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Das Private und das Öffentliche

Wie aus einem Filmriss ein Geschäftsmodell entsteht.

Was während der Landammannfeier am 20. Dezember 2014 in Zug geschah, hat nichts Skandalöses, es wurden keine Straftaten verübt. Es wurde geschwatzt, getrunken, geknutscht. Was halt alles an einem nicht gerade für Antialkoholiker gedachten Fest so im Verlauf einer Nacht stattfindet.

Das änderte sich erst am Montag, 22. Dezember 2014, um 12.05 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt meldete die gynäkologische Abteilung des Zuger Kantonsspitals der Einsatzzentrale der Zuger Polizei, «dass am Wochenende eine Patientin mit Verdacht auf K.o.-Tropfen eingegangen sei».

Es sei das «Sexualkit gemacht» worden, zudem Haarproben entnommen. «Erst mit dieser Meldung war klar, dass das Kantonsspital eine Vergewaltigung meldete.» Daraus entstand die Geschäfts-Nr. 20141222.0030. Daraus entstand die Strafanzeige «Schändung (Verdacht)». Als möglicher Tatort wurde das Restaurant Schiff angegeben, «vermutlich in der Captains-Lounge». Die Tatzeit liege «zwischen Samstag, 20. Dezember 2014, 23.50 Uhr bis Sonntag, 21. Dezember 2014, 02.15 Uhr.» Es gab eine Geschädigte und zwei Verdächtige.

Zeugenaussagen und ein Plausibilitätsgutachten

Was gibt es noch zu berichten, ohne die Privatsphäre der Beteiligten zu verletzen? Eine Zeugin* sagte aus, dass sie die beiden, also den mutmasslichen Schänder P.K.* und Jolanda Spiess-Hegglin, an diesem Abend dabei beobachtet habe, wie sie sich küssten. «Sie habe interveniert und gesagt, das gehe doch nicht.» Daraufhin sei Spiess-Hegglin einen Stock weiter nach oben gerannt, P.K. hinterher. Auch die Zeugin sei den beiden gefolgt und habe ihnen «eine Moralpredigt gehalten».

Ein Plausibilitätsgutachten, das beim Institut für Rechtsmedizin St. Gallen in Auftrag gegeben wurde, sollte klären, ob das von Spiess-Hegglin und Zeugen beschriebene Verhalten zu einer «allfälligen Applikation von GHB», als K.-o.-Tropfen bekannt, passe. Der Gutachter kam zum Schluss, dass alle Beschreibungen «nicht dem typischen Wirkungsprofil von GHB entsprechen». Zudem sei es «aufgrund des bitterlichen Geschmacks von GHB nicht ohne Weiteres vorstellbar, «dass eine wirksame Menge davon im Rotwein durch Jolanda Spiess gänzlich unbemerkt aufgenommen werden konnte».

Verheerende vorläufige Schadenbilanz

Spiess-Hegglin in ihrer Eigenschaft als Privatklägerin forderte dann die Erstellung eines neuen toxikologischen Gutachtens, weil nur nach GHB gesucht worden sei. Nach Rücksprache mit dem Institut für Rechtsmedizin wurde dieser Antrag zurückgewiesen; es seien bereits alle Substanzen ergebnislos getestet worden.

Vorläufige Schadensbilanz: Ruf und Reputation von P.K. zerstört, von einem zweiten Beschuldigten* zumindest angeknackst. P.K. machte geltend, dass er mit rund 95’000 Franken für seine Verteidigungs- und Kommunikationskosten zu entschädigen sei, als die Strafuntersuchung gegen ihn eingestellt wurde. Das stutzte die Staatsanwaltschaft auf 21’500 Franken zusammen. Zudem erhielt er Fr. 500 für den Polizeiverhaft und eine Genugtuung von 5000 Franken «infolge der schweren Beeinträchtigung seines persönlichen, beruflichen und auch politischen Ansehens».

Das Thema des Abends fand den Weg in die Medien

Der Steuerzahler beteiligte sich mit weiteren 21’300 Franken am Verfahren, diese Kosten wurden ebenfalls auf die Staatskasse genommen. Wir haben also einen P.K., schwer beschädigt, zudem blieb er auf 68’000 Franken Schulden sitzen, die er dafür ausgab, um wieder so unschuldig wie zuvor zu sein. Theoretisch. Seither hat er sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, seine politische Karriere ist beendet.

Allerdings war das Verhalten der beiden offenbar Gesprächsthema an diesem Abend, einer der anfänglich Beschuldigten ist Journalist, also fand die Story sehr schnell ihren Weg in die Medien. Zuerst zu zentralplus.ch, und dann legte der «Blick» nach, der offenbar Wind von der Verhaftung von P.K. bekommen hatte. Also brachte er unter der Schlagzeile «Hat er sie geschändet?» die beiden Beteiligten mit Foto und voller Namensnennung. Was er gemäss Kantons- und Obergericht Zug nicht hätte tun dürfen.

*Namen der Redaktion bekannt.

Fortsetzung folgt.