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Ach du liebe «Zeit»

Das Hamburger Wochenblatt antwortet. Leider.

Angesichts des unprofessionellen Verhaltens der «Zeit»-Mitarbeiterin Salome Müller, die Anschuldigungen von Anuschka Roshani im Indikativ wiedergibt und sich auf angebliche, anonyme Quellen beruft, um ihr Narrativ von einer «Machokultur» zu bedienen, haben wir ihrem Redaktionsleiter Matthias Daum ein paar Fragen gestellt.

An seiner Statt antwortete eine «Verlagssprecherin». Diese Rabulistik hat es verdient, vollständig zitiert zu werden.

  1. Halten Sie es mit den hohen Standards der «Zeit» für vereinbar, dass eine offensichtlich voreingenommene Autorin, deren Objektivität bei diesem Thema bezweifelt werden muss, sich nochmals über angeblichen Sexismus bei Tamedia äussert?

«Am Textende wird transparent gemacht, dass Salome Müller für Tamedia gearbeitet hat und zu den Mitinitantinnen des Frauenbriefs gehörte. Wenn man als Journalist oder Journalistin in der kleinen Medienszene der deutschsprachigen Schweiz nicht mehr über ehemalige Arbeitgeber schreiben dürfte, gäbe es hierzulande keinen Medienjournalismus mehr.»

  1. Im Artikel heisst es: «Fünf ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Tagi-Magi bestätigten der ZEIT, was Roshani in ihrem Dossier beschrieben hat.» Halten Sie es für zielführend, hier mit ausschliesslich anonymen Quellen zu arbeiten, die als ehemalige Mitarbeiter doch eigentlich nichts zu verlieren hätten, mit ihrem Namen zu diesen Behauptungen zu stehen?

Unsere Gesprächspartner/innen haben mit Blick auf ihre aktuellen Tätigkeiten um Quellenschutz gebeten.

  1. Haben Sie persönlich die Existenz dieser Quellen überprüft? Leider ist ja üblich geworden, dass Autoren mit erfundenen Quellen oder Quotes arbeiten.

Die Quellen sind uns bekannt.

  1. Wenn Zitate verwendet werden wie «es war Psychoterror», glauben Sie nicht, dass das mit einer identifizierbaren Quelle verbunden werden müsste?

Siehe Antwort auf Frage 2.

  1. Im Lead steht: «Eine Redakteurin des Schweizer «Tages-Anzeiger»-Magazins wird jahrelang vom Chef gemobbt, am Ende wird ihr gekündigt. Der Fall zeigt die Machokultur in der Medienbranche.» Die Behauptungen von Roshani werden hier im Indikativ als real wiedergegeben, obwohl es bislang keine Bestätigung dafür und diverse Stellungnahmen dagegen gibt. Halten Sie das mit einem seriösen Journalismus für vereinbar, das nicht im Konjunktiv darzustellen?

Siehe Antwort auf Frage 6.

  1. Im Anschluss daran stellt Müller ihr Lieblingsnarrativ im Indikativ dar; das zeige eine angebliche «Machokultur in der Medienbranche». Halten Sie es mit einem seriösen Journalismus für vereinbar, eine solche pauschale Behauptung aufgrund einer einzigen Kritik aufzustellen?

Das Urteil gründet auf unseren Recherchen. Darüber hinaus haben uns nach Erscheinen des Artikels zahlreiche Reaktionen aus Redaktionen erreicht, die die Einschätzung erhärten.

ZACKBUM hält fest: Die «Zeit» findet nichts daran, dass bei ihr Behauptungen als Tatsachen verkauft werden. Sie findet nichts daran, dass eine offensichtlich voreingenommene Autorin das Thema behandeln darf. Sie behauptet, die von Müller verwendeten Quellen seien ihr bekannt. Und sie ist der Meinung, im Schweizer Journalismus herrsche eine «Machokultur». Oh je, so gehen Renommee und Reputation vor die Hunde.

Traumtänzerei

Was wäre, wenn der Journalismus funktionieren würde?

«Die Frage, wieweit Canonicas Opferhaltung glaubwürdig ist, soll nun auch im «Magazin» publizistisch «angemessen» thematisiert werden. Am Mittwoch waren zumindest entsprechende Aufforderungen an die Redaktion zu hören.»

Das schreibt Lucien Scherrer in der NZZ. Er will über den Verlauf einer Aussprache bei Tamedia informiert sein, die letzten Mittwoch stattgefunden haben soll. Bei ihr seien der Tamedia-Boss Pietro Supino und der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser aufgetreten. Supino soll von einer «schmutzigen Geschichte» gesprochen haben, auf die «man jedoch korrekt reagiert habe», will die NZZ wissen.

Zunächst: korrekt reagiert? Wenn Supino das wirklich meint, muss man sich Sorgen um die Tx Group machen. Denn wenn der Chef den Kontakt zur Realität verliert, ist Feuer im Dach. Tamedia eierte sich kommunikativ (als Medienhaus!) geschickt in einen GAU hinein.

Zunächst der edle Verweis auf «Persönlichkeitsschutz», der leider weitere Informationen verbiete. Ausser, dass man die Vorwürfe von Roshani sehr ernst genommen habe. Bereits einen Tag später war es mit dem Schutz vorbei; ohne bei den Betroffenen ihr Einverständnis einzuholen, wurde fröhlich eine Zusammenfassung einer externen Untersuchung veröffentlicht. Zuerst an die Angestellten verteilt, im sicheren Wissen, dass sie so in einer Minute überall gestreut sei.

In dieser Zusammenfassung bekommen sowohl Canonica wie Roshani ihr Fett ab. Der Bericht forderte im Fall Canonicas nur Sensibilisierung, Coaching und Führungskurse. Stattdessen suchte er Mitte letzten Jahres keine neue Herausforderung, wie bislang das Wording war, sondern wurde gefeuert. Ebenso wie Roshani dann im September.

Wie auch die berühmten, nicht namentlich genannt sein wollenden Quellen ZACKBUM versichern, herrscht zurzeit bei Tamedia eine Bombenstimmung. Denn nicht nur Canonica, eigentlich alle Redaktoren kriegen zu hören, bei welchem Schweinebackenverlag sie denn arbeiten würden.

Vielleicht wäre der Vorwurf angebrachter, bei welchem Verlag von Inkompetenten sie ihre üppigen Saläre einstrichen. Denn in all diesen Fällen von Sexismus-Vorwürfen sind die Journalisten in keiner Weise ihrer angeblichen Kernkompetenz nachgegangen: recherchieren, untersuchen, Beleg sammeln, Zeugen finden, Artikel machen.

78 erregte Tamedia-Journalistinnen hatten einen Protestbrief unterzeichnet, der mehr als 60 verbale Übergriffe aufzählte. Fast zwei Jahre danach ist es in keinem einzigen Fall bekannt, ob er sich wirklich so zugetragen hatte – oder nicht. Das ist ein klägliches Versagen.

In der neusten Attacke behauptet die Autorin Anuschka Roshani, dass verbale Ausfälligkeiten ihr gegenüber nicht nur unter vier Augen oder Ohren stattfanden, sondern coram publico. Also in Anwesenheit von Zeugen. Canonica hingegen behauptet in einem Verteidigungsschreiben, dass das alles gelogen sei. Zudem habe die gesamte Redaktion einen Brief verfasst, in dem sie die Anschuldigungen Roshanis als «absurd» zurückgewiesen hätten und ihm den Rücken gestärkt. Dieser Brief sei an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat gerichtet gewesen.

Es liegen also genügend recherchierbare Behauptungen vor. Eine klare Ja/Nein-Sache ist auch, dass die Verlagsleitung behauptet, Roshani sei der Inhalt des Untersuchungsberichts über ihre Anschuldigungen zur Kenntnis gebracht worden. Roshani bestreitet das.

Gibt es diesen Brief, gab es Ausfälligkeiten Canonicas vor Zeugen, hat Roshani den Bericht oder nicht, sind die von ihr belegten Beispiele aus dem Zusammenhang gerissen, wie Canonica behauptet, Ausdruck einer freundschaftlichen Scherzebene, über die beide gelacht hätten – oder sind es widerliche Ausrutscher?

Hat Canonica anzüglich mit einer Frauenbrust aus Plastik gespielt oder war es ein Brustimplantat, das er bei einer Reportage erhielt? Zumindest ein aus anonymer Quelle stammender Vorwurf ist weggeräumt: Big Boss Supino zwang CH Media zu einer «Korrektur und Entschuldigung». Der Wanner-Clan hatte dem Vertreter des Coninx-Clans schriftlich unterstellt, er habe Canonica nahegestanden und seine schützende Hand über ihn gehalten.

Ein weiteres Thema, die «anonymen Quellen». Der «Blick» arbeitet damit, CH Media arbeitet damit, die NZZ auch, sogar die «Zeit» will von gleich fünf ehemaligen Mitarbeitern dies und das bestätigt bekommen haben.

Auch das wäre ein Thema für Recherchen. Gibt es diese anonymen Quellen? Oder sind sie erfunden? Wenn es Ohren- und Augenzeugen gegeben haben soll, was sagen die? Wann wird dieser Solidaritätsbrief veröffentlicht, wenn es ihn gibt? Was kann man über die Arbeitstätigkeit von Roshani sagen? Stimmt es, dass sie eine Blindbewerbung auf die damals noch von Canonica besetzte Stelle des Chefredaktors «Magazin» bei der Geschäftsleitung deponiert haben soll?

Wie man sieht: es gäbe jede Menge Pisten, Hinweise, Andeutungen, Behauptungen, denen man nachgehen könnte. Dass feministische Schreihälse wie Franziska Schutzbach diese Anschuldigungen zum Anlass nehmen, sich mal wieder über die unerträgliche Machokultur im Journalismus zu beklagen, obwohl sie via ihren Partner und «Magazin»-Redaktor eigentlich aus erster Hand schon lange wissen sollte, wie es dort zuging – oder eben nicht –, geschenkt, das ist billiger Klamauk.

Aber wieso bildet die «Magazin»-Redaktion nicht eine Task Force, die diesen konkreten Fall aufarbeitet? Wäre das nicht eine Sache für das sogenannte Investigativ Desk, mal eine Abwechslung zum Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen?

Oder kurz gefragt: Wieso gehen die Hunderte von Journalisten im Hause Tamedia nicht einfach mal ihrem Beruf nach? Wieso lassen es alle anderen beim zitieren von angeblichen Quellen bewenden, die offenbar auch – anonym macht mutig – Stuss erzählen?

War es wirklich «noch viel schlimmer», sind Roshanis Anschuldigungen nur «die Spitze des Eisbergs», herrschte «Psycho-Terror»? Oder ist Canonica ein weiteres Opfer einer rachsüchtigen Untergebenen?

Das sollte doch rauszufinden sein. Aber eben, welcher Journalist arbeitet heute eigentlich noch als Journalist?

Entschuldigung, Supino

Hoppla. CH Media entschuldigt sich bei Tamedia-Boss Pietro Supino.

Im allgemeinen Halali gegen Tamedia hat auch CH Media mitgeholzt. Chiara Stähle zog am 6. Februar gröber vom Leder, mit den heute als Allzweckwaffe eingesetzten anonymen Quellen: «Was Roshani schildert, bestätigen auf Anfrage von CH Media mehrere ehemalige Journalistinnen und Journalisten des «Magazins». Und mehr noch: «Es war alles noch viel schlimmer. Was nun publik wurde, ist lediglich die Spitze des Eisbergs», sagt ein ehemaliger «Magazin»-Journalist, der nicht namentlich genannt werden will.»

Was beim «Blick» inzwischen gelöscht ist, prangt bei CH Media immer noch im Internet: «Ein Beispiel: Auf dem Pult von Canonica sei zeitweise eine aus Plastik gefertigte Frauenbrust gestanden, gab ein ehemaliger Mitarbeiter im Bericht zu Protokoll. Canonica habe ihm damals unverblümt mitgeteilt, dass er Praktikantinnen, die ihm gefielen, vorstellig werden liesse. Im Gespräch massiere er dann die Fake-Brust und gebe der Bewerberin zu verstehen, dass sie als Praktikantin alles mitmachen müsse.»

Mit folgender Unterstellung geriet aber Stähle in Sperrfeuer: «Dem Vernehmen nach stand er (gemeint ist der Ex-Chefredaktor Finn Canoncia, Red.) Verleger Supino persönlich nahe. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb «Supino ihn immer gedeckt hat», wie ein ehemaliges Redaktionsmitglied erzählt. Pietro Supino bestreitet diese Behauptung vehement.»

Supino bestreitet offenbar nicht nur vehement, sondern setzte auch diesen Kotau durch:

«Richtigstellung/Entschuldigung
Ist nun auch ziemlich peinlich, denn auch Bashing des Konkurrenten will gelernt sein. Oder: das kommt davon, wenn man anonymen Wäfflern vertraut. Denn anonym macht mutig, das ist doch bekannt.