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Januar-Loch

Ach, NZZaS. quo vadis?

Es gibt bekanntlich anderthalb lesbare Zeitungen am Sonntag. Zur halben kommen wir noch, zunächst müssen wir aber an der NZZamSonntag zweifeln:

Was soll uns diese Front sagen, ausser helle Verzweiflung in der Redaktionsstube? Eine «who?» Personalchefin zum Schnarchthema «Geschlechterklischees». Ein Beitrag zu einem Tierklischee. Dann ein Bericht über einen vergessenen Krieg, das ist immerhin aufrecht.

Schliesslich die naheliegende Meinungsumfrage mit naheliegender Resultat zu Bundesrat Berset. Dann, Gottseibeiuns, ein Interview mit Christoph Blocher. Zu Anker? Zu Holder? Zur Einwanderung? Zu Schweizer Werten? Zu fremden Vögten? Nein, nein und nein. Überraschung, zum Umweltschutz. Und dann noch oben rechts unter dem Leerraum eine Null-Story: «Moderne Sklaverei in der Schweiz nimmt zu».

Wahnsinn, muss sich die Schweiz nun nicht nur wegen ihrer überragenden Beteiligung am internationalen Sklavenhandel schämen, sondern auch noch für moderne Sklaverei? Für beides etwa gleichstark. Denn die kühne Zeile «nimmt zu» stützt sich einen gewaltigen Anstieg polizeilich ermittelter Fälle. Sie haben sich in einem Jahr, schluck, mehr als verdoppelt. Wahnsinn.

Allerdings: von 15 auf 40. Das ist der alte Trick. «Starke Zunahme», «Verdoppelung», «klar ansteigende Tendenz»: solche Titel kann man herausmelken, wenn es statt einem Fall zwei gibt. Aber ernst nehmen kann man das nicht wirklich.

Irgendwie passt dazu der Lückenfüller auf Seite zwei: «Überfahrener Kater empört Frankreich». Vielleicht gäbe es noch ein Eichhörnchen-Sterben in den Ardennen oder eine Tauben-Epidemie in Marseille zu vermelden.

Dann kommt wieder die Seite Billig-Journalismus. Gordana Mijuk interviewt den 70-jährigen Moisés Naím zum Thema: «Die grösste Herausforderung unserer Zeit ist es, die alten Männer loszuwerden, die nicht mehr von der Macht lassen wollen.» Lustigerweise ist das Interview mit einem Riesenfoto von Donald Trump illustriert, der nun zweifellos von der Macht lassen musste.

Etwas aufgepumpt wirkt auch der Artikel «Erniedrigt, geschlagen und jahrelang eingesperrt im Haus». Er kratzt einen Fall als Opener zusammen, versucht dann den Aufschwung ins Allgemeine, kann dann aber nicht mehr als einen umstrittenen Fall aus Genf anführen, wo ein reicher Indisch-Schweizer Doppelbürger der Ausbeutung seiner Angestellten beschuldigt wird, was der energisch zurückweist, während die Staatsanwaltschaft seit sechs Jahren ermittelt, ohne Ansage erhoben zu haben.

Mit anderen Worten: wenn es solche moderne Sklaverei in der Schweiz gibt, ist es eine verdammte Sauerei. Aber damit eine Seite füllen, das ist auch eine Ferkelei.

Wiederum eine Schweinerei ist der Kommentar der Kriegsgurgel Markus Bernath. Der Schreibtischgeneral befiehlt: «Die Ukrainer müssen siegen. Man sollte dieses Wort nicht vermeiden, sondern klar aussprechen

Ein klares Wort, aber was bedeutet es eigentlich? «Was am Ende des Krieges ein Sieg sein wird, entscheiden zuerst die Ukrainer. Doch auch die Nato-Länder … müssen wissen, was sie wollen. Sie sollten ihr Ziel kompromisslos formulieren, ohne Angst vor Putins Zorn.» Vielleicht träumt Bernath davon, dass die Nato ihre Ziele so kompromisslos wie die Schande für die grüne Friedenspartei, die geschwätzige deutsche Aussenministerin Baerbock, formuliert, die davon schnattert, dass Europa schliesslich mit Russland «im Krieg» sei.

Und warum sollte Europa, laut Bernath, einen Atomkrieg mit Russland riskieren? Da wagt der Hobbyhistoriker einen schrägen Vergleich: «Denn Putin würde nach der Zerstörung er Ukraine nicht haltmachen, so wenig wie Hitler es nach der Einverleibung des Sudetenlandes 1938 getan hat.» Himmel, hilf, kann dem Mann mal jemand historische Kenntnisse beibringen? It’s a dirty Job, but somebody has to do it.

Bernath ist nun weder in der Geschichte, noch in der Gegenwart sattelfest. So behauptete er auch schon: «Putins Herrschaft ist im Endstadium». Für ihn ist zwischen Wahn und Wirklichkeit manchmal kein Spalt.

Dann dilettiert Rafaela Roth für einmal nicht zum Thema «bewundernswerte Frau» sondern hat sich in die Abgründe des Drogenhandels begeben. Also zu einem Prozess vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland. Aber sich so etwas lässt sich natürlich rauschhaft aufblasen. Obwohl in der Schweiz vergleichsweise lachhafte 25 bis 35 kg Methamphetamin konsumiert werden (Kokain: 5 Tonnen oder 5000 kg).

Ihre Fachkenntnis stellt Roth auch mit diesen Behauptungen unter Beweis: «Methamphetamin … ist eine Dorge, die besonders schnell süchtig macht. … Einige sagen, es sei schwieriger, von Crystal Meta loszukommen als von Heroin.» Im Gegensatz zu Heroin ist Meth eine vollsynthetische Droge. Zudem ist das Suchtpotenzial von Heroin unvergleichlich niedriger als das von – Nikotin.

Aber für einen doppelseitigen Kriminaltango, wenn man halt nix anderes hat, reicht auch ein Fall, über den die Autorin selbstkritische sagt: «Im globalen Vergleich haben die Drogenbosse aus der Bieler Provinz doch eher Taschenformat.» Richtig, sowohl im globalen wie im europäischen wie im Schweizer Vergleich.

Richtig schräg wird’s dann mal wieder im Kultur-Teil. Offenbar ist im Bereich Kultur einfach nix los. Keine Bücher, keine Werke, keine Erkenntnisse, keine Analysen, einfach tote Hose. Gelegenheit für den Kulturchef, sich einem spannenden kulturellen Thema zu widmen: «Schneetourismus in Tirol». Aber wo geht der Tourismus hin, wenn der Schnee weggeht? Das ist dem Kulturmenschen Peer Teuwsen gleich einen Dreiseiter wert. Fotografiert hat dazu Lois Hechenblaikner. Der knipst seit 1990 Tiroler Tourismus.

Da ist man froh, dass die Fotos zum Artikel immerhin in den Jahren 2009 bis 2018 aufgenommen wurden, was wohl die ewige Gültigkeit der «Winterreise» von Teuwsen unterstreichen soll. Oder doch nur ein Hinweis darauf ist, dass Hechenblaikner gerade sein x-tes Fotobuch über Tiroler Tourismus veröffentlicht.

Ach ja, einen Schuss ,«SonntagsZeitung» hatten wir noch versprochen. Sagen wir mal so:

Mit Verlaub erscheint uns der Titel «So sieht aus» etwas gewagt, wenn der Autor Christoph Ammann heisst.

Allerdings muss man einräumen, dass die Front einiges flotter daherkommt als bei der NZZaS. «Das Gelbe fürs Ei» über Aromat ist nicht schlecht.

Dem Nicht-Sympathieträger Daniel Vasella noch eine reinzuwürgen, das stimuliert sicherlich den Sozialneid des Lesers. Als ob der es nicht schon schwer genug gehabt hätte. Zunächst enthüllte der flotte Finanzblog «Inside Paradeplatz», dass er 72 Millionen als Abgangsentschädigung hätte erhalten sollen. Dafür, dass er die nächsten sechs Jahre nichts tat, also nicht für die Konkurrenz tätig würde.

Dass das IP aufdeckte, ist der SoZ allerdings kein Wort wert, auch journalistischer Neid ist hässlich. Aber nun kann das Blatt nachtreten. Es konnte ein Urteil des Zuger Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2020 einsehen. Das wiederum bezieht sich auf die Steuererklärung Vasellas aus dem Jahr 2013. Also höchstens lauwarmer Kaffee, aber immerhin. Peinlich für Vasella: seine Behauptung, er lebe in Monaco und sei dann nach New York umgezogen, wurde vom Gericht auf 57 Seiten widerlegt.

Also musste Vasella happige Steuern in der Schweiz abladen. Weil es ihm nicht mal gelungen war, seinen Steuersitz Monaco richtig zu belegen. Alles nicht brandneu, aber sicherlich für Schadenfreude und Häme geeignet.

Von der hat auch Arthur Rutishauser auf einmal reichlich: «Während sich in der Ukraine ein ehemaliger Komiker zu einem international bewunderten Präsidenten gewandelt hat, erleben wir in der Schweiz das Gegenteil: ein beliebter Staatsmann, der sich für einen Zeitungsverlag zunehmend zum Clown macht.»

Mindestens halb richtig, und das ist schon viel. Viel ist da sonst nicht, denn ob den Schweizer Leser ein Interview mit dem neuen deutschen Verteidigungsminister Pistorius so interessiert wie die Leser der «Süddeutschen Zeitung»?

Und sonst? Was und? Was sonst?