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Pietro «George» Supino

Jahresbilanz verhagelt, aber es geht voran.

Der Big Boss der Tx Group und der Statthalter des Coninx-Clans hat ein zunehmendes Problem mit der Realität. Die neuste Sparmassnahme bei Tamedia, die Ernennung der mediokren Raphaela Birrer als Nachfolgerin des Bauernopfers Arthur Rutishauser, verkaufte Pietro Supino noch vor Kurzem so: «Im letzten Jahr hat die Redaktion wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung ihres Angebots erarbeitet, die nun schrittweise eingeführt werden.»

Weiterentwicklung des Angebots? Diese «Weiterentwicklung» besteht im Wesentlichen darin, dass die Bezahlmedien der Tx Group bis Ende 2023 satte 70 Millionen einsparen sollen. Davon seien bereits 65 Prozent – wohl im Rahmen der «Weiterentwicklung des Angebots» – realisiert, fehlen als nur noch rund 25 Milliönchen. Der CFO von Tx verweist stolz darauf, dass bei Tamedia bereits 80 Vollzeitstellen im Jahr 2022 eingespart wurden.

Der sogenannte «Sustainability Officer» Ursula Nötzli weist zudem darauf hin, dass die «Kostensituation» ein wichtiges Thema bleibe. Unter Nachhaltigkeit versteht man im Hause offenbar nachhaltig sparen. Oder auf Deutsch: raushauen, feuern, runterholzen, verkleinern, verzwergen.

Aber trotz allem Sparen bis es quietscht, rauschte der Betriebsgewinn (auf Stufe EBIT) um über 90 Prozent in den Keller. Gesamtresultat: Verlust von 4,6 Millionen, im Vergleich zu einem Vorjahresgewinn von 833 Millionen.

Was den Coninx-Clan gar nicht freuen wird: die Dividende wird von Fr. 3.20 auf 0.30 runtergesäbelt. Muss nun die Bestellung der neuen Yacht warten, muss Supino statt im Luxusanwesen im Zelt schlafen? Keine Panik, es gibt dafür eine «Sonderausschüttung» von Fr. 4.20 aus der Zusammenlegung der Handelsplattformen mit Ringier.

Nun bräuchte es schon einen George Orwell, um diesen Doublespeak, dieses Doublethink, diesen Newspeak zu würdigen. Indem gespart wird, wird das Angebot weiterentwickelt. Es muss gespart werden, weil der Gewinn eingebrochen ist, aber es gibt einen Milliardensondergewinn. Die Mantelredaktion, ein Euphemismus für die Zentralredaktion in Zürich, die für alle Kopfblätter die Einheitssauce herstellt, soll statt Tamedia nun «Tages-Anzeiger» heissen, was den Stellenwert der «Basler Zeitung» oder der «Berner Zeitung» oder des «Bund» – der niemals mit der «Berner Zeitung zusammengelegt werden sollte – sicherlich deutlich verstärkt.

Dafür soll die Lokalredaktion Zürich des Zürcher «Tages-Anzeiger» aus diesem neuen Konstrukt herausgelöst werden. Super, so organisiert man richtig um.

Gleiche Sauce in neuem Namen, das ist Orwell. Wir sparen zum Ausbauen. Orwell. Wir verdienen uns dumm und dämlich, jammern aber. Orwell.

Wenn man statt Orwell mal Klartext sprechen will: Supino war zuvorderst daran beteiligt, dass die Subventions-Milliarde an der Urne gekippt wurde. Supino hat alle Handelsplattformen und den Stellenanzeiger vom Tagi weggenommen und zu eigenen Profitcentern gemacht. Gleichzeitig verlangt er von den Bezahlmedien, die gleiche Rendite wie alle anderen Einheiten abzuwerfen. Weil «20 Minuten» so profitabel ist, wird es zum eigenen Profitcenter gemacht und von den übrigen Printprodukten separiert geführt. Wenn es um die Entlassung eines Lokalredaktors, um einen Protestbrief oder um die Affäre Roshani geht: ungeschickter, unbeholfener und inkompetenter als Supino kann man kaum kommunizieren.

Und nun sprudelnde Dividenden und Sondergewinne in Milliardenhöhe auf der einen Seite, pickelharte Sparziele mit ganz «präzisen Vorgaben» auf der anderen Seite. Eine schon zum Skelett runtergesäbelte Rumpfmannschaft mit 80 Stellen weniger soll noch weitere Millionen einsparen. Das sorgt ungemein für Stimmung unter den Redaktoren, die die bisherigen Sparübungen überlebt haben und sich bang fragen, ob es diesmal den Nebenmann (oder eher weniger die Nebenfrau) oder sie selbst erwischt.

Genauso für Stimmung sorgt, dass das Wort Teuerungsausgleich keinem der Bonusbezüger aus der Chefetage über die Lippen kam. Offenbar will Supino den gleichen Orwell nochmal durchgeben, der doch schon bei de Abstimmung über die Subventionsmilliarde für Furore gesorgt hat. Sondergewinne und Sonderdividenden vermelden, aber aus dem normalen Geschäftsgang einen Verlust – und deswegen ernsthafte weitere Sparmassnahmen ankündigen. Das motiviert die verbliebenen Rumpfredaktoren zusätzlich ungemein.

Abgesehen davon, dass spätestens seit dem Auftauchen von Kerstin Hasse in der Chefredaktion und der Nominierung von Raphaela Birrer als Nachfolgerin des Bauernopfers Rutishauser alle männlichen Mitarbeiter wissen, dass Beförderungen nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz erfolgen.

Und dem Konsumenten, dem Leser, soll all das – geschrumpfter Inhalt, geschrumpfter Umfang, geschrumpftes Niveau – als Ausbau serviert werden. In jedem Unternehmen, wo nicht die Clanzugehörigkeit vor allem schützt, wären schon längst personelle Konsequenzen gezogen worden. Denn eine Sparmassnahme ganz oben würde Wunder wirken. Nach dem abrupten Abgang von Marco Boselli wäre auch bei Andreas Schaffner und vor allem bei Mathias Müller (mit dem Zusatz von Blumencron) grosses Sparpotenzial. Plus beim Kopf des Fisches

Zweitgrösste Bank: na und?

Die CS ist in der letzten Woche in 203 Artikeln erwähnt worden. Darunter ein kritischer.

Die Bank ist krank. Das kann man bei der Credit Suisse wohl sagen, ohne gleich ein nettes Schreiben der Hauskanzlei Hartmann & Merker zu bekommen. Hoffentlich.

Vor Ostern verabschiedete sich die einstmals stolze Bank mit 7,17 Franken von der Börse. Die gute Nachricht: vor etwas mehr als einem Jahr erreichte sie ein Tiefst von 6,206 Franken. Anfang November letzten Jahres lag sie bei stolzen 10,175; zweistellig, Wahnsinn. Seit 1. Januar 2022 verlor die Aktie weitere 19,09 Prozent ihres Werts.

Das Trauerspiel in den letzten drei Jahren. (Quelle: cash.ch)

Die Ursachen sind bekannt. Abhilfe ist nicht in Sicht. Angesichts solcher Zahlen und Entwicklungen könnte man eigentlich annehmen, dass das Führungspersonal, das Management, die Geschäftsleitung einkommensmässig etwas kürzer tritt. Für die nächste Aktionärsversammlung am 29. April fordern unter anderem die grossen Aktionärsberatungsfirmen ISS und Glass Lewis, keine Décharge zu erteilen. Diese Verweigerung der Entlastung vom letzten Geschäftsjahr hat zwar weitgehend eine symbolische Bedeutung. Noch nie – weder bei der UBS, noch bei der CS – wurde der Versuch unternommen, das Management haftbar für einen katastrophalen Geschäftsverlauf zu machen.

Der abgetretene langjährige VR-Präsident Urs Rohner entschuldigte sich in seiner letzten Rede für den trübseligen Aktienkurs. Aber ausser schönen Worten und klitzekleine Verzichtserklärungen gilt für die Bank weiterhin: Business as usual. Das heisst, die Ausschüttung der sogenannten «variablen Vergütung», also von Boni, hat nur sehr rudimentär mit dem Geschäftsverlauf zu tun.

Lukas Hässig von «Inside Paradeplatz» hat sich die Mühe gemacht, entsprechende Zahlen aufzubereiten. Das Ergebnis ist, gelinde gesagt, ernüchternd.

In den letzten 8 Jahren wurden insgesamt Boni in der Höhe von über 26 Milliarden Franken ausbezahlt. Die Entwicklung des Aktienkurses sah in dieser Zeit so aus:

Von 2014 bis 2022: Kurse von Fall zu Fall. (Quelle: cash.ch)

Für diese 26 Milliarden haben die Banker dann doch wenigstens satte Gewinne erwirtschaftet? Es geht; angesichts ständiger Rückstellungen, Flops und Bussen betrug der in der gleiche Zeitspanne – 1,7 Milliarden Franken. Doch, das Komma steht an der richtigen Stelle. An Boni wurde das 15-Fache des Gewinns ausgeschüttet.

Gut, dann haben aber die Aktionäre wenigstens als Zückerchen für den absaufenden Kurs kräftig Dividenden kassiert? Es geht, 6,4 Milliarden insgesamt.

Was sagt das über eine Bank? Der Börsenwert schnurrt auf Schnäppchenpreis zusammen. Nur kauft niemand, weil alle Schiss haben, welche Leichen da noch im Keller liegen. Der erwirtschaftete Gewinn über Jahre hinweg beträgt jämmerliche 1,7 Milliarden Franken. Die Aktionäre werden mit absaufenden Kursen und Dividenden in der Gesamthöhe von 6,4 Milliarden Franken abgespeist.

Aber das Management der Bank, darunter die GL, die MD, die Key Risk Taker und wie sie alle heissen, schoben sich hingegen genau 26,3 Milliarden «variable Vergütungen» in die Tasche. Wohlgemerkt zum nicht kümmerlichen Grundsalär obendrauf. Wie lässt sich dieses Missverhältnis begründen? Früher sorgte schon für Gebrüll, wenn die Boni die gleiche Höhe wie der Gewinn hatten. Oder im Extremfall wie der Verlust. Alles schon passiert.

Aber dass kumuliert läppische 1,7 Milliarden Gewinn mit satten 26,3 Milliarden variablen Vergütungen honoriert werden, das ist wirklich der Gipfel. Daher herrscht sicherlich auch grosses Hallo in den Schweizer Medien, denn die Bank ist schliesslich «too big to fail» systemrelevant, müsste im Ernstfall mit Steuergeldern gerettet werden. Also müssten eigentlich ähnlich viel Artikel über den Zustand der Bank wie über die Ukraine erscheinen.

Über die Ukraine waren es in einer Woche 9224. Die CS war nicht Subjekt in so vielen Artikeln, sondern wurde einfach 203 mal erwähnt. Ein einziges Mal kritisch – vom Einzelkämpfer Hässig. Das sagt mehr über den Zustand der Schweizer Wirtschaftsberichterstattung als über den der Bank aus. Es scheinen aber durchaus Parallelitäten zu existieren.