Schlagwortarchiv für: Jorges Brouzos

Rechtsverluderung

Amateure am Gerät, auch in den Medien.

Die hochwohllöbliche NZZ trötet: «Das Obergericht bestätigt, dass keine Verjährung eintritt.» Das wüsste das Obergericht aber. Denn es hat den Fall wieder bei der Staatsanwaltschaft rechtshängig gemacht. Und während deren Walten laufen selbstverständlich die Verjährungsfristen. Einleitend schreibt André Müller wichtigtuerisch, dass das Obergericht diese vernichtende Klatsche «auf Anfrage bestätigt». Also hat er angefragt, weil er offenbar weder die Medienmitteilung noch das Urteilsdispositiv einsehen konnte, obwohl das öffentlich erhältlich ist. Zählen kann er nebenbei auch nicht, die Begründung umfasse 40 Seiten, behauptet er, es sind aber 38.

Immerhin 173 Treffer erzielt man in der Datenbank SMD, wenn man am aktuellen Tag mit dem Stichwort Vincenz sucht. Natürlich sind viele Mehrfachtreffer dabei, da die Schweizer Medienlandschaft der Tageszeitungen im Wesentlichen von zwei Kopfblattsalaten bespielt wird. Aber immerhin, der Fall ist wieder präsent.

Mit solchen Schludrigkeiten und Merkwürdigkeiten ist er nicht alleine. Die geohrfeigte Staatsanwaltschaft kann’s nicht lassen und will beim Bundesgericht Beschwerde gegen diesen Entscheid einlegen. Die entspricht allerdings überhaupt nicht dem Bild, das NZZ-Müller von ihr malt:

«Bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich arbeiten schliesslich keine Anfänger. Es handelt sich, was den Kampf gegen Wirtschaftskriminalität anbelangt, um die wohl kompetenteste und am besten ausgerüstete Strafverfolgungsbehörde der Schweiz

Vielleicht sollte man seinem Kurzeitgedächtnis auf die Sprünge helfen und ihn daran erinnern, dass diese unglaublich kompetente Strafverfolgungsbehörde schon den Prozess gegen die Verantwortlichen für das Swissair-Debakel in den Sand setzte. Er endete mit Freisprüchen für alle auf ganzer Linie.

Völlig absurd ist dann Müllers Schlussfolgerung: «Zweitens zeigen Verfahren wie der Vincenz-Prozess der Schweizer Öffentlichkeit, dass der Staat den Kampf gegen Wirtschaftskriminelle ernst nimmt.» Ach ja? Indem er sich komplett lächerlich macht, vertreten durch eine unfähige, stümperhafte, überforderte Staatsanwaltschaft?

Auch der «Ressortleiter Wirtschaft» Ulrich Rotzinger vom «Blick» glänzt durch juristische Kernkompetenzen: «Die angelasteten Vergehen verjähren durch die Verzögerung auch nicht.» Er watscht dann noch das Bezirksgericht ab: «Es hätte die Anklageschrift im Plauderton zurückweisen müssen, anstatt das Urteil nonchalant und in aller Schnelle zu fällen.» 9 Monate für die schriftliche Urteilsbegründung auf 1200 Seiten sei nonchalant in aller Schnelle? Was ist dann für diesen Mann langsam?

«20 Minuten» versichert sich der Fachkenntnis eines Anwalts, der gerne die Gelegenheit benutzt, seinen Namen in den Medien zu sehen, indem er das wiederholt, was im Beschluss des Obergerichts steht – und was man auch einfach dort hätte abschreiben können.

Auch Tamedia schreibt (ab), dass es sich bei dem Beschluss des Obergerichts um 40 Seiten handle. Hier darf der Anwalt für solche Fälle zu Wort kommen, natürlich der «Professor für Strafrecht und Zivilprozessrecht» Daniel Jositsch. Der glänzt mit Erkenntnissen wie: «Dass eine Anklageschrift zurückgewiesen wird, kommt immer wieder vor, gerade bei solch komplexen Fällen wie diesem». Beruhigt aber: «Mit Ausnahme einer zeitlichen Verzögerung habe der heutige Entscheid des Obergerichts aber keine inhaltlichen Auswirkungen auf das Verfahren.»

Vielleicht zum Mitschreiben für den Professor: Wenn ein Urteil aufgehoben wird und der Fall wieder bei der Staatsanwaltschaft rechtshängig gemacht wird, unterbricht das die Verjährung keinesfalls, da somit kein Urteil vorliegt.

Interessant dann auch diese Formulierung bei Tamedia, die Rechtsexperten Jorges Brouzos und Beatrice Bösiger behaupten: «Laut dem Obergericht können sie jedoch nicht auf eine Verjährung der ihnen vorgeworfenen Taten hoffen. Es stützt sich auf die Rechtssprechung des Bundesgerichtes, wonach auch nach der Aufhebung eines Urteils in der ersten Instanz die Verjährung unterbrochen bleibe.»

Das Obergericht deutet so etwas in seinem Beschluss tatsächlich an. Ob aber das Bundesgericht sich darüber hinwegsetzen will, dass die Aufhebung eines Urteils bedeutet, dass es schlichtweg nicht mehr vorhanden ist? Und wenn die Staatsanwaltschaft neuerlich eine Anklageschrift basteln muss, dabei die Verjährung nicht weiter laufe, wie das zwingend vorgeschrieben ist?

Überboten wird all da nur noch durch die Staatsanwaltschaft selbst. Nach diesem Tritt in die Weichteile sollte sie sich eigentlich in ihre Amtsstuben zurückziehen, Büroschlaf halten und hoffen, dass möglichst schnell Gras über die Sache wächst. Denn was ihr widerfuhr, ist die Höchststrafe, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. und kommt keineswegs alle Naselang vor, wie der Rechtsprofessor behauptet.

Stattdessen kündigt sie nassforsch an, sich beim Bundesgericht zu beschweren. Dabei haben die Oberrichter fast eine Seite in ihrem Beschluss darauf verwendet, der Staatsanwaltschaft haarklein zu erklären, wieso Folgendes gilt: «Der vorliegende Beschluss ist damit aus Sicht des Obergerichts nicht anfechtbar». Die Begründung dafür leuchtet auch einem Laien ein. Dem Staatsanwalt hingegen nicht.

War die als untauglich zurückgewiesene Anklageschrift schon peinlich genug, ist dieses Nachmopsen eigentlich ein Entlassungsgrund.

CH Media stellt immerhin die naheliegende Frage an einen Rechtsanwalt, wie lange es denn nun bis zu einem rechtsgültigen Urteil ab heute dauern werde:

«Vom Zeitpunkt des Einreichens der Anklageschrift an das Bezirksgericht bis heute sind rund dreieinhalb Jahre vergangen. Es muss mit mindestens weiteren vier Jahren gerechnet werden, bis das Obergericht wieder zum Zug kommt. Bis dann eine Verhandlung vor Obergericht durchgeführt ist und ein Urteil schriftlich vorliegt, wird es mindestens zwei Jahre dauern. Dann geht es ans Bundesgericht und dort ist ebenfalls mit mindestens zwei Jahren zu rechnen. Wenn das Bundesgericht einen Entscheid fällt, der das Verfahren abschliesst, rechnen wir also mit rund 8 Jahren. Wenn das Bundesgericht (oder allenfalls sogar bereits das Obergericht) das Verfahren zurückweist, noch einige Jahre länger

Oder auf Deutsch: solange gilt die Unschuldsvermutung. Oder deutsch und deutlich: es ist ein Hohn, eine Verluderung der Rechtsprechung, verursacht durch einen inkompetenten Staatsanwalt, der sich nach bitteren Niederlagen in seinen letzten Fall so verbissen hat, dass er ihn peinlich vergeigte.

Der Preis ist heiss

Zwei dubbelisichere Methoden, in die Medien zu kommen.

Attention ist die wichtigste Währung der Welt. In der Informationsflut Flagge zeigen, das ist (fast) unbezahlbar. Dafür gibt es zwei sichere Methoden.

Die erste ist eine Preisverleihung, natürlich an Medienschaffende. Aktuell erfolgreich praktiziert von «Private, das Geldmagazin». Noch nie davon gehört? Eben, das soll der seit 2002 vergebene «Medienpreis für Qualitätsjournalismus» ändern. Der hiess zunächst «Medienpreis für Finanzjournalisten», aber Qualitätsjournalismus tönt natürlich viel besser.

Dann braucht es noch eine Jury mit mindestens einem Aushängeschild (hier Franz Fischlin, Noch-«Tagesschau») und einen würdevollen Festakt (im «Baur au Lac»). Et voilà. Die Geehrten erscheinen zu Hauf, die Medien berichten. Die One-Man-Show «Private» (Erfinder, Herausgeber und Chefredaktor Dr. Norbert Bernhard) hat einen Volltreffer gelandet.

Sein Blatt hat ein einfaches Geschäftsprinzip. Es kostet Fr. 10.- für schlappe 36 Seiten – oder man kann es gratis per PDF im Internet lesen. Auf Seite 33 verrät «Private» sein Geschäftsmodell:

Artikel bezahlen, das kann man so oder so sehen. Es steht zu vermuten, dass nicht für die Inserate im Magazin, sondern auch für sämtliche Artikel von den Autoren oder ihren Firmen ein Obolus entrichtet wurde. Das reicht dann auch für die Ausrichtung eines Medienpreises, über den die Medien gerne berichten.

Medienpreis oder Ranking

Die zweite dubbelisichere Möglichkeit, in den Medien erwähnt zu werden, ist eine Rangliste. Zum einen «die besten, schönsten, geheimsten, wichtigsten» Irgendwas. Das Modell ist dermassen erfolgreich, dass das Erstellen von sogenannten «Listicals» zu einer eigenen Form im Banaljournalismus geworden ist. Wer ausloten möchte, bis in welche Tiefen das hinunterführt, muss nur einen Blick in «watson» werfen, der Schweizer Meister im Erstellen von Listen über Irgendwas.

Breite Aufmerksamkeit ist gewiss, wer zu Reizthemen eine Rangliste erstellt. Das «Tax Justice Network» (TJN) ist eine von vielen NGO, die sich dem Kampf gegen Steuerhinterziehung gewidmet hat. Mit ihrer zweijährlichen Liste schafft es das TJN regelmässig in die Medien. Darunter, was Wunder, Tamedia. Dort berichtet Redaktor Jorgos Brouzos über die neusten Ergebnisse. Was Wunder, die USA liegen auf Platz eins der Länder, bei denen es einfach ist, Schwarzgeld zu verstecken oder anzulegen.

Das ist nun eine längst bekannte und gähnlangweilige Erkenntnis. Denn die USA machen beim Automatischen Informationsaustausch (AIA) nicht mit. Teilnehmende Länder verpflichten sich, Finanzdaten von andernorts Steuerpflichtigen an die jeweiligen Ländern weiterzugeben. Aber doch nicht die Weltmacht USA. Die verlangt im Gegenteil mit ihrer Informationskrake FATCA von allen Ländern der Welt Auskünfte über alle Personen, die in den USA steuerpflichtig sind oder sein könnten. Und wehe, ein Finanzinstitut übersieht da etwas.

Wettkampf der Schwarzgeldbunker

Im sogenannten Steuerstreit zwangen die USA bekanntlich die Schweiz in die Knie; sie musste ihr Bankgeheimnis aufgeben. Was als grosser Triumpf im Kampf gegen Steuerhinterziehung gefeiert wurde, war in Wirklichkeit ein mit imperialistischen Mitteln geführter Streit um einen möglichst grossen Anteil am Kuchen nicht versteuerter Gelder. Den natürlich die USA gewannen.

Dort stehen bekanntlich nicht nur die grössten Schwarzgeldbunker der Welt, sondern auch die grössten Geldwaschmaschinen für Gelder jedweder kriminellen Herkunft. Drogen, Menschenhandel, Blutdiamanten, Sklaven- und Kinderarbeit: die USA verwandeln schmutzige Einkünfte in blütenweisse Finanzen.

Im sogenannten «Financial Secrecy Index» folgt die Schweiz, zusammen mit Singapur, auf dem zweiten Platz. Die British Virgin Islands und Guernsey kommen auf die Plätze 9 und 10, Grossbritannien und die Cayman Islands auf 13 und 14. Diese relativ milde Platzierung hat sicherlich nichts damit zu tun, dass das TJN seinen Hauptsitz in London hat.

Bei einem Preis entscheidet eine Jury über die Preisträger. Ein Index ist soviel wert wie die Kriterien, die zu seiner Erstellung verwendet werden. Beim TJN sind es gleich 20. Transparenz eines Finanzplatzes ist das Stichwort. Dazugehört beispielsweise, mit wie vielen Ländern ein AIA-Abkommen abgeschlossen wurde. Um so mehr, desto besser. Allein, schon dieses Kriterium ist bei näherer Betrachtung fragwürdig. Ist ein AIA mit einem Unrechtsstaat wie Saudi-Arabien etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Wer garantiert, dass in teilnehmenden Unrechtsstaaten diese Daten nur zu Steuerzwecken verwendet werden? Nicht zum Beispiel zum Trockenlegen von Finanzquellen für regierungskritische Organisationen oder NGO?

Absurde Kriterien führen zu absurden Ergebnissen

Noch absurder ist, dass dann diese Kriterien mit dem jeweils verwalteten Offshore-Vermögen multipliziert werden. Wenn also beispielsweise die Schweiz viel ausländisches Geld anzieht, weil das Land als stabil und sicher gilt, was ja positiv ist, schlägt das dann auf die Rangliste von Schwarzgeldbunkern durch.

Wer einen Blick auf das Team von TJN wirft bemerkt, dass es sich um ein bunt zusammengewürfeltes, internationales Netzwerk von weitgehend unbekannten Mitarbeitern handelt. Wie transparent TJN in eigener Sache ist, erkennt man daran, dass der letzte publizierte Geschäftsbericht von 2020 stammt …

Neben diesem Bericht macht das TJN gerne immer wieder Schlagzeilen, indem es gigantische Zahlen veröffentlicht, wie viel Geld weltweit angeblich steuerfrei und versteckt angelegt ist. Es handle sich um Dutzende von Billionen Dollar. Auf solche Zahlen kommt man mit dubiosen Kriterien, die zudem noch dubioser mit anderen Zahlen multipliziert werden.

Ähnlich wissenschaftlich wäre es, den feuchten Finger in die Luft zu halten und je nach Windrichtung Zahlen zu nennen. Chillfaktor mal Windgeschwindigkeit, multipliziert mit der Intensität der Sonnenbestrahlung in einer durchschnittlichen Woche – et voilà, so misst man den Klimawandel.

Also eigentlich so lachhaft wie der «Medienpreis für Qualitätsjournalismus». Wie qualitätsvoll der ist, beweist Tamedia mit seiner Berichterstattung über diese Rangliste von Schwarzgeldbunkern.

Qualitätspreise für Qualitätsarbeit

Gegen Schluss gibt Bouzos dann noch einem Kritiker das Wort, dem Sprecher einer weiteren NGO namens Alliance Sud. Der darf unwidersprochen behaupten, dass die Schweiz mit vielen Entwicklungsländern keine Abkommen zum AIA abgeschlossen habe. «Steuerhinterzieher aus diesen Ländern hätten auf Schweizer Banken nach wie vor kaum etwas zu befürchten. «Sie verstecken hier Geld vor dem Fiskus ihrer Heimatstaaten, die diese dringend im Kampf gegen die Nahrungsmittelkrise bräuchten, die der Ukraine-Krieg ausgelöst hat»».

Dass die meisten Entwicklungsländer keine Rechtsstaaten sind, sondern beherrscht von Willkür, Potentaten, korrupten Funktionären und zu jeder Schandtat bereit, das erwähnt Brouzos allerdings nicht. Dieser Qualitätsjournalist.

Bekäme in einem dieser Länder die herrschende Clique Informationen über die Finanzquellen einer NGO wie Alliance Sud, dann wäre es ihr ein Leichtes, das abzuwürgen. Aber soweit über die ideologische Brille hinaussehen, das geht im hochstehenden Qualitätsjournalismus natürlich nicht. Wir hoffen daher für Brouzos, dass er auch mal den Qualitätsmedienpreis gewinnt. Denn ausser ihm hat ihn schon so ziemlich jeder Wirtschaftsjourni gekriegt …

 

 

 

Au weia, au weiwei

Wie drei Qualitätsjournalisten eine Story versenken.

Eigentlich könnte es ein schönes Recherchierstück sein: «Warum die CS den China-Kritiker rauswarf». Die News ist zwar nicht brandneu, aber man will ja nicht zu viel vom heutigen Elendsjournalismus verlangen.

Es geht darum, dass dem weltberühmten chinesischen Künstler Ai Weiwei seine Konten bei der Credit Suisse gekündigt wurden. Vorwand: Die Bank führe keine Geschäftsbeziehungen mehr mit Vorbestraften. Es liegt auf der Hand, dass das ein Kotau vor dem chinesischen Regime und dem Riesenmarkt dort ist, wo man vor allem im Immobilienbereich Multimilliarden – in den Sand setzen kann.

Also ideal für die CS. Und ideal für ein sauberes Stück Hinrichtungsjournalismus. Gleich drei Tamedia-Cracks haben zusammen in die Tasten gehauen. Vielleicht liegt es daran, dass Linus Schöpfer, Simon Widmer und Jorgos Brouzos nur ein Jammerlappen von Artikel gelungen ist.

Der vielfältige Schweizer Print-Journalismus (Ausschnitt).

Zunächst der szenische Einstieg, wie er vom «Spiegel» seit gefühlten hundert Jahren zelebriert wird:

«Oktober 2021, ein Sonntagmorgen in Portugal. Chinas berühmtester Dissident sitzt in seiner Küche und schlürft Suppe. Die Kamera ist an, wir sprechen über Zoom mit Ai Weiwei.»

Informationsgehalt: null. Bedeutung: null. Jeder Chinakenner weiss, dass die dort ihre Suppe schlürfen. Morgens und abends und auch zwischendrin. Jeder weiss, dass die Kamera schon an sein muss, sonst geht da nix. Aber nun geht’s sicher mit dem Enthüllungsjournalismus los.

 

Künstler und Dissident: Ai Weiwei.

Moment, zunächst muss noch, das haben wir mal im Schulaufsatz gelernt, erklärt werden, was wir so tun und getan haben: «Im Folgenden erzählen wir die Geschichte hinter Ais Rauswurf. Dafür sichteten wir Mails und Transkripte von Sitzungen, führten Gespräche mit Ai Weiwei, Verantwortlichen der Credit Suisse und unabhängigen Bankexperten.»

Das muss einem natürlich gesagt werden; die drei Herren haben sich nicht einfach eine Story aus den Fingern gesaugt. Sie haben doch tatsächlich etwas recherchiert. Wahnsinn. Nun könnte der Leser, der es bis hierher durchgehalten hat, natürlich der Meinung sein: was interessieren mich die Kontoverbindungen eines Suppe schlürfenden Chinesen in Portugal?

Natürlich weist der Einzelfall ins Allgemeine hinaus

Aber auch dafür gibt es sofort eine Antwort: «Es ist eine Geschichte, die über den Streitfall «Credit Suisse gegen Ai Weiwei» hinausweist. Denn sie gibt Einblick in das Kalkül und die Ethik einer Schweizer Grossbank. Und sie zeigt, wie verblüffend rasch und zugleich radikal die Bank im Ernstfall ihre Verteidigungslinie anzupassen weiss.»

Ein Kunstwerk des Künstlers.

Normalerweise wird die Moral einer Geschicht’ erst am Schluss enthüllt, aber warum mal nicht gleich am Anfang? Wohl in der berechtigten Befürchtung, dass nicht allzu viele Leser bis zum Ende der 13’360 Anschläge umfassenden Gähnstory durchhalten. Als wären wir hier bei der «Republik».

Aber wir sind beim Qualitätsmedium Tamedia, das diese seitenfüllende Sauce in alle Kopfblätter in allen Winkeln der Schweiz ergiesst. Was macht man, wenn man schon ganz am Anfang die Recherche und die Moral und überhaupt alles verraten hat, inklusive Journalismus in langen Hosen? Genau, man macht eine «Rückblende». «Ai schreibt, die Credit Suisse habe das Konto seiner Stiftung aufgelöst. Begründet habe das die Bank mit einer neuen Geschäftsregel, die keine gerichtlich verurteilten Kunden mehr erlaube. Er sei aber weder angeklagt noch verurteilt worden. Das wahre Motiv müsse daher wirtschaftlicher Art sein.»

Das war am 6. September, am 11. September erschien dann ein Interview in den Tamedia-Blättern mit Ai Weiwei. Da sagt er nochmals, was er schon zuvor gesagt hat. Schnarch.

Künstler mit Kunstwerk, hier für Hornbach.

Die CS sagt das, was man als Bank halt so sagt. Bankkundengeheimnis, sagen nix zu allfälligen Kontoverbindungen. Aber nicht nur in den Medien sinkt das Niveau unaufhörlich ins Bodenlose. Wir lesen im Schulaufsatz: «Am Samstagmorgen erhalten wir einen Anruf, am Apparat ist ein Kommunikationsspezialist der CS. Man wolle ein neues Statement abgeben.»

Links künstlerisch verfremdet, rechts das Segellogo der CS.

Wunderbar dass wir das alles wissen; es war ein Anruf, und es war ein «Kommunikationsspezialist» am Hörrohr (der hoffentlich inzwischen seinen Job los ist). Denn der teilte mit, dass man die Kundenbeziehung «beendet» habe, weil der Künstler «gesetzlich erforderliche Informationen nicht lieferte». Das ist nun tatsächlich ein Knaller – an Blödheit.

Hier könnte man abbrechen, aber he, es sind drei Autoren …

Damit könnte man eigentlich die Story knackig beenden. Aber nein, wir erinnern uns: es wurden Unmengen von Material durchgeackert. Zur Verfügung gestellt vom «Team» Weiweis. Also vielleicht nicht ganz objektiv. Aber wie auch immer, warum in einem Satz etwas sagen, wenn man auch viele verwenden kann.

Der eine Satz: diese Unterlagen scheinen zu belegen, dass die CS nach Vorwänden suchte, um Weiwei rauszuschmeissen. Gefühlte 100’000 Buchstaben später kommt der Künstler zu einer geradezu konfuzianisch weisen Beurteilung: Die Bank sei «money-rich but truth-poor». Wobei das mit dem «money-rich» auch eher ein Gerücht ist.

Der Künstler als Kunstwerk.

Aber, Fakten auf den Tisch, haben nun die Chinesen auf die CS eingewirkt, den Dissidenten rauszuschmeissen? «Dafür gibt es keine Hinweise.» Aber das wäre ja eigentlich die Aufgabe einer echten Recherche gewesen.

Stattdessen endet der Artikel mit einem leisen Seufzer, «keine Hinweise». Das ist nun keine Kunst. Das ist auch keine Leistung. Das ist einfach jämmerlich. Das ist au weia, das ist au wei. Dabei wäre die einzig interessante News (leider verschenkt), dass die CS sich nicht entblödet, etwas zu einem Kunden zu sagen. Als ob man noch nie vom Bankkundengeheimnis gehört hätte.

Dafür könnte man die Blöd-Bank einklagen, aber dazu sind die Journis selber …