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Lieber Pietro Supino

Offener Brief: Sagen Sie beim Abschied leise «ciao».

Wissen, wann man aufhören sollte, ist das Schwierigste in einer Managerkarriere. Sie waren als Anwalt bei Bär & Karrer tätig, als Consultant bei McKinsey, als Gründungspartner des Vermögensverwalters Private Client Partners. Man erinnert sich an «Moonstone Trust», aber Schwamm drüber.

2007 wurden Sie als Nachfolger von Hans Heinrich Coninx Präsident des Tamedia-Verwaltungsrats. Sie gestatten, dass wir die Bude weiterhin so nennen, weil die ständigen Namenswechsel zwar gutes Geld für die Schilderwechsler am Haupteingang bedeuteten, sonst aber eher nerven. Aber gut, Sie sind auch noch «Executive Chairman» der «Tx Group».

Unter ihrer Führung wurde das Haus Tamedia um- und abgebaut. Sie verwandelten es in eine Ansammlung von Profitcentern unter dem Dach einer Holding. Die Bezahlmedien wuchsen durch den Ankauf dicker Brocken wie der «Basler Zeitung», der «Berner Zeitung», des «Bund» zum zweitwichtigsten Konglomerat in der Deutschschweiz; Sie beschallen damit über eine Million Leser.

Dem Flaggschiff «Tages-Anzeiger» wurden die Einkommensquellen der Handelsplätze weggenommen und als Tx Markets ausgegliedert. Dermassen ausgehungert, wurden die Redaktionen zu Skeletten heruntergespart; in Zürich stellt eine Zentralredaktion die Einheitssauce her, die sich dann in alle Blätter ergiesst, die dazu noch rudimentäre Lokalberichterstattung stellen. Zum inhaltlichen Schwund gesellt sich der Schwund an zahlenden Lesern.

Bei der Abstimmung über die zusätzliche Subventionsmilliarde agierten Sie als Präsident des Verlegerverbands mehr als unglücklich. Die Bekanntgabe einer Sonderdividende und des milliardenschweren Zusammengehens der Handelsplattformen mit Ringier, plus eine selten bescheuerte Kampagne, sorgten dafür, dass die Abstimmung verlorenging. Ein seltenes Kunststück, wo doch die geballte Medienmacht der Mainstream-Verlage dafür war.

Das Geschäftsergebnis des letzten Jahres ist desaströs, ein gewaltiger Gewinneinbruch, trotz weiteren Sparmassnahmen in Multimillionenhöhe, die der Glaubwürdigkeit der Bezahlorgane den Rest geben werden.

Sie sind also geschäftlich gescheitert.

Wie Sie die Affäre Roshani gehandhabt haben, ist ein Musterbeispiel, wie man es nicht machen sollte. Juristisch gingen Sie nur gegen die Konkurrenz von CH Media vor, als Sie persönlich angegriffen wurden. Ihren ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica liessen Sie im Regen stehen, die interne Kommunikation war unter jeder Sau, offen gesagt.

Nachdem Sie und ihre beiden Geschäftsführer in dieser Affäre jämmerlich versagt hatten, liessen Sie den sachkompetenzfreien Mathias Müller von Blumencron Wortblasen zur zukünftigen Strategie schwatzen, dass es dem Leser ganz blümerant wurde und man sich zusätzlich Sorgen um die Zukunft der Tamedia-Redaktore machen musste.

Unabhängig davon, ob das angeblich schon lange geplant war; die Degradierung von Arthur Rutishauser zum Nur-noch-Chefredaktor der «SonntagsZeitung» liess klar erkennen, dass nach der versemmelten Roshani-Affäre ein Bauernopfer fällig war. Schon bei der bis heute nicht bewältigten Affäre um unbewiesene Anschuldigungen von 78 erregten Tamedia-Redaktorinnen machten Sie eine ganz schlechte Figur.

Als Krisenkommunikationsmanager sind Sie mehrfach gescheitert.

Aber als Familienmitglied des Besitzerclans Coninx sind Sie unantastbar.

Nun haben Sie mit der Wahl der Nachfolgerin von Rutishauser nochmals unter Beweis gestellt, dass Ihnen Qualität, Kompetenz, strategische Fähigkeiten und Glaubwürdigkeit bei den Bezahlmedien schnurzegal sind. Die Wahl von Raphaela Birrer kann nur als Sparmassnahme in jeder Beziehungen interpretiert werden.

Dass Charaktermasken wie Philipp Loser, Andreas Tobler, Marc Brupbacher oder Christian Brönnimann unzensiert und ungeniert von Flop zu Flop publizieren und wüten dürfen, ist ein Armutszeugnis sondergleichen.

Während es vor Jahren noch einen Konkurrenzkampf zwischen der NZZ und dem «Tages-Anzeiger» gab, ist Ihr Blatt inzwischen runtergewirtschaftet, übernimmt im Übermass Inhalt von der Münchner «Süddeutschen Zeitung», garniert ihn mit Tickermeldungen der SDA und schmeckt das Ganze mit besserwisserischen und völlig überflüssigen Kommentaren ab.

Die Auswechslung des Kolumnistenteams ist ein weiteres Beispiel für den beschleunigten Weg nach unten. Wer sich gegen dessen Willen und auf unschöne Art von Rudolf Strahm trennt, um ihn durch No-Names zu ersetzen, darunter ein Mode-Dummschwätzer, der schneller vergessen gehen wird als er zu zweifelhaftem Ruhm aufstieg, das Wirken einer Nora Zukker als Literaturchefin, das sind alles Mosaiksteine auf einem Sargdeckel.

Dass für dieses heruntergewirtschaftete Angebot weiterhin stolze Preise im Abonnement und im Einzelverkauf verlangt werden – nach der Devise: weniger Inhalt für gleiches Geld –, ist eine Bankrotterklärung.

Sie haben als Content-Manager krachend versagt.

Offenbar sind Sie nicht in der Lage, dringend nötige strategische Impulse zu geben. Die ewige Leier, dass das alles zur Qualitätsverbesserung diene, dass man sich der Bedeutung der Medien als Vierte Gewalt und Kontrollinstanz bewusst sei – das wirkt nicht mal mehr lächerlich, sondern nur noch peinlich.

Wenn Ihnen wirklich etwas an Publizistik liegt, an dringend nötiger Kontrolle, statt liebedienerischer Lobhudelei staatlicher Massnahmen wie während der Pandemie, dann sollten Sie Platz machen für einen Nachfolger, der noch weiss, worum es bei Newsproduzenten geht.

Treten Sie zurück, Herr Supino, die Leser, das Land, die Mitarbeiter werden es Ihnen danken.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-REdaktor René Zeyer war bei der «Sonntagszeitung» tätig.