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Leichen zählen

Eine der verlogensten Tätigkeiten der Medien.

Es gibt Leichen, die interessieren die Medien nur sehr am Rande. Oder wissen Sie, wie viele Tote es in den letzten Jahren im Sudan gab? In Somalia? In Äthiopien? In Eritrea? In Myanmar? Wie viele Opfer der Drogenkrieg jährlich in Mexiko fordert? Eben.

Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte zählt über 10’000 zivile Opfer des Ukrainekriegs. Ein grosse Dunkelziffer existiert bei den Angaben über militärische Verluste auf beiden Seiten. Sicherlich völlig unparteiische US-Geheimdienste gehen von 315’000 toten oder verwundeten russischen Soldaten aus. Das wären 87 Prozent der bereitgestellten Bodentruppen. Das britische Verteidigungsministerium schätzt die Anzahl auf 70’000 Tote plus bis zu 240’000 verwundete Soldaten.

Auf ukrainischer Seite werden 120’000 «irreversible Verluste» geschätzt, also tote oder schwerverwundete Soldaten.

Das wäre ein wundersames Verhältnis zwischen zivilen und militärischen Opfern. In modernen Kriegen geht man davon aus, dass auf einen gefallenen Kombattanten bis zu neun zivile Opfer kommen.

Während aber im Ukrainekrieg die öffentliche Meinung eindeutig auf der Seite der Ukraine steht, ist es im Nahen Osten komplexer. Während nur fanatische Irrläufer die von den fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas begangenen Massaker am 7. Oktober kleinreden wollen, ist die Anzahl der getöteten Palästinenser im Gazastreifen zu einer meinungsentscheidenden Grösse geworden.

Israel gibt rund 1200 Tote und 5’500 verletzte Zivilisten an, grössenteils durch den Terrorangriff der Hamas. Die Verluste der Streitkräfte beliefen sich auf 750.

Einzige übergeordnete Quelle im Gazastreifen ist die Palästinensische Gesundheitsbehörde, die sich unter der strikten Kontrolle der Hamas befindet, was ihre Angaben nicht völlig unglaubwürdig, aber sehr fraglich macht. Sie spricht von rund 20’000 Toten und über 52’000 Verletzten, wobei sie keinen Unterschied zwischen Zivilisten und ihren eigenen Kombattanten macht.

Israel wiederum behauptet, seit Beginn der Invasion rund 8000 Hamaskämpfer getötet zu haben. Das würde bedeuten, dass auf jeden getöteten Hamassoldaten zweieinhalb Zivilsten kämen, würden die Angaben beider Seiten stimmen. Was sie offensichtlich nicht tun.

Nicht nur in der Masse sind diese Zahlen bedeutend in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Dass das israelische Militär drei israelische Geiseln getötet hat, die laut Augenzeugen eine weisse Fahne schwenkend und mit nacktem Oberkörper auf die Soldaten zugingen, hat in Israel die ohnehin schwankende Unterstützung für Premierminister Netanyahus Kriegsführung erschüttert. Vor dem Hamas-Massaker versuchte er bekanntlich, sich selbst vor dem Knast zu retten, indem er eine höchst umstrittene Justizreform auf den Weg brachte, gegen die Hunderttausende von Israelis protestierten.

Sobald dieser Krieg beendet ist, wird dieses Problem mit voller Wucht Fahrt aufnehmen. Ebenso die Diskussion, warum Israel am 7. Oktober völlig unvorbereitet war und wer dafür die Verantwortung trägt.

Während die Zahl der Opfer im Gazastreifen im Zentrum der Debatte steht, interessieren sich die Medien eher weniger für die weit über 250 durch illegale israelische Siedler ermordeten Palästinenser in der Westbank. Während der Gazastreifen nach dem vollständigen Rückzug der Israeli in die Hände der Hamas fiel, verwandelte sich die Westbank durch illegale Besiedelungen und die Politik Israels in einen Fleckenteppich, in dem die palästinensische Autonomiebehörde und die Al Fatah nur über kleine Teile die Kontrolle ausüben. Dass diese Organisationen hoch korrupt sind, trägt auch nicht gerade zur Anerkennung ihrer Autorität bei.

Leichen zählen, das ist seit Anbeginn der Kriege ein Propagandaschlachtfeld. Schon immer werden die Verluste des Feindes übertrieben, die eigenen schöngeredet. Schon immer ist der Feind unmenschlich und grausam, die eigenen Streitkräfte versuchen, so schonend wie möglich vorzugehen. Schon immer begeht der Feind brutale, entmenschte Kriegsverbrechen, während die eigene Seite sich an alle Regeln der Haager Landkriegsordnung hält.

Und schon immer war ein Geschehen so grausam wie noch nie. Seien es die Massaker der Hamas in Israel, seien es die Flächenbombardements der Israelis im Gazastreifen.

Leichen zählen, das ist ein Geschäft, mit dem politische und öffentliche Pluspunkte gesammelt werden sollen. Auch hier versagen die Medien in ihrer Funktion, möglichst unparteiisch einzuordnen, auf die Quellenlage hinzuweisen und keinesfalls ungeprüft Angaben einer Kriegspartei zu übernehmen.

Jede Leiche, jede behauptete Leiche, jedes getötete Kind, jede geschändete Frau wird als Propagandawaffe eingesetzt. Das individuelle Schicksal ist grausam, dieser Missbrauch verächtlich.

Creditli Suissli

Gibt es in der Schweiz momentan ein wichtigeres Thema als die CS?

Hat denn niemand Erbarmen mit der Nummer zwei im Schweizer Banking? Die Aktie steht bei rund 5,5 Fränkli. Aus der einstmals stolzen Credit Suisse ist ein Bänkli geworden. Ein Credit Suissli. Ein Scheinriese.

Aber die Medien haben weitgehend vermeintlich Wichtigeres zu tun als die «too big to fail»-Bank mit ihren «too big to jail»-Bankern unter die Lupe zu nehmen.

Wie geht’s in der Ukraine weiter? Müssen wir nächsten Winter frieren? Wird der Flug in die Ferien gestrichen? Brauche ich heute Sonnencreme oder den Regenschirm?

Wichtige und gewichtige Fragen. Darüber sollte man aber nicht ausser Acht lassen, dass sich bei der immerhin zweitgrössten Bank der Schweiz Schlimmes tut. Die Bank ist so gross, dass sie «too big to fail» ist. Sie hat eine Staatsgarantie, dass ihr im Fall der Fälle geholfen wird. Weil sie angeblich systemrelevant sei. Also ein möglicher Zusammenbruch hätte dermassen gravierende Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft, dass man ihr vorher mit Steuergeldern unter die Arme greifen würde.

Vieles deutet darauf hin, dass die Bankführung sich aus diesem Grund am liebsten mit Geldzählen beschäftigt. Mit dem Zählen des eigenen Geldes natürlich. Denn der gesammelte und millionenteure Sachverstand von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat kann seit Jahren nur einen einzigen Erfolg melden: seine Gehälter bleiben turmhoch – während sich die Probleme turmhoch stapeln und der Aktienkurs nur eine Richtung kennt.

Der Aufschrei bleibt aus

Gerade hat er mal wieder einen absoluten Tiefststand erreicht; zeitweise lag er bei 5.44 Franken. Das müsste eigentlich einen Aufschrei auslösen, nicht nur bei den gebeutelten Aktionären. Denn im Fall der Fälle wird jeder eidgenössische Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Man muss versuchen, sich diesen Wertzerfall plastisch vorzustellen. Ein Kaffee creme in einem teuren Kaffee kostet gleichviel. Etwas mehr als zwei Liter Benzin tanken kostet gleichviel. Für einen Fünfliber und eine Fünfzigermünze bekommt man eine CS-Aktie. Was bedeutet das noch?

Auf Banglisch gibt es den Begriff «price to book». Das vergleicht den Börsenwert einer Bude mit dem Bilanzwert, also dem, was in ihren Büchern an Werten vorhanden ist. Normalerweise sollten diese beiden Werte einigermassen übereinstimmen.

Bei der UBS beträgt dieses Verhältnis 0,9. Das bedeutet, man kann von einer fairen Börsenbewertung sprechen. Bei der CS sind es ganze 0,29. Das bedeutet, dass ihr Börsenwert rund 70 Prozent unter ihrem Buchwert liegt. In absoluten Zahlen beträgt er noch 14 Milliarden Franken.

Zum Vergleich: selbst die zurzeit arg gebeutelte Partners Group hat eine Marktkapitalisierung von über 23 Milliarden Franken. Zudem: hier arbeiten rund 1500 Angestellte, bei der CS sind es 50’000. Eine UBS-Aktie kostet rund 15 Franken, deren Börsenwert liegt bei 55,75 Milliarden. Auch noch ein Klacks im Vergleich zu richtig grossen Banken. Die Bank of America zum Beispiel bringt fast 260 Milliarden US-Dollar auf die Börsenwaage. JP Morgan Chase sagenhafte 335 Milliarden.

Wieso kauft keiner das Schnäppchen?

Dagegen ist die CS ein Schnäppchen, das diese Banken aus der Portokasse kaufen könnten. Zudem, wenn der Kaufpreis ein Drittel des inneren Wertes beträgt, könnte man die einstmals stolze Schweizer Bank, gegründet von Alfred Escher, in ihre Einzelteile zerlegen, die verscherbeln und mit einem satten Gewinn nach Hause gehen.

Daraus ergibt sich die Frage: wieso macht das keiner? Es werden zwar immer wieder haltlose Gerüchte herumgeboten, dass es ernsthafte Kaufinteressenten gäbe. In Wirklichkeit traut sich aber keiner. Zum einen, weil die Schweizer Bankenaufsicht FINMA, obwohl ansonsten zahnlos, hier wohl ihr Veto einlegen würde – oder zumindest den Kaufprozess so stachelig wie möglich machte, es geht schliesslich doch um Schweizer Tafelsilber.

Viel wichtiger aber: potenzielle Käufer werden abgeschreckt, weil keiner weiss, welche Leichen noch in den tiefen Kellern der CS liegen. Sie hat in der Vergangenheit milliardenschwere Bussen und Wiedergutmachungszahlungen geleistet. Alleine im Steuerstreit mit den USA über 2,6 Milliarden Dollar. Aber weitere teure Konflikte sind noch nicht gelöst, immer wieder poppen neue auf. Alleine im Zusammenhang mit der Anschuldigung, das Entwicklungsland Mosambik durch fahrlässige Kreditvergabe in Milliardenhöhe in den Staatsbankrott getrieben zu haben, geht es um eine runde Milliarde.

Ein ungetreuer Bankmitarbeiter in Genf soll seine reiche, russische Klientschaft um über eine Milliarde erleichtert haben. Das Risikomanagement der Bank versagt eins ums andere Mal krachend; Stichwort Archegos– oder Greensill-Skandal mit Milliardenschäden.

Privatbanking in Asien, Investmentbanking im Allgemeinen, überall gibt es Baustellen. Das Personal kommt und geht, selbst der Bonustopf ist 2021 auf 1,8 Milliarden Franken geschrumpft. Gleichzeitig ein exorbitanter Betrag für kontinuierliches Versagen.

Zudem braucht die Bank frisches Geld; Fachleute sprechen von einer nötigen Kapitalaufnahme in der Region von 10 Milliarden Franken. Die Grossaktionäre der CS, die US-Riesen Blackrock, Harris Associates, dazu Scheichs aus Katar und Saudi Arabien, sind nicht wirklich lustig darauf, Geld nachzuschiessen. Zudem haben sie bislang stillgehalten, weil sie sich an speziellen Schuldpapieren mit dem lustigen Namen CoCos gütlich tun konnten; mit Zinsen bis zu 9,5 Prozent in einem Nullzinsumfeld. Aber diese Schuldverschreibungen, mit denen sich die CS bei der Finanzkrise eins 2008 aus der Bredouille rettete, sind ausgelaufen.

Das grösste Abschreckungspotenzial hat ein weiterer Aspekt: die Führungscrew der Bank. Weder dem VR und erst recht nicht der Geschäftsleitung fällt eine Business-Idee ein. Eine neue Strategie, ein Wurf, der Versuch eines Ausbruchs aus der anhaltenden Misere. In einer solchen Situation ist nicht Kleinklein gefragt, sondern Mut und Ansage.

 

Der 13-köpfige Verwaltungsrat kassiert zwar stolze 12 Millionen Franken, produziert dafür aber nichts Nennenswertes. Die Geschäftsleitung kassiert exorbitante 76 Millionen – und stochert dafür im Nebel.

 

VR-Präsident Axel Lehmann ist sicherlich ein Fortschritt im Vergleich zu seinem Vorgänger Rohner. Aber als Professor und Risikochef ist er kein visionärer Macher. Und CEO Thomas Gottstein? Als grosse Schweizer Hoffnung angetreten, nach den diversen Milliardenabschreibern schwer angeschlagen.

 

Es sind Elendsverwalter, Probleme Schönredner, keine Problemlöser. Wo soll das alles enden? Der Schweizer Steuerzahler wird’s früher oder später erfahren.