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Shopping auf Ukrainisch

Hat der Griwna eine Kaufkraft oder nicht?

Das Beispiel der ukrainischen Währung zeigt exemplarisch, welche Probleme es mit Papiergeld gibt. Denn zunächst ist Papiergeld, seien das Franken, US-Dollar, Pfund, Euro oder ukrainische Griwna, bloss ein Stück aufwendig bedrucktes Papier. Warenwert weit unter einem Rappen.

Auch der Brennwert ist nicht berauschend, obwohl während der Hyperinflation im letzten Jahrhundert in Deutschland Banknotenpakete als Heizmaterial verwendet wurde. Das war einfacher, als zuerst damit Kohle zu kaufen.

Also ob eine Zehnfranken-Note ein Stück Papier ist oder eine festgelegte Kaufkraft hat, beruht auf Konvention und Vertrauen. Beruht darauf, dass alle Nutzer der Zehnernote ungefähr wissen, welchen Aufwand es brauchte, um sie zu bekommen. Und welche Waren damit bezahlt werden können.

Diese Relationen sind nicht fix. Es kann sein, dass sich die Leistung verringert, die zum Erwerb von zehn Franken nötig ist. Das nennt man Lohnerhöhung. Es kann auch sein, dass der damit käufliche Warenkorb kleiner wird, das nennt man Inflation.

In der Schweiz ist der Franken ein staatlich garantiertes Zahlungsmittel. Ausserhalb der Schweiz nicht. Wer dort bezahlen will, muss in die jeweilige Landeswährung umtauschen. Dafür gibt es Devisenkurse, die das Tauschverhältnis festlegen. Es sollte im besten Fall um eine gleiche Kaufkraft oszillieren.

Gut, das ist Anfängerwissen, wie es jeder HSG-Absolvent im ersten Semester mitbekommt – und dann wieder vergisst. Nun gibt es Währungen, die konvertibel sind. Es ist erlaubt, bei Bargeld in bestimmten Grenzen, sie in beliebige andere, ebenfalls konvertible Währungen zu tauschen. Hier bekommt Geld noch einen Warenwert; also Angebot und Nachfrage beeinflussen das Tauschverhältnis.

Auch der ukrainische Grwina ist konvertibel. Im Prinzip, um mit Radio Eriwan zu sprechen. Diese Geldnote entspricht ungefähr 6 Franken.

Im Prinzip. Denn eine Schweizer Bank, die diese Banknote entgegennimmt und gegen 6 Franken tauscht, lagert die 200 Grwina entweder im Tresor und hofft, dass mal einer kommt, der in die andere Richtung tauschen will. Oder sie liefert sie der ukrainischen Notenbank ein und erhält dafür von dieser 6 Franken.

Die Ukraine hat ihre Devisenreserven gesperrt

Seit Kriegsausbruch hat die ukrainische Nationalbank allerdings diese Dienstleistung eingestellt. Sie will die Devisenreserven des Landes lieber für wichtigere Sachen ausgeben, zum Beispiel für Waffen. Das ist ihr unbenommen, aber das bringt ukrainische Flüchtlinge in die Bredouille. Denn viele von ihnen haben vor der Flucht grössere Beträge von ihrem Konto abgehoben und führen das nun in Bargeld mit. «Bares ist Wahres», wie es so schön heisst.

Wie es aber heute nicht mehr zutrifft. Denn beispielsweise Kreditkarten auf ukrainischen Bankkonten funktionieren meistens weiterhin. Ich kann also mit einer ukrainische American Express in die Migros gehen und damit bezahlen. Ich kann aber nicht meine Griwna in Zahlung geben. Ich kann sie zurzeit auch nicht auf einer Schweizer Bank einwechseln.

Denn die Bank ist nicht verpflichtet, ein solches Wechselgeschäft vorzunehmen. Sie hat zudem Schiss, dass sie keine Franken dafür bekommt, und dass der Griwna rasant an Wert verlieren könnte. Also heute für 6 Franken eingewechselt, und übermorgen gibt’s nur noch 3 dafür.

Wie kann man das Problem der Flüchtlinge lösen?

Was tun? Da das Vertrauen in den Wert und die freie Konvertibilität der ukrainischen Währung fehlt, braucht es einen Garanten dafür. Beispielsweise die Schweizerische Nationalbank. Würde die zu fixen Kursen Grwina entgegennehmen und in Franken auszahlen, sähen Schweizer Privatbanken kein Problem mehr im Wechselgeschäft.

Aber damit würde natürlich die SNB das Risiko übernehmen, dass der Griwna nicht oder nur zu einem niedrigeren Wert in Franken gewechselt werden könnte. Mit anderen Worten; sie würde Verlust machen. Ein solches Geschäft tätigt sie nicht freiwillig. Also bräuchte es eine staatliche Garantie gegenüber der SNB, dass solche Verluste glattgestellt würden.

Das wiederum heisst, dass der Schweizer Steuerzahler das Risiko übernimmt. Dessen Höhe ist unabsehbar. Selbst wenn man den Umtausch pro Person limitiert, würde es sich doch um viele Millionen Franken handeln. Und da die Zukunft der Ukraine und der ukrainischen Währung völlig unvorhersehbar ist, kann auch ein Totalschaden nicht ausgeschlossen werden. Also die Griwna würden sich endgültig in das verwandeln, was sie eigentlich – wie jede andere Banknote der Welt – ist: ein Stück bedrucktes Papier.