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Sprachverbrechen

Nora Zukker rezensiert ein Buch. Hilfe.

«Ein Wurf von einem Buch», behauptet die Literaturchefin von Tamedia. Aber eigentlich sollte man aufhören, über diesen Wurf zu lesen, wenn man zu diesem Satz kommt: «Aber die Unterhose schlägt Alarm

Hä? Will man sich das vorstellen? Will man nicht. Oder wie die Autorin Sarah Elena Müller formuliert: «Man wird nie dazu gedrängt, etwas realisieren zu müssen.» Hä?

Es gehe anscheinend um Kindsmissbrauch. «Spät, zu spät, als ihn die Mutter der inzwischen jungen Frau fragt, was er mit ihrer Tochter über die letzten zehn Jahre gemacht habe, sagt Ege nur: «Je nachdem. Je nach Lust und Laune.» Aber: «Tempi passati.» Damit schliesst er jeden Gedanken», stolpert Zukker durch eine Art Inhaltsangabe.

Falls der Leser das einigermassen verstehen sollte, weiss Zukker sofort wieder Abhilfe: «Während eines Lehrauftrags in Berlin hatte ihm eine Studentin einen Sohn abgenötigt.» Abgenötigt? Hä? Und was macht denn nun dieser Sohn, wo es doch scheint’s um den Missbrauch eines Mädchens aus der Nachbarschaft geht?

Aber weiter im Geholper: «Was Ege tut, ist sein Lebenswerk. Auch wenn die Videos nie jemand anschaut, muss er seine Kunst mit Kinderkörpern vollenden.» Hä?

Der Leser hangelt sich verzweifelt zum nächsten Hä: «Wenn der Täter aber erbärmlich wirke, sei das eine implizite Form der Vergeltung, dass ihm dasselbe geschehe wie den Opfern: dem eigenen Erinnern nicht mehr zu trauen.» Eben, hä?

Dann endet Zukker mit einer echten Drohung: «Sarah Elena Müller leuchtet den toten Winkel aus. Dort, wo man vermeintlich nicht hinsehen kann. «Es wird ständig exzessiv ausgewichen», sagt die Autorin über alle Figuren im Roman. Diesem Debüt darf hingegen nicht ausgewichen werden. «Bild ohne Mädchen» gehört auf die Shortlist für den Schweizer Buchpreis 2023

Nun ja, das Schlimmste muss befürchtet werden, wenn man an den aktuellen Buchpreisträger denkt. Da will man vermeintlich gar nicht hinsehen. Wobei man sich gleichzeitig fragt, wie das funktionieren soll. Oder einfach: hä?

Mal wieder im Ernst, lieber Tagi: es gäbe doch durchaus so viele interessante, gut geschrieben Bücher zu rezensieren. Auf eine Art und Weise, dass der Leser sowohl das Buch wie die Rezension versteht. Ist das wirklich zu viel verlangt?