Schlagwortarchiv für: GL

Die «Republik» tief im Elend

Jeder «Untersuchungsbericht» macht’s noch schlimmer.

Es ist ein Bericht aus dem Gagaland: «Zwei der Betroffenen sollen zum Zeitpunkt der Vorfälle bei der Republik angestellt gewesen sein, ob auch heute noch ein Arbeits­verhältnis mit der Republik besteht, konnte die Republik nicht abschliessend beantworten. Die Vorwürfe wurden anonym erhoben, die Republik kennt die Identität der Betroffenen nicht.»

Die «Republik» untersucht also Vorwürfe von anonymen, angeblichen «Betroffenen». Gaga.

Darüber hinaus liess sie den «Anstellungsprozess der beschuldigten Person» untersuchen. Das habe ergeben, «dass die Republik eine Hinweis­geberin unangebracht und ohne Wertschätzung behandelt sowie keine geeigneten Massnahmen ergriffen hat, um künftige sexuelle Belästigungen im Arbeits­umfeld möglichst zu vermeiden». Unangebracht und ohne Wertschätzung. Gaga.

Interessanter dann der «Prozess nach der Meldung an die Geschäftsführung». Vielmehr der Nicht-Prozess, das gelähmte Zuwarten. Die GL habe prima gehandelt, «sich aber durch die rechtliche Beratung bei ihren Entscheidungen fehl­leiten» lassen. Gaga.

Nur zwei Wochen lang installierte die «Republik» eine «Meldeplattform». Da hätten «ca. 20 Personen 35 Meldungen abgegeben», also ein Paradies für Denunzianten. «Teilweise war ihnen (den externen Betreibern, Red.) die Identität bekannt, teilweise waren die Meldungen anonym. Sie erhielten aber auch Meldungen von Zeuginnen, die etwas selbst gesehen haben, oder denen etwas zugetragen wurde. Dadurch lassen sich auch anonyme Meldungen plausibilisieren.» Denunziationen auch vom Hörensagen. Gaga.

«Zum Schutz der meldenden Personen und da eine sofortige Trennung aufgrund des ausgewerteten Materials für die Arbeit­geberin alternativlos war, hat keine erneute Konfrontation des Beschuldigten mehr stattgefunden.» Bis heute für die GL anonyme Personen erheben Anschuldigungen. Auf der Meldeplattform gibt es weitere, teilweise anonyme Anschuldigungen. Und diese anonymen Denunzianten müssen dann «geschützt» werden? Dem Angeschuldigten wird das vorher zugesagte fundamentale Recht der Konfrontation verweigert? Das sei im merkelschen Sinne «alternativlos»? Gaga.

Aber es wird noch bedenklicher: «Eine sorgfältige Analyse aller Meldungen zeigt, dass die Republik AG von Anfang an mit personellen Konflikten, Führungs­kämpfen und verletzendem persönlichem Verhalten auf verschiedenen Ebene konfrontiert war.»

Hoppla. Das Magazin für die Besserung der Welt, die Heimat des erhobenen Zeigefingers, der Besserwisserei, der Verurteilung allen Fehlverhaltens bei anderen ist ein wahrer Intrigantenstadl, wo jeder jeden (und jede) in die Weichteile tritt?

Oder wie sagte die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger noch im Februar dieses Jahres so schön wie peinlich: «Diese NZZ-Polemik ist vollkommen haltlos. Ich habe die Tamedia 2017 verlassen, um mich an der Gründung der Republik zu beteiligen – und ich kann Ihnen versichern, dass die Tamedia- und Republik-Betriebskultur nichts miteinander zu tun haben.» Die NZZ hatte beim Roshani-Skandal die Rolle der übrigen Medien (und auch die von einigen ehemaligen Tamedia– und inzwischen «Republik»-Redaktoren) scharf kritisiert; allerdings nicht die eigene, verfehlte Berichterstattung.

Übrigens kläffte damals auch der inzwischen fristlos Gefeuerte: «Ich habe das Magazin 2014 wegen Finn Canonica verlassen … Wenn die NZZ das heute für Republik-Bashing missbraucht, kann ich ihr auch nicht helfen. Ich war drei Jahre beim Magazin, 2011 bis 2014, und kann ehrlich gesagt nicht viel Gutes über die Zeit dort sagen. Dass ich schweigender Teil irgendeiner Kultur gewesen sein mag, ist, entschuldigen Sie den Ausdruck, geradezu lachhaft.»

Ob der Mann heute noch lacht?

Schon interessant, wie diese Herren damals noch auf dem hohen Ross ritten. Erinnert an den Kinderreim:

«Hoppe, hoppe Reiter.
Wenn er fällt, dann schreit er.
Fällt er ins grüne Gras,
macht er sich die Hosen nass.»

Sind das alles vielleicht Figuren, und die wollen moralische Instanz sein und die Demokratie retten. Gaga.

 

Die Schlinge zieht sich zu

Affären folgen immer der gleichen Logik.

So geht Affäre. Vorher war da nix. Dann macht es wumms, und plötzlich ist sie da, die Affäre. Gerne wird ihr dann das Wort -gate hintendran gehängt, aber nur von bemerkenswert fantasielosen Journalisten.

Bis vorletzten Freitag waren die Zustände bei der Edelgutmenschen-Postille «Das Magazin» nur Insidern bekannt. Es wurden auch nur hinter vorgehaltener Hand Begründungen herumgeboten, wieso der Chefredaktor Finn Canonica im Sommer letzten Jahres plötzlich eine «neue Herausforderung» annehmen wollte und mit Jubelarien verabschiedet wurde.

Dass dann im September Anuschka Roshani gekündigt wurde, genau wie zuvor Canonica, wurde überhaupt nicht bekannt. Vier Seiten im «Spiegel» änderten das schlagartig. Dem staunenden deutschen Leser wurde ein abgründiges Bild der Zustände beim Schweizer Magazin des «Tages-Anzeiger» gemalt. Gar nicht putzig, diese Schweizer.

Am Anfang einer Affäre steht immer eine Anschuldigung. Einblick in einen Abgrund. Täter und Opfer. Versagen aller Orten. Besonders saftig ist die Affäre, wenn es um Sexualität geht, um verbale Übergriffe, um einen Vorgesetzten im Machtrausch. Um ein männliches Schwein, das zudem von seinen (männlichen) Vorgesetzten geschützt und gestützt wird.

Das ist sozusagen der Aufschlag. Nach einer mehr oder minder langen Schrecksekunde kommt dann der Return. Vorhersehbar. An den Anschuldigungen sei (fast) nichts dran, alles kalter Kaffee, aber leider, leider, der Persönlichkeitsschutz ermögliche es dem Arbeitgeber nicht, Genaueres zu sagen.

Anschliessend gerät das Spiel meistens völlig ausser Kontrolle. Der eigentlich Angegriffene geht auf Tauchstation. Sein Ex-Arbeitgeber beginnt zu eiern. Ein Tag nach dem Persönlichkeitsschutz ist’s damit schon vorbei, es wird genüsslich aus einem Untersuchungsbericht zitiert. Ohne die beiden davon Betroffenen um Einverständnis zu fragen (Persönlichkeitsschutz, scheiss drauf), werden sie genüsslich abgewatscht. Der eine habe sich einer «fäkalisierten» Sprache mit «unangemessenen» sexuellen Anspielungen bedient. Die andere habe Vorwürfe erhoben, die sich (fast) alle «nicht erhärten» liessen.

Schnell bleibt das Publikum nicht mehr stumm. Es wird gejohlt, kommentiert, hineingekräht. Also nicht vom breiten Publikum, dem sind solche Selbstbespiegelungen von Medien eigentlich ziemlich egal. Aber die Konkurrenz betreibt nun Erregungsbewirtschaftung, gräbt dieses und jenes aus. Anonyme Heckenschützen («war alles noch viel schlimmer») kommen aus den Löchern.

Statt mit einem Ball geht’s dann mit Geballer weiter. Der Angeklagte meldet sich zu Wort («alles gelogen», bereut aber einiges, was er heute natürlich nicht mehr so formulieren würde). Jede Menge Feministinnen haben es schon immer gewusst und beklagen lautstark diese frauenverachtende, männerbeherrschte Missstimmung bei Tamedia. Wobei nicht alle richtig Gas geben: die «feministische Aktivistin» Franziska Schutzbach arbeitet mit Schalldämpfer. Denn ihr Partner ist lange Jahre Redaktor beim «Magazin», er hat nie etwas über die angeblich frauenverachtenden, mobbenden Zustände verlauten lassen …

Besonders peinlich ist – wie meist bei Affären, wenn Medienhäuser involviert sind – die offizielle Reaktion von Tamedia. Big Boss Pietro Supino will, Überraschung, erst vor Kurzem von dem Schlamassel erfahren haben, der im Übrigen völlig korrekt abgeräumt worden sei. Was jetzt stattfinde, sei sozusagen ein Drecksspiel der Konkurrenz.

Damit begibt er sich allerdings selbst in Teufels Küche, denn es gibt doch gelinde Zweifel daran, ob er erst 2021 (was ja auch ein Weilchen zurückliegt) von den Vorwürfen erfahren habe. Denn anscheinend gab es 2014 schon eine erste Protestwelle gegen den dann letztes Jahr gefeuerten Chefredaktor.

Noch schlimmer: es wird gemunkelt, dass es noch weitere Problemchefs gebe. Einen weiblichen, der aber nicht mehr im Amt sei. Und einen männlichen. Es darf geraten werden.

Zwischenbilanz: die meisten Beteiligten haben sich bereits ins Elend geredet oder geschrieben. Die Konkurrenz trieft vor Häme, die ansonsten sofort mit strengen Urteilen, Kritiken und entrüstet in den Himmel gestreckten Zeigefinger zur Stelle befindlichen Journalisten aus dem betroffenen Hause haben kollektiv ein Schweigegelübde abgelegt. Wer will sich auch daran die Finger verbrennen.

Stimmen die Vorwürfe, haben sich alle Mitwisser, vor allem auf der Tagimagi-Redaktion, als charakterschwache Heuchler entpuppt. Stimmen die Vorwürfe, hat die gesamte Führungscrew, der Oberchefredaktor, die GL und der Big Boss, versagt.

Stimmen sie nicht, hat das Krisenmanagement versagt. Inzwischen dürfte sich die interne Diskussion in erster Linie darum drehen, ob es einen Sündenbock braucht, und wenn ja, wer den spielen muss. Denn die Schlinge zieht sich zu.