meinung blickt, wie auf eine unbekannte Tierart, geht von falschen Prämissen aus.»»

Schon in einem solchen kleinen Absatz ist viel drin. Die Art der Unterhaltung auf allen Kanälen, Köppels verbaler Elan. Und vor allem: der Autor lässt das so stehen, tritt nicht mit der Überlegenheit dessen nach, der schliesslich den Porträtierten nachträglich fertigmachen kann, weil er das letzte Wort hat.

Wunderbar ist auch diese Einschätzung: «Roger Köppel ist immer auf der Suche nach der Hitze des Gefechts. Und wenn er sie nicht findet, entzündet er sich selbst.» Gefolgt von der Beschreibung, für die sich der NZZ-Autor ziemlich früh aus dem Bett quälen musste: «Mitten in der Nacht kommt er in die Redaktionsvilla der «Weltwoche» in Zollikon, und sofort findet er mit dem Kamera- auch den Zündknopf für seine morgendliche «Daily»-Sendung: «Die NZZ ist auf dem Nato-Trip!», sagt er in der Presseschau, um schnell nachzulegen. «Sie muss aufpassen, dass sie nicht zur Nahkampfwaffe der Nato wird! Sie überholt das Pentagon! Die Falken von der Falkenstrasse! Nomen est omen!» Er ist ein rhetorischer Pyrotechniker

Ein gutes Porträt kann man nur schreiben, wenn man einige Zeit Material gesammelt hat, den Porträtierten bei mehr als einer Gelegenheit beobachtete. Erst aus der Überfülle kann man verdichten, das macht auch jede gute Reportage aus: «Wenn er bei der SVP auftritt, wirkt es, als suche ein Hochgeschwindigkeitsmensch nach Haftung.» Besser kann man wohl das Verhältnis SVP-Nationalrat Köppel und SVP nicht beschreiben.

Bei einem solchen Niveau wartet man etwas bang auf die Schlusspointe. Kommt hier doch noch die Hinrichtung aus dem Hinterhalt? Jein. Das Resümee ist nicht ausgesprochen freundlich, aber nach dieser facettenreichen und durchdachten Darstellung davor erlaubt:

«Aber der Nonkonformist reagiert immer darauf, was die Konformen sagen – und wird zum Knecht des Mainstreams. So gesehen ist Roger Köppel, der Unruhegeist, ein Gefangener.»

Es gibt Porträts, aus denen selbst der Porträtierte noch etwas lernen kann. Das sind dann Sternstunden des Journalismus. Das hier ist eine davon, die in dunkler Nacht besonders hell leuchtet.