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Aktualität ist relativ

Auch zusammenschreiben will gelernt sein.

Zugegeben, die Lokalberichterstattung stellt den «Tages-Anzeiger» vor grosse Herausforderungen. Da kann die «Süddeutsche Zeitung» schlecht helfen, da wäre man auf eigene Leistungen angewiesen. Aber das wiederum wäre mit einem erhöhten Energieaufwand verbunden. Und Energie sollte man bekanntlich sparen.

Das sagt sich auch Sascha Britsko, die als «Reporterin bei «Das Magazin» und im Ressort Zürich Politik & Wirtschaft des «Tages-Anzeiger»» arbeite. Oder so. Das will sie mit einem Artikel über das Kino «Frame» unter Beweis stellen. Bekanntlich hat das «Zurich Film Festival» die Säle des konkursiten Erblinken-Desasters «Kosmos» übernommen. Dafür musste zwar extra die Ausschreibung geändert werden, aber who cares.

Nun seien hier die Besucherzahlen «eingebrochen», weiss Britsko. Woher weiss sie das? Nun, sie weiss schon mal, dass es den Zürcher Kinobetreibern ganz allgemein eher mies geht; deshalb werden sie mit fast 600’000 Franken Steuergeldern unterstützt. So weit, so bekannt.

Dann kupfert sie eine Meldung des Regionaljournals SRF ab, dass «die Leitung des «Frame» auch zwei Monate nach der Eröffnung «noch nicht da, wo wir gerne wären», sei. Von dieser Meldung geht es mit wehenden Fahnen zu nächsten Quelle:

«Nun will das Onlineportal «Inside Paradeplatz» konkrete Zahlen zum Geschäftsgang haben: Im Oktober sollen mit rund 1200 Eintritten nur halb so viele Zuschauer und Zuschauerinnen wie im Vorjahr das Kino besucht haben. Im November soll in einer Woche gar nur ein Drittel der Vorjahreszahlen erreicht worden sein, 1000 nämlich.»

Immerhin, sie nennt in ihrem Artikel tapfer die Quellen. Allerdings verwendet sie hier zur Einleitung das dehnbare Adverb der Zeit «nun». Wobei man doch eher «dieser Tage, kürzlich» assoziiert, also «Inside Paradeplatz» habe die Zahlen taufrisch vermeldet. Es geht; der Artikel erschien bereits am 23. November, immerhin in diesem Jahr.

Alle selbstkritischen Zitate der Leiterin des Kinos übernimmt Britsko dann wieder aus dem Regionaljournal. Worin besteht denn nun ihre Eigenleistung? Hm. Sie hat – wie nicht wenige der Leser – dem Regionaljournal gelauscht. Sie hat sich an den einen Monat zurückliegenden Artikel auf IP erinnert. Sie hat beides zusammengestöpselt. Das ist der Qualitätsjournalismus von heute, für den der Leser gerne bezahlt.

Wobei, der Zusammenschrieb ist nicht mal hinter der Bezahlschranke. So nach der Devise: ist’s nichts wert, so kostet es auch nichts.

Lausiger Tagi

In der Schule hätte das ein «flüchtig!» abgesetzt. Aber im Qualitätsjournalismus …

Es gibt eine neue Welle im Schweizer Medienzirkus. Also neu ist sie nicht, aber neu gewellt: Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche. Lange Zeit war Ruhe, jetzt ist mal wieder Rudelbildung im Journalismus.

Da will natürlich auch der «Tages-Anzeiger» nicht abseits stehen und schraubt schnell einige Stücke zusammen. Das sieht dann mal so aus:

KKK? Ku-Klux-Klan? Keine katholische Kirche? Aber immerhin, der Name der Autorin scheint richtig geschrieben zu sein, ist doch was im Qualitätsjournalismus.

Illustriert ist der Qualitätsartikel mit aktuellen Fotos:

Am 11. Juli 2019 aufgenommen, wozu sich die Mühe einer neuen Fotografie machen, wenn man doch über ein Archiv verfügt …

Es ist ja nicht zu viel verlangt, dass der Tagi-Leser auch die zweite Landessprache beherrscht:

Soleure, le 1 avril 2021, ohne Scherz wurde damals der Évêque de Bâle vom «Le Matin Dimanche» abgelichtet, auch aus dem Archiv gezaubert, wieso auch die Bildlegende auf Deutsch übersetzen …

Auch beim nächsten Würdenträger hat sich die Bildredaktion nicht überanstrengt:

Hier wurde der Churer Bischof Vitus Huonder auf dem «Weg zur Chrisammesse» abgelichtet, haargenau am 18. April 2019. Aber immerhin ist diese Ölmesse auf Deutsch abgehandelt …

Aber hier wird’s wieder etwas anspruchsvoller:

Flüssig französisch Parlierende können der Bildlegende entnehmen, dass es sich hier um den eveque de Lausanne handelt, abgelichtet am Mittwoch, 15. Juli 2020, in Fribourg. Wieso es allerdings nicht korrekt «Évêque» heisst, bleibt ein süsses Geheimnis des Tagi …

Nun greifen wir aber ganz, ganz weit in die Geschichte zurück und gehen zum Jahr des Herrn 2006, wo es immerhin schon die Farbfotografie gab:

Die beiden frommen Kirchenmänner wurden am 17. September 2006 in der Kathedrale St. Gallen geknipst. Eine wunderbare historische Reminiszenz …

Wir gehen näher an die Gegenwart, zum 24. Februar 2020. Allerdings ist hier bei der Bildlegende ein kleines Malheur passiert:

Schon blöd, wenn sich Anführungs- und Schlusszeichen halt in ein à und ein Ò verwandeln, und keiner merkt’s …

Aber immerhin, beim Schlussbild ist alles gut:

Wenn der Tagi auf eine Datumsangabe verzichtet, könnte das Foto sogar aktuell sein.

Verfasst ist der Zusammenschrieb übrigens von der «Co-Leiterin des Recherchedesks», Meisterin der «investigativen Recherche». Die besteht hier darin, dass sie einen Forschungsbericht der Uni Zürich gelesen und ausgeweidet hat, zudem offensichtlich fleissige Leserin des SoBli ist. Und natürlich des Archivs des Tagi, wozu ist man investigativ und weiss zu recherchieren.

Der Text ist – immerhin – fehlerfreier und aktueller als die begleitenden Fotos, auch wenn er mit einem dreifachen Krachlaut im Lead beginnt. Zudem ist er nicht hinter der Bezahlschranke verborgen. Aber ob so etwas den Leser animiert, auch noch Geld auszugeben?

Bei einer Schularbeit hätte das früher ein «flüchtig!» mit entsprechenden Notenabzug abgesetzt. In den heutigen Zeiten der Inklusion und der Sensibilität wäre sicherlich das Bemühen gelobt worden. Aber im Journalismus gibt es dafür ein härteres Wort: Leserverarschung.

Die Null-Meldung

Neue Kategorie, neuer Spass. Alte Methode.

Man nennt es Rehash. Man nennt es Spaltenfüller. Früher nannte man es einen Spekulatius. Das Rezept ist einfach. Nimm einen berühmten Namen, nimm ein Geheimnis, zitiere fleissig Quellen, einmal umrühren, und fertig ist die Null-Meldung:

Das rauschte schon durch die Medien, nun hatte auch noch «20 Minuten» das Bedürfnis, diese Ente quaken zu lassen. Denn nur im Titel wagt man den Indikativ. Alle «Indizien», «Beweise» und Behauptungen sind aus zweiter Hand, Gerüchte, Werweiserei, heisse Luft.

Typischer Satz: laut dem und dem soll die und die dort und dort gelebt haben. Früher mal. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Oder so.