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Blöde Realität

Die Wirklichkeit darf einen Fehler nicht machen.

Die Wirklichkeit waltet und schaltet. Nach welchen Mechanismen, wer weiss das schon. Ist es göttlicher Plan, sind es Klassenkämpfe, sind es Zufälligkeiten, ein Räderwerk? Schon viele grosse Denker haben sich darüber den Kopf zerbrochen.

Dann gibt es aber kleinere Denker, die haben ein einfaches Prinzip zur Hand. Die Realität darf machen, was sie will. Solange sie den Wunschvorstellungen des kleinen Denkers entspricht. Tut sie das nicht, muss sie streng gerügt werden.

Das gilt nicht nur für die Realität, sondern insbesondere auch für Gerichtsentscheide. Denn es trug sich doch zu, dass sich die unfähige Schweizer Bundesanwaltschaft vor dem höchsten Strafgericht der Schweiz in Bellinzona eine weitere Klatsche abholte. Denn Sepp Blatter und Michel Platini wurden dort freigesprochen. Das geht nun eigentlich nicht, findet Tamedia-Redaktor Thomas Knellwolf:

Er muss zwar zähneknirschend einräumen: «Damit sind Blatter und Platini keine mutmasslichen Betrüger mehr. Sondern unbescholtene Bürger.» So wenig, wie Knellwolf vorher die Unschuldsvermutung kümmerte, so wenig kümmert ihn nach dem Urteil die Tatsache, dass es sich nicht gehört, unbescholtene Bürger als vormals mutmassliche Betrüger zu bezeichnen.

Sie mögen freigesprochen sein, fäustelt Knellwolf, aber die Verurteilung von «Blatters langjährigem Generalsekretär wegen passiver Bestechung und Urkundenfälschung», zeige das nicht, was für einer dieser Blatter in Wirklichkeit ist? Juristisch mag er davongekommen sein, aber bei der Fifa hätten sich einige wenige bereichert «und hintergingen damit die Abermillionen Menschen, die den Fussball lieben».

Alles unter der Leitung und den Augen Blatters, insinuiert Knellwolf. Der versuchte schon mal, mit «Die Akte Kachelmann» aus einem anderen Prozess publizistische Bereicherung zu schöpfen. Eher vergeblich; vielleicht macht ihn das so sauer auf Blatter und die Fifa. Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass Knellwolf ein eher distanziertes Verhältnis zur Realität hat. So erregte er sich über einen angeblichen SVP-Zeusler, ein Mordaufruf des Berner «megafon» gegen eine Redaktionskollegin liess ihn aber kalt.

Um Knellwolf auch mithaftbar für Dinge zu machen, für die er nichts kann: neben seinem Kommentar, der die Wirklichkeit zurechtweist, steht diese selten blöde Karikatur: