Schlagwortarchiv für: Antizionismus

Der wohlinformierte Leser

Wir hätten da noch ein paar Fragen …

Mehr als eine Woche ist seit dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel vergangen. Zeit genug für unsere Qualitätsmedien, dem zahlenden Leser ein paar Grundlagen zu vermitteln, damit er die Ereignisse im Nahen Osten besser versteht und einordnen kann. Daher sollte es ja niemandem schwerfallen, folgende einfachen Fragen zu beantworten:

  1. Ist Antizionismus auch Antisemitismus?

  2. Was ist Zionismus, was ist Antizionismus?

  3. Gibt es auch Semitismus?

  4. Ab welchem Alter verhaften Israelis palästinensische Kinder?

  5. Steht in der Charta der Hamas als Zielsetzung die Auslöschung Israels?

  6. Steht im Koran oder in anderen den Moslems heiligen Schriften, dass alle Juden getötet werden müssen?

  7. Ist das Töten eines Juden für einen gläubigen Moslem ein Verbrechen?

  8. Was bewahrt den israelischen Ministerpräsidenten vor dem Knast?

  9. Worum ging es schon wieder bei den Massenprotesten in Israel (von Israelis)?

  10. Was ist die Zweistaatenlösung und wieso ist sie gescheitert?

  11. Worin unterscheiden sich der Iran und Saudiarabien?

  12. War der grausame Diktator Saddam Hussein in einem anderen Leben Verbündeter der USA?

  13. Wieso öffnet Ägypten nicht seine Grenze zum Gazastreifen?

  14. War die PLO nicht mal eine nicht-fundamentalistische Organisation?

  15. Was ist die PLO schon wieder?

  16. Wieso kontrolliert die Hamas den Gazastreifen?

  17. Wieso hat der israelische Geheimdienst die monatelangen Vorbereitungen auf dieses Massaker nicht bemerkt?

  18. Wieso fand dieser brutale Überfall gerade jetzt statt?

  19. Anerkennt der Iran das Existenzrecht Israels? Und Saudiarabien? Und Katar?

  20. Wer begeht alles Kriegsverbrechen?

ZACKBUM ist überzeugt, dass der wohlinformierte Leser kein Problem haben wird, all diese fundamentalen Fragen richtig zu beantworten und gratuliert schon im Voraus.

Neues von der Inquisition

Das Sanctum Oficium der katholischen Kirche ist abgeschafft. Das erledigen heute andere.

Roger Waters (79) ist Mitgründer der Supergroup Pink Floyd. Und ein kantiger Geist, der nicht nur deutliche politische Ansichten hat, sondern die auch äussert. Selbst die NZZ sah sich schon bemüssigt, ihn deswegen anzupinkeln:

«Achtung, Roger Waters ist wieder unterwegs. … breitbeinig und zielbewusst in alle möglichen Fettnäpfe … Plattform für diesen Wüterich … sein aufgeblasener Idealismus und seine Besserwisserei lassen ihn oft als Ritter von hässlicher Gestalt erscheinen.»

Das sieht auch der Münchner Oberbürgermeister (oder der «Stadtpräsident», wenn man dem Tagi glauben will) so. Der möchte nämlich ein Waters-Konzert im Olympiapark absagen. Der Betreiber soll doch bitteschön prüfen, «ob dieses Konzert tatsächlich stattfinden muss».

Kein Konzert muss stattfinden, das ist soweit richtig. Wieso sollte dieses nicht stattfinden? Anscheinend, weil Waters Mitglied bei der Boykott-Bewegung BDS ist. Das steht für «Boycott, Divestment and Sanctions» und ist gegen die israelische Besatzung- und Ausbeutungspolitik gerichtet. Diesem losen Zusammenschluss gehören auch antisemitische Gruppierungen an.

Nun kann man sich seine Gesellschaft nicht immer aussuchen, so ist auch Orbáns Partei im Europaparlament brüderlich in der christlich-sozialen Fraktion aufgehoben, der auch die CDU angehört. Zusammen mit anderen weit, weit rechts stehenden Parteien. Dann soll Waters noch Sätze gesagt haben wie: «Der Zionismus ist ein hässlicher Fleck, der sanft von uns entfernt werden muss.» Wobei immer versucht wird, Kritik am Zionismus, die durchaus berechtigt ist, als Kritik am Judentum oder an Israel zu denunzieren und sie damit als antisemitisch abzuqualifizieren. Wobei Antizionismus und Antisemitismus keinesfalls das Gleiche ist.

Auch zur Ukraine hat Waters seine Ansichten, in einem offenen Brief an die aus der «Vogue» bekannte Gattin des ukrainischen Präsidenten erinnerte er sie daran, dass Selenskij seine Wahlversprechen nicht gehalten habe. Er endete mit dem nachdenklichen Satz:

«Wenn ich falsch liege, helfen Sie mir bitte, zu verstehen, wie

Solche Nachdenklichkeit ist die Sache der modernen Medien nicht. So echot Beat Metzler von Tamedia die Boykottversuche des Münchner «Stadtpräsidenten» und findet natürlich nach kurzer Suche auch Organisationen in der Schweiz, die den Auftritt von Waters im Zürcher Hallenstadion verhindern wollen.

So zitiert er den Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes: «Wenn Roger Waters seine Konzerte für die Verbreitung hetzerischer Botschaften nützt, sind auch die Veranstalter mitverantwortlich.»

Ins gleiche Horn stösst auch «Stephanie Graetz, Geschäftsleiterin der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus». Laut ihr «müsste die Hallenstadion AG Roger Waters eine klare Bedingung stellen: «Ohne Distanzierung von den problematischen Aussagen gibt es keinen Auftritt.» Nun gelte es, das Konzert zu beobachten. Falls sich Waters auf der Bühne rassistisch oder antisemitisch äussert, kündigt Graetz rechtliche Folgen an.»

Im Rahmen der Meinungsfreiheit kann man solche inquisitorischen Ansichten äussern. Nicht erlaubt ist allerdings Unfug wie «ohne Distanzierung kein Auftritt». Wer meint diese Dame, wer sie ist? Die moderne Ausgabe der Inquisition?

Im Rahmen der journalistischen Sorgfaltspflicht und Verantwortung vermisst man allerdings die Einordnung durch Metzler, dass es wohl nicht angehen kann, die Absage von Konzerten zu fordern, weil einem politische Aussagen des Künstlers nicht passen. Man vermisst die Einordnung, dass solche Forderungen bei Auftritten von linken Künstlern niemals erhoben werden, die beispielsweise die Maduro-Diktatur in Venezuela oder das post-castristische Regime auf Kuba unterstützen, die beide zur Verelendung der Bevölkerung geführt haben.

Auch nicht von den Gegnern dieser Regimes. Es ist beelendend, dass diese Form von inquisitorischem Rigorismus unkommentiert publiziert wird. Immerhin bekommt Waters im Artikel das Schlusswort:

«Vor den Konzerten seiner aktuellen Tour lässt er folgende Warnung einblenden: «Wenn du einer dieser ‹Ich mag Pink Floyd, aber ich kann Rogers Politik nicht leiden›-Typen bist, dann könntest du gut daran tun, dich jetzt sofort an die Bar zu verpissen.»»

Was bei all diesen Schreihälsen mit bombenfesten Wissen, was gut ist und was böse, schlichtweg fehlt: die Teilnahme an einem Konzert, bei dem ein Künstler Rastalocken trägt, als Weisser schwarze Musik spielt, mit geballter Faust linke Solidarität einfordert oder sich kritisch gegenüber Israels Besatzungspolitik äussert, ist freiwillig.

Wem das nicht nicht passt, kann sich problemlos zu einem persönlichen Boykott entscheiden. Oder er kann mit einem Protestschild vor dem Eingang aufmarschieren. Aber es allen verbieten wollen? Genau das wollte auch die Inquisition. Bis sie endlich abgeschafft wurde. Nur um in neuer Gestalt als Wiedergänger im aufgeklärten 21. Jahrhundert gespenstisch diesen alten Mief zu verbreiten.