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Original und Kopie

Tamedia als Kopieranstalt der «Süddeutschen Zeitung».

Das Qualitätsmedium aus dem Glashaus an der Werdstrasse in Zürich hat zu vielem keine eigene Meinung. Das ist gut so, denn die verbliebenen Redakteure nerven häufig genug mit ihren Bauchnabelbetrachtungen und unqualifizierten und unerwünschten Ratschlägen.

Nun verfügt das Auslandressort angeblich über fünf Mitarbeiter. Vom Chef Christof Münger hat man am 1. Juli (immerhin 2023) das letzte Mal etwas gehört. Die «Teamleiterin Osteuropa» Zita Affentranger (von welchem Team eigentlich?) wechselt im Herbst zum «Echo der Zeit». Enver Robelli ist solange ruhig, wie es nicht etwas Lobendes über den Kosovo oder etwas Abfälliges über Serbien zu sagen gibt. Was für eine klägliche Performance.

Gut, dass man auch hier vieles aus München übernehmen kann und es ohne Eigenleistung hinter der Abo-Schranke verstauen. Allerdings nicht ohne ein paar klitzekleine, geschickte Veränderungen. So sieht das Original aus:

Und das hier macht die hochkompetente Tagi-Auslandredaktion draus:

Nun gibt es mit diesem Titel ein klitzekleines Problem. Diese Aussage steht nicht im Text von Michael Neudecker. Es gehört allerdings zu den Grundprinzipien des Handwerks, dass man einem Autor – wohl auch ohne ihn zu fragen – nicht einen Titel aufs Auge drückt,  der sich im Text nicht wiederfindet. Eigentlich müsste Neudecker eine Richtigstellung verlangen.

Zum Text des äusserst qualifizierten «UK-Korrespondenten» der «Süddeutschen» liesse sich noch einiges sagen. Neudecker war war «mehrere Jahre Redakteur im Sportressort sowie Chef vom Dienst im Ressort Gesellschaft & Wochenende. Von 2018 bis 2021 leitete er das Panorama-Ressort Print, Digital und Online. Hat in München Diplom-Sportwissenschaft mit Schwerpunkt Medien und Kommunikation studiert». Und seit Sommer 2021 darf er dermassen überqualifiziert den deutschen Standpunkt öffentlich vertreten, dass der Brexit ein furchtbarer Fehler war, den die versammelte Journaille so wenig vorhersah wie die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Und als Trottelbande vorgeführt zu werden, das vertragen Journalisten ganz schlecht.

Also geht Neudecker auf die ganz harte Tour mit der englischen Flüchtlingspolitik ins Gericht. Denn: «Der Umgang mit Flüchtlingen ist eine zentrale Frage in einer Zeit, in der Rechtspopulisten praktisch überall auf der Welt in Parlamente und Regierungen drängen.»

Das ist schon brüllend komisch. Die «drängen in Parlamente und Regierungen»? Per Faustrecht? Mit körperlicher Gewalt? So wie die Grünen und die Sozis in Deutschland in die Regierung «drängten»? Oder könnte es sein, dass die gewählt wurden? Hm.

Aber das ist erst die Einleitung. Nun geht’s los: «Die Signale, die die britische Regierung aussendet, sind bisweilen in ihrer Perfidität kaum zu ertragen … Den Tories geht es mit ihrer Flüchtlingspolitik nur um Stärke – nicht um Ethik.» Denn 15’000 «Menschen, die so verzweifelt sind, dass sie in einem Schlauchboot einen der gefährlichsten Seewege der Welt auf sich nehmen», sind dieses Jahr bereits illegal nach Grossbritannien gepaddelt.

Sie «sind keine Bedrohung für eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt», weiss Neudecker. Um dann etwas sprunghaft fortzufahren: «Die Entscheidung, vorrangig die Frage zu behandeln, wie man Menschen von einer Flucht im Schlauchboot abhält, ist eine rein politische.» In Wirklichkeit sei es so, belehrt Neudecker die englische Regierung, dass «166 000 Asylsuchende auf Bearbeitung ihres Antrags» warteten.

In Deutschland zum Beispiel wurden in diesem Jahr rund 190’000 Asylanträge gestellt. Das ist ein Klacks im Vergleich zu den 745’000 im Jahr 2016. Die Bearbeitung dauert zwischen sechs Monaten und einem Jahr, es sind aber auch viel längere Wartezeiten möglich. Die grösste Anzahl der Asylbewerber kommt interessanterweise nicht aus der Ukraine, sondern aus Syrien. Aber Neudecker ist ja GB-Korrespondent, was soll er da von deutschen Asylzuständen wissen.

Noch wichtiger ist allerdings die Frage: wieso übernimmt einer der wichtigsten Meinungsmacher in der Schweiz einfach die Meinung eines übelgelaunten deutschen Korrespondenten? Die deutsche Sicht auf Grossbritannien ist eine völlig andere als die der Schweiz. Für die Schweiz ist Grossbritannien ein Bündnisgenosse gegen Übergriffigkeiten und rechtsimperialistische Anwandlungen der EU. Für Deutschland ist Grossbritannien ein Verräter an der europäischen Sache, ein Land, das den verbleibenden EU-Mitgliedern schmerzlich vor Augen geführt hat, dass es auch ein Leben ausserhalb der EU gibt.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dass Münger sein Schweigeglübde aufhebt – bevor er mitsamt seiner Restredaktion eingespart wird. Denn es fehlen ja noch ein paar Milliönchen im Sparziel von Tamedia. Aber Oberchefredaktorin Birrer wird sicherlich weiterhin konsequent ihren Weg gehen, dass Qualität ihr oberster und wichtigster Massstab sei. Allerdings nur, wenn Verluderung, mangelnde Qualitätskontrolle, schweizerische Tiefflüge, unausgegorene Stellungnahmen und die konsequente Übernahme von Inhalten aus München als Qualität angesehen werden kann.