Schlagwortarchiv für: Meredith Haaf

Ist das noch Journalismus?

Oder eine geldwerte Leistung? Eher nein.

Das Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger», im vollen Bewusstsein um seine Meinungsmacht und verantwortungsvoll seine Funktion als Vierte Gewalt wahrnehmend, berichtet in aller gebotenen Objektivität über eine Friedensdemonstration zu Bern.

Man sollte sich vom Titel nicht verunsichern lassen: «Corona-Skeptiker kapern die Schweizer Friedensbewegung». Schliesslich ahmen die beiden Autoren Jacqueline Büchi und David Sarasin damit nur ihre Vordenker in der «Süddeutschen Zeitung» in München nach.

In einem Leihkommentar hatte bereits Meredith Haaf kübelweise Häme über die grosse deutsche Friedensdemo in Berlin ausgegossen. Tonlage: «In Deutschland aber geht derzeit eine unkonzentrierte Ego-Show als anschlussfähige Friedensbewegung durch, wie am Samstag am Brandenburger Tor zu besichtigen war. Wie ärgerlich, wie schade.»

Tamedia tat dann noch seines dazu und verwendete ein Foto von Alice Schwarzer, dessen demagogischer Gehalt schwer zu überbieten wäre. Aber es gibt ja nicht nur in Deutschland den Protest von Hunderttausenden gegen die aktuelle Politik, sondern auch in der Schweiz kann man eine aufkeimende Friedensbewegung denunzieren.

Am 11 März organisiert die Bewegung «Mass-voll» in Bern eine Friedensdemonstration mit. Eigentlich sollte es die Berichterstatterpflicht gebieten, über die Anliegen, Ziele, Slogans usw. zu berichten, wie es sich für ein Qualitätsmedium gehört.

Aber doch nicht für Tamedia. Stattdessen zieht hier die einschlägig bekannte Büchi nochmals gegen «Corona-Skeptiker» vom Leder. Mit denen beschäftigte sie sich schon zu Pandemie-Zeiten: «Sollen Medien überhaupt mit Corona-Skeptikern reden?» Sie war so nassforsch, dem damaligen SVP-Bundesrat ans Bein zu pinkeln: «Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich». Was zündelte denn der? «In trumpesker Manier flirtete er zudem mit Verschwörungstheorien».

Sie war schnell mit strengen Handlungsempfehlungen zur Hand: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.» Nun ist der Bundesrat ihren Anweisungen nicht gefolgt, dennoch herrscht in der Schweiz – wohl zum Erstaunen von Büchi – weiterhin Frieden.

Heute hat sie sich mit Sarasin verbündet, der auch schon gegen Demonstranten verbal randalierte, die von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machten: «Exzess der Demonstrierenden mitten in der Pandemie», nannte Sarasin im Frühling 2021 eine Manifestation mit über 4000 Teilnehmern, die zu seinem Entsetzen es gewagt hatten, dabei nicht alle Masken zu tragen.

Nun, damals gab es dann im Anschluss nicht wie befürchtet ein Massensterben in Rapperswil. Aber heute geht es ja um das Sterben in der Ukraine. Und da müssen die beiden wieder ganz streng werden. Wobei ihnen auch diesmal kein demagogischer Kniff zu primitiv ist. Einleitend wird ein «Attila der Kluge» erwähnt. Der habe sich damals mit Ueli Maurer im Friedenstrychlerhemd ablichten lassen. Was hat das für einen Zusammenhang mit der kommenden Friedensdemo?

Eigentlich keinen, denn am Schluss des Artikels wird vermerkt, dass dieser «Attila» mit den mitorganisierenden «Verfassungsfreunden» inzwischen gebrochen habe. Aber er hat halt ein tolles Pseudonym, also kann man ihn doch als Story-Opener gebrauchen, um die richtige Tonlage zu setzen.

Wenn man schon am Holzen ist, darf natürlich ein angeblicher Fachmann nie fehlen. Für Eingeweihte ist’s klar, um wen es sich handelt: Marko Kovic. Der hat zu seinem grossen Bedauern die Plattform «Medienwoche» verloren, wo man ihn vor dem seligen Ende reichlich dilettieren liess. Kovic ist immer zur Hand, wenn es darum geht, im wissenschaftlichen Deckmäntelchen Denunziatorisches und Haltloses über echte und vermeintliche Rechte zu sagen.

Als einziger Experte und «Sozialwissenschaftler» wird Kovic ausführlich zitiert, mit Nonsens-Sätzen wie «Wer bei einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg sagt: ‹Ich bin weder für die einen noch für die anderen›, ist eben nicht neutral, sondern stützt den Aggressor, in dem Fall Russland.»

Dann wird noch maliziös von Streitigkeiten bei den organisierenden Bewegungen berichtet, und mit einem netten Zitat von Attila über die Verfassungsfreunde ist dann der End- und Höhepunkt des Artikels erreicht: «Dieser Verein ist für mich gestorben! Aus! Fertig! Die sollen sich zum Kuckuck scheren!»

Sind also nur Attilas, Verpeilte, sich umorientierende «Corona-Skeptiker» und andere Vollpfosten an der Organisation beteiligt? Treten dort nur Redner wie der angeblich «streng rechtsgerichtete Radiojournalist Burkhard Müller-Ullrich» auf? Nun ja, auch der SVP-Nationalrat Andreas Glarner wird das Wort ergreifen.

Aha, also. Nun ja, was den beiden Recherchier-Genies von Tamedia entweder nicht aufgefallen ist, oder was ihnen nicht ins Framing und ins Narrativ passt: Auch Nicolas Lindt will das Wort ergreifen. Hm, das ist doch der Mitbegründer der Zeitschrift «Eisbrecher» während der Zürcher Jugendunruhen in den 80er-Jahren. Das ist doch der Mitbegründete der Linkspostille WoZ. Das ist doch der Mitinitiant der GSoA, der «Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee».

Also, kapert nun die Rechte oder die Linke die «Schweizer Friedensbewegung»? Oder kapern sie sogenannte «Corona-Skeptiker», was schon damals ein demagogischer Kampfbegriff war und es auch heute noch ist? Das ist nun nicht so ganz klar. Klar ist aber: mit solchen Schmierenartikeln verabschiedet sich Tamedia weiter vom Anspruch, ein seriöses Qualitätsmedium zu sein.Was für ein Trauerspiel. Da hätte die neuernannte Oberchefredaktorin bereits ein erstes Zeichen setzen können und eingreifen müssen.

 

Wir brauchen echten Journalismus

Ein Drecksstück reiner Demagogie im Tagi.

«Wir brauchen eine echte Friedens­bewegung – und keine Ego-Show von Frau Schwarzer». So titelt Tamedia über einem Stück von Meredith Haaf. Das ist eine Leihmeinung von der «Süddeutschen Zeitung», denn der grosse Konzern des Coninx-Clans ist schon lange nicht mehr in der Lage, eigene Meinungen zu haben.

Haaf ist bei der SZ «Stellvertretende Leiterin im Ressort Meinung» und kümmert sich vor allem um «politische Fragen, die das Zusammenleben der Menschen, die Gerechtigkeit der Verhältnisse und das Selbstverständnis unserer Gesellschaft betreffen».

Das äussert sich dann so: In der Gesellschaft sei «Einsatz für den Frieden nachvollziehbar». Immerhin, aber:

«In Deutschland aber geht derzeit eine unkonzentrierte Ego-Show als anschlussfähige Friedensbewegung durch, wie am Samstag am Brandenburger Tor zu besichtigen war. Wie ärgerlich, wie schade.»

Dann holzt Haaf weiter: «Ähnlich wie die organisierten, besonders rabiaten Corona-Massnahmen-Gegner zeigen auch die auf Zuspruch stossenden Friedensinitiativen – die ja zum Teil von denselben Personen ausgehen – eine gewisse intellektuelle Trägheit

Dann wünscht sich Haaf scheinheilig einen «wertschätzenden, offenen Austausch darüber, was Friedenspolitik kann und soll». Um intellektuell sehr träge weiterzuholzen: «der Autor Sascha Lobo hat eigens für Schwarzer und Co. den Ausdruck «Lumpenpazifismus» erfunden; «Friedensschwurbler» ist noch so ein Ausdruck».

Wenn für Haaf Wagenknecht, Schwarzer, Habermas, fast 700’000 Unterzeichner eines Manifests, darunter grosse Teile der deutschen Intelligenzia, alle auf dem Holzweg sind, was wäre dann richtig? Es brauche einen Pazifismus, der «mehr kann als stereotyp «Frieden» zu fordern», was «eine von sich selbst beseelten Selbstberuhigungsclique» angeblich tue. Denn wahrhafter Pazifismus «reicht nicht dem Aggressor die Hand, sondern denen, die ihm widerstehen».

Jeder darf meinen, auch Haaf. Jeder darf rumeiern, auch Haaf. Jeder darf sich selbst widersprechen, wertschätzenden Austausch fordern – und dann abschätzig niedermachen. Aber vielleicht könnte Haaf, statt dafür den Begriff Pazifismus zu vergewaltigen, sich an seine Definition erinnern. Denn bei George Orwell mag das mit dem Kriegsministerium, das Friedensministerium heisst, als literarische Metapher für Demagogie noch angehen. Aber in der realen Welt bedeutet Pazifismus «eine weltanschauliche Strömung, die jeglichen Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ablehnt und den Verzicht auf Rüstung und militärische Ausbildung fordert».

Vielleicht sollten sich das starke Meinungsträger mit schwachen Kenntnissen hinter die Ohren schreiben. Das Stück ist natürlich zuerst in der SZ erschienen. Dort wurde es so eingeschenkt:

Tamedia hat keine eigene Meinung, aber dafür schenkt er den gleichen Text mit einem abgeänderten Titel ein: «Analyse zur Friedensdemo in Berlin: Wir brauchen eine echte Friedens­bewegung – und keine EgoShow von Frau Schwarzer». Dazu stellte er ein Foto von Alice Schwarzer (oben über dem Titel), das an bösartiger Demagogie nicht zu überbieten ist. Ein echtes Drecksstück von Journalismus.