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Die Medienaggression des Westens im Osten

Sie macht auch vor Singapur nicht halt und schießt sich selbst in den Fuss. Teil 2

Von Felix Abt

 

 

Die «brutale Unterdrückung» der Tibeter wird auch in den westlichen Medien regelmäßig thematisiert, allerdings nicht aus der Zeit, als sie als Leibeigene unter der Sklavenherrschaft des Dalai Lama um ihr tägliches Überleben kämpfen mussten. In der Zwischenzeit hat China Milliarden in Tibet investiert, und die Tibeter haben ohne den Dalai Lama, einen westlichen Helden, der früher von der CIA bezahlt wurde, als diese zwei Jahrzehnte lang einen verdeckten Krieg in Tibet führte, ein relativ hohes Wohlstandsniveau erreicht, das weit von ihrer früheren abgrundtiefen Armut entfernt ist.

Was den vom Westen propagierten «kulturellen Völkermord» betrifft, so haben die Roten Garden während ihres Amoklaufs während der Kulturrevolution in der Tat eine große Anzahl von Tempeln und Klöstern in ganz China, nicht nur in Tibet, zerstört. Nach Untersuchungen von Gregory Adam Scott, einem Spezialisten für chinesische Kultur und Geschichte und Professor an der Universität Manchester, wurden jedoch viele der zerstörten Gebäude später wiederaufgebaut. Außerdem müssen auch Han-Chinesen, die in Tibet leben, in tibetischen Schulen Mandarin und Tibetisch lernen, nicht nur Tibeter.

Auch Kinder sind unter chinesischer Herrschaft sicherer als unter der Herrschaft des Dalai Lama: Bild einer kürzlichen Begegnung mit einem Jungen, bei der der Dali Lama ihn aufforderte: «Leck meine Zunge!»

Wenn es den Medien immer schwerer fällt, China als den größten Umweltverschmutzer darzustellen oder die in Washington erfundene Horrorgeschichte über den Völkermord an den Uiguren zu verbreiten, können sie immer noch andere Geschichten erfinden. So ist beispielsweise Winnie Puuh in China verboten, weil er in den rassistischen Augen westlicher Journalisten dem chinesischen Staatschef Xi Jinping ähnelt, der sich deshalb angeblich von dem Spielzeugbären bedroht fühlt. Diese dreiste Lüge wurde u. a. von der BBC, CBS News, dem Spiegel und der Neuen Zürcher Zeitung verbreitet. Ich habe sie in diesem Artikel mit eindeutigen Beweisen widerlegt.

Der folgende Screenshot aus meinem Enthüllungsartikel zeigt, dass die Chinesen, die angeblich von Xi Jinping unterdrückt werden, Winnie the Pooh bequem über ihre elektronischen Geräte bestellen und nach Hause liefern lassen können.

Nicht nur die Art und Weise, wie parteiische westliche Mainstream-Medien über ideologische Gegner im Osten berichten, sagt viel über die Medien selbst aus, sondern auch, worüber sie lieber nicht berichten.

So ist beispielsweise die Untersuchung britischer Verbrechen durch akademische Forscher kein Thema für den Economist und andere westliche Medien. Forschungsergebnisse werden nur in nicht-westlichen Mainstream-Medien veröffentlicht:

Zwangsläufig geriet Singapur auch ins Fadenkreuz des Economist, weil es die Sünde beging, bei den intensiven Bemühungen Washingtons und Londons, China ein weiteres Jahrhundert der Demütigung aufzuzwingen, neutral zu bleiben.

Das “Jahrhundert der Demütigung” durch westliche Kolonialmächte, einschließlich zweier brutaler Opiumkriege, die von den Briten geführt wurden, hat China furchtbar verarmt und erniedrigt. Wenn es nach dem kollektiven Westen geht, wird sich die Geschichte wiederholen. (Chinas «Nie wieder»-Mentalität: Titelscreenshot von The Diplomat)

Singapurs Innen- und Justizminister K. Shanmugam reagierte in einer kurzen Nachricht auf «X» (früher Twitter) kurz und bündig auf die unsachlichen und abfälligen Artikel der Londoner Demagogen:

«Der Economist kann nicht widerstehen, uns zu verhöhnen. Es ist ein Instinkt, der tief im Unterbewusstsein der britischen Kommentatorenklasse verankert ist. Sie können es nicht ertragen, dass ein Volk, das sie gewohnt waren, zu belehren, jetzt besser dasteht als sie selbst, und zwar in allen Bereichen.

Beispiel Regierungsführung: Stellvertretender Premierminister Lawrence wird unser vierter Premierminister in 59 Jahren sein. Im Vereinigten Königreich hingegen ist Rishi Sunak der vierte Premierminister in 4,9 Jahren.

Boris Johnson hat als Premierminister von Spendern einen Urlaub im Wert von 15.000 Pfund und 50.000 Pfund für die Renovierung seines Hauses angenommen. In Singapur wäre jeder, der das getan hätte, was Herr Johnson getan hat, vor Gericht angeklagt worden.

Zur Wirtschaft: Wir begannen als britische Kolonie mit einem Pro-Kopf-BIP von 500 USD, jetzt sind es mehr als 80.000 USD.

Einem kürzlich erschienenen Forbes-Bericht zufolge haben wir das fünfthöchste Pro-Kopf-BIP der Welt, gemessen an der Kaufkraftparität (PPP). Weit vor dem Vereinigten Königreich.

Oder unsere Medien: Der Economist spricht von unserer ‘gefügigen Presse’. Offensichtlich zieht er eine Situation wie im Vereinigten Königreich vor, wo eine Person die großen Medien kontrollieren kann und Politiker ihr den Hof machen, und wo Medienbesitzer Einfluss darauf nehmen können, wer gewählt wird und wer Premierminister wird. Eine ähnliche Situation in Australien wurde von einem ehemaligen australischen Premierminister als ein Krebsgeschwür für die Demokratie bezeichnet.»

Bildschirmfoto der Schlagzeile des New York Times Magazine

Minister Shanmugam erwähnte Rupert Murdoch, den Medienoligarchen, dem ein beträchtlicher Teil der Medien im Vereinigten Königreich und in Australien gehört und der großen Einfluss auf politische Entscheidungen und Führungspositionen hat und diese «demokratisch» trifft.

Der Minister wendet sich auch gegen andere westliche Länder, die Singapur für ihre eigenen Interessen zu einer erweiterten Konfliktzone machen wollen, wie etwa Israel.

«X»-Nachricht der singapurischen Nachrichtenagentur CNA mit .

Innenminister K. Shanmugam forderte die israelische Botschaft auf, einen «völlig inakzeptablen» Facebook-Beitrag zu löschen, da er die Sicherheit der Juden im Lande gefährden könnte.

Der Beitrag der israelischen Botschaft lautete: «Israel wird 43 Mal im Koran erwähnt. Palästina hingegen wird nicht ein einziges Mal erwähnt. Jeder einzelne archäologische Beweis – Karten, Dokumente, Münzen – verbindet das Land Israel mit dem jüdischen Volk als dem Urvolk des Landes

Im Folgenden erläutert Shanmugam, ein praktizierender Hindu, seine Forderung, den Beitrag zu löschen:

«Der Beitrag ist auf vielen Ebenen falsch. Erstens ist er unsensibel und unangemessen. Er birgt das Risiko, unsere Sicherheit und die Harmonie in Singapur zu untergraben. Wir kümmern uns um die Sicherheit aller Menschen in Singapur – der Mehrheit und der Minderheiten – einschließlich der Juden und Muslime. Die Juden in Singapur machen sich nur wenig Sorgen um ihre Sicherheit aber Beiträge [wie dieser] können die Spannungen anheizen und die jüdische Gemeinschaft hier in Gefahr bringen. Die Wut, die sich aus dem Posting ergibt, kann möglicherweise in den physischen Bereich überschwappen”.

Dies ist insofern bemerkenswert, als die Minister Singapurs zu den intelligentesten und fähigsten der Welt gehören. Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Erfolgsmodell Singapur ein Vorbild für die ostasiatischen Länder Südkorea, Japan, Vietnam und China ist.

Und damit weist der Minister Israel an, keine antipalästinensischen Äußerungen mehr für sich selbst, d. h. für israelische Diplomaten, sowie für andere Juden zu verbreiten, da dies den Antisemitismus schüren würde.

Er sagte noch etwas anderes, das ebenso bemerkenswert und angemessen ist:

«Es ist falsch, selektiv auf religiöse Texte zu verweisen, um einen politischen Standpunkt zu vertreten. Noch schlimmer ist es, dass die israelische Botschaft in der aktuellen Situation den Koran zu diesem Zweck benutzt. Auch dieser Beitrag ist ein erstaunlicher Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Der Verfasser des Beitrags sollte sich die UN-Resolutionen ansehen und prüfen, ob das israelische Vorgehen in den letzten Jahrzehnten mit dem Völkerrecht vereinbar war, bevor er versucht, die Geschichte umzuschreiben

Da sie in den westlichen Medien leider nicht zitiert werden, ist es so selbsterklärend wie offensichtlich, dass diese Stimmen der Vernunft Singapurs im Westen nicht gehört (geschweige denn verstanden) werden. Dies mag man als weiteres Indiz für die Dekadenz des kollektiven Westens sehen, die dieser für sich selbst gewählt hat.

Hilfe, mein Papagei onaniert: Der Sonntags-Salat

Wöchentlich frisch serviert. Diesmal die SoZ und der SoBli.

Mit der NZZaS hat sich ZACKBUM gerade beschäftigt. Also geben wir dem zweiten Organ der gepflegten Nachdenke, des herrschaftsfreien Diskurses und der geistigen Höhenflüge die Ehre: wir sprechen natürlich vom «SonntagsBlick».

Und lassen sogar dessen Chefredaktor in Ruhe. Denn das Wochenblatt thematisiert, was uns allen unter den Nägeln brennt:

Für ganz Gwundrige: was ist wohl das süsse Geheimnis? Wer mehr als einen Rateversuch braucht, ist disqualifiziert. Aber viel wichtiger als eine Schwangerschaft, als die U-Haft für Bersets Medienchef Peter Lauener ist die schöne Idee, einen Streit vom Zaun zu brechen. Sollte das Gas knapp werden, wer kriegt mehr ab? Industrie oder Haushalte? Was wollt Ihr, frische Gipfeli oder warme Stuben?

Der SoBli fordert seine Leser zu seherischen Höchstleistungen auf:

ZACKBUM sagt ganz klar: ja. Im Winter ist es nicht unüblich, dass man friert. Vor allem im Freien und bei Temperaturen unter null Grad. Ausser natürlich, die Klimaerwärmung verhindert das.

Endlich. Der SoBli zeigt wieder einmal, was Boulevard von fein ziseslierter Analyse in Intelligenz-Blättern unterscheidet. Wobei der Titel sogar eine gewisse kulturelle Bildung durchblitzen lässt, denn er ist eine Anspielung auf den Romantitel «Herr der Fliegen». Hier geht’s dann unzimperlich zur Sache:

Soziopath, wütend, kindisch, plump, machtgierig, skrupellos, narzisstisch. Da stünden Boris Johnson sicher die Haare zu Berge, müsste er diese vernichtende Niedermache lesen. Schön, dass es der SoBli krachen lässt. Einziger Wermutstropfen: seine eigenen Schreiber sind bereits so «metoo»-gestrählt, auf Weichspüler geeicht, können vor Rücksichtnahme fast nicht mehr geradeaus laufen, dass es einen britischen Journalisten braucht, um Johnson fertigzumachen. Dass dessen Namen darauf hinweist, dass er nicht englischer, sondern irischer Herkunft ist, macht sein Rabaukentum verständlich.

Das war die Abteilung Hellebarde und Morgenstern, nun noch zum Meister des feinen Floretts, der geschmackvollen Anspielung. Nun ist es aber leider so, dass ihm ein anderer vor der Sonne steht. Denn obwohl er selbst begnadeter Welterklärer, Ratgeber und analytischer Einordner ist, steht da Erich Gysling, «ein weiser alter weisser Mann», im Scheinwerferlicht. Wird interviewt, befragt, in Funk, Fernsehen und auch im Print. Das weckert ungemein, also nimmt beleidigte Leberwurst Frank A. Meyer ein Kurzzitat unter die Lupe. Gysling sagte nämlich: «Der Westen glaubt, er stehe für gute Werte. Vielerorts sieht man das ganz anders.»

Ist das so, fragt Meyer rhetorisch, gibt es neben westlichen Werten auch andere, südliche, östliche zum Beispiel? Obwohl man den armen Gysling dort eher nicht verorten kann, schimpft Meyer drauflos: «Exakt darauf zielt die Infragestellung der westlichen Wertewelt durch die akademische Kulturlinke: Ihr marxistisches Fortschrittsprojekt ist gescheitert.» Nimm das, Gysling, du Kulturlinker mit gescheitertem Projekt.

Denn sind westliche Werte nur westliche Werte? Keinesfalls, behauptet Meyer, so sei beispielsweise der Kantsche Imperativ, also der Stehsatz von jedem, der sich das Mäntelchen eines philosophisch Gebildeten umhängen will, «ebenso universal wie die Erkenntnis, dass jeder Mensch als Gleicher geboren wird».

Wunderbare Formulierung, nur: als Kant diesen angeblich universal gültigen Imperativ formulierte, wäre es weder ihm noch den meisten Denkern seiner Zeit auch nur im Traum eingefallen, Frauen, Schwarze, fremde Völker im Allgemeinen als «Gleiche» anzusehen.

Aber statt sich um solche Kleinigkeiten zu kümmern, rauscht Meyer eine Baustelle weiter und wirft Kraut, Rüben, Gerübeltes und Gequirltes zusammen: «Mit der Idealisierung der «Edlen Wilden» aus dem «globalen Süden», die für jungfräuliche Reinheit stehen, tarnt die Rousseau-romantische Linke ihr reaktionäres Revoluzzertum und die Gegenaufklärung als hippe Rebellion gegen die verachtete Bürgerlichkeit.»

Nein, lieber Leser, weder aus poststrukturalistischer Sicht, noch unter Zuhilfenahme der Luhmannschen Systemtheorie, auch nicht mit Lacan oder Baudrillard, lässt sich das verstehen, selbst Sloterdijk würde sich vergeblich das zerzauste Haupthaar raufen – wir alle verstehen Meyer nicht.

Vielleicht versteht er auch sich selbst nicht, denn zum Schluss kommt es ihm in den Sinn, dass er doch eigentlich Gysling eine reinwürgen wollte. Also kommt er darauf zurück:

«Der hochverehrte Kollege Erich Gysling hat in besagtem Interview noch einen weiteren einprägsamen Satz formuliert: «Wir im Westen glauben immer, die ganze Welt ticke ungefähr so wie wir. Jetzt sehen wir: Das stimmt nicht.» Weil nicht die ganze Welt tickt wie wir, muss die westliche Welt – die offene Gesellschaft – auch für jene Menschen mitticken, die nicht so leben können, die nicht so leben dürfen wie wir. Die Freiheitsfahne flattert im Westen – aber sie flattert für alle.»

Hier verlassen wir den mittickenden Flattermann Meyer und wenden, leicht unfair, ein abgewandeltes Zitat auf ihn an. Denn er ist wohl der Meinung, am universalen westlichen Wesen müsse die Welt genesen. Aber die Zeiten dieser eurozentristischen Weltsicht sind, ausser bei einigen alten, weissen Männern, schon längst passé.

Als Absackerchen diesmal die «SonntagsZeitung». Beginnen wir mit einem bedenkenswerten Satz der Kriegsgurgel Arthur Rutishauser in seinem aktuellen Editorial:

«Würde der Westen die Ukraine fallenlassen und zu einem Diktatfrieden zwingen, nähmen wir die Kriegsverbrechen der Russen hin. … denn auch bei uns rufen Populisten wie Roger Köppel bereits dazu auf, möglichst rasch einen Frieden auszuhandeln, egal ob wir damit Putins Vorgehen legitimieren.»

Das ist so feine Demagogie, dass ZACKBUM sich fragt, ob Rutishauser das absichtlich so geschrieben hat – oder ob es Zufall war. Eigentlich niemand im «Westen», also zumindest in Westeuropa oder in den USA, was nicht ganz die ganze Welt ist, will die Ukraine «fallenlassen». Niemand will sie zu einem «Diktatfrieden zwingen». Nun kommt der Höhepunkt der Demagogie, er steckt in dem Wörtchen «denn». Damit wird ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Forderung Köppels –möglichst schnell Frieden aushandeln – und einen die Kriegsverbrechen legitimierenden Diktatfrieden hergestellt.

Logische Schlussfolgerung: Köppel fordert einen Diktatfrieden, der die russischen Kriegsverbrechen hinnähme. Nicht schlecht für den Chefredaktor eines sogenannten Qualitätsmedienkonzerns.

Der ukrainische Ministerpräsident Denis Schmihal füllt in der SoZ problemlos die Lücke, die durch die Abberufung des ukrainischen Botschafters Melnyk entstand: «Die ganze zivilisierte Welt unterstützt uns.» Konkret unterstützen rund 35 Staaten die Ukraine. Damit will Schimhal offenbar sagen, dass die anderen 165 Staaten der Welt von unzivilisierten Wilden bewohnt oder regiert werden. Und ob sich der Regierungschef mit folgender Aussage noch im Streubereich einer realistischen Weltsicht befindet?

«Unsere Waffen schweigen erst, wenn wir das gesamte ukrainische Territorium zurückerobert haben.»

Das scheint doch, mit Verlaub, so wahnhaft wie der Glaube an einen deutschen Endsieg im Jahre 1944.

Aber, das sei erwähnt und gelobt, die SoZ bietet dem Gottseibeiuns Roger Köppel tatsächlich die Plattform eines grossen Interviews. Das auch der Chefredaktor höchstpersönlich führte. Wenn er allerdings in seinem Editorial so nachtreten muss, ist anzunehmen, dass er im Interview selbst sich den rhetorischen Fähigkeiten Köppel unterlegen fühlte.

Sonst nichts Nennenswertes. Höchstens, dass der «Gesellschaft»-Bund sich offenbar entschlossen hatte, einem Leitmotiv zu frönen. Denn durch faktisch alle Artikel mäandert sich das gleiche Wort. Sie handeln nämlich von Problemhunden, Problemkörpern, Problemgrillieren, Problemlieben und Problemportionen.

Schade, dass der Problembär fehlt.